Letztens auf ZDF.Kultur Walkabout zum ersten mal gesehen. Der Film ist von „Nicolas Roeg“, dem Wenn die Gondeln trauer tragen-Regisseur.
In „Walkabout“ geht es um ein Geschwisterpaar, ein junges Mädchen und sein 6jähriger Bruder.
Sie geraten in die Wildnis des australische Outbacks, und um nicht zu verdursten oder verhungern, schließen sie sich einem Aborigine-Jungen an, der sein „walkabout“ absolviert, einen Initiationsritus, bei dem die jungen Stammesmänner völlig auf sich gestellt in der Wüste überleben müssen.
Aus anfänglicher, beidseitiger Unsicherheit entsteht schnell Freundschaft zwischen den Dreien, doch das sexuelle Erwachen der beiden Pubertierenden führt auch zu Konfusionen…
Der Film ist genial, weil „Roeg“ erzählerisch sehr mutig vorgeht, auf fast plakative weise mit Kontrasten arbeitet.
Z.B. den Jagdszenen, bei denen der Aborigine-Junge ein Kängeruh erlegt und zerlegt, stellt er Aufnahmen aus einer modernen Fleischerei entgegen, scheinbar unmotiviert.
(mutig ist auch, dass das Kängeruh tatsächlich erlegt wird - Ich glaube, sowas könnte man heutzutage in einem Spielfilm gar nicht mehr zeigen, ohne Ärger mit „Peta“ und Co. zu kriegen)
Doch so unmotiviert, wie es auf den ersten Blick scheint, sind diese und ähnliche Kontraste gar nicht, da sie stets auf subtile weise die Gedanken- und Gefühlswelt des Mädchens, die Hauptfigur der Geschichte, sichtbar machen.
Im Wiki-Artikel wird folgendes zitiert:
„[…] eine empfindsame, aus heutiger Sicht leicht holzschnittartige Zivilisationskritik, zugleich eine suggestive Komposition aus expressiven Bildern und originellen Klängen, angesiedelt in einem quasi-mythischen Raum von Faszination und Bedrohung menschlichen Lebens.“ (film-dienst)
Holzschnittartig ist höchstens diese Interpretation, verkennt sie doch, dass diese Zivilisationskritik, wenn es denn überhaupt eine Zivilisationskritik gibt, figurenmotiviert ist, wie oben erwähnt.
Um auf das aufdringlich anmutende Beispiel mit der Kängeruh-jagd und dem Schlachter zurückzukommen:
Die Szene steht im Kontext mit dem ersten gemeinsamen Essen der Gruppe, und die Stadtkinder werden erstmalig mit der „Töten-müssen“-Devise des archaischen Wüstenlebens konfrontiert.
Andere Spielarten der Kontrastierung sind die zwei kurzen subplots, bei denen die verdorbene Sexualität der Erwachsenen mit der noch unschuldigen Sexualität der beiden Teenager parallelisiert wird:
Neben vielen poetischen Bildern, wie sich die jungen Erwachsenen neugierig beäugen und berühren, geht es in einem der Nebenstränge um ein Forscherteam, das einen Wetterballon aufsteigen lassen will, aber von einem Mitarbeiter, der auf die heiße Forscherin eifersüchtig ist, sabotiert wird, und im anderen um einen Farmer, der sich an den nackten Aborigine-Mädchen aufgeilt, um dann über seine Frau herzufallen.
Der Film ist letztlich aber kein absolutes Meisterwerk, weil sich die Regie in der Spielerei mit seinem kontrastierenden Erzählverfahren verliert, ein bißchen übertreibt. Mehr disziplin in Auswahl und Verknappung des Materials hätte Wunder gewirkt.