TRIP Folge 1: Wie funktioniert ein Krematorium?

„Bitte geben Sie hier Ihre Musikwünsche an (Ave Maria muß nicht extra angeführt werden).“

Das wäre ja sensationslüstern. In einer Informationssendung, die Wissen vermittelt, einen Knopf zu drücken, da sehe ich hingegen kein Problem. Ein gewisser Respekt im Umgang mit Verstorbenen sollte schon sein, allein aus dem Grund, weil es mal ein Mensch war. Aber generell sehe ich das so, wie srus221. Letztlich sind das nur Überreste und das, was den Menschen ausgemacht hat, ist nicht mehr existent.

Aber die Meinungen gehen da weit ausseinander. Speziell in der westlichen Kultur, in der der Tod relativ tabuisiert wird und die meisten Menschen eigentlich möglichst nichts mit dem Tod zu tun haben wollen. Ich sammel Volkskunst, Kuriositäten und naturwissenschaftliche Präparate und habe auch ein paar menschliche Schädel im Regal stehen. Ich schätze, 90% der Bevölkerung kann das nicht nachvollziehen und 99% sind überrascht, dass das überhaupt erlaubt ist. Da herrschen viele Vorurteile und falsche Vorstellungen.

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In der Tat gehöre ich auch dazu. Kannst Du mal kurz erklären was genau erlaubt ist? Wie alt müssen die Schädel mindestens sein?

Das Thema ist ja anscheinend recht kontrovers. Vielleicht kann ich mal meine Sichtweise beitragen, denn ich bin in dem Krematorium mit dabei gewesen.

Anfangs war mir etwas mulmig zumute, schon Tage vor dem Besuch in Emden. Was erwartet einen da ? Wie funktioniert eine Feuerbestattung ? Es fing schon mit der Ankunft und mit der äußerlichen Erscheinung des Krematoriums an, das an dem Friedhof grenzt und vor allem an das Wohngebiet. Es war erst sehr befremdlich, aber als dann der Leiter uns erklärte, dass die Anwohner damit einverstanden sind, dass dort ein Krematorium steht, habe ich angefangen, etwas von dieser Scheu zu verlieren.

Insgesamt habe ich mir nie Gedanken über den Tod gemacht, in Emden wurde ich damit direkt konfrontiert. Särge werden angeliefert und in die Lagerhalle gefahren bzw. in den Kühlraum. Vor dem Ofen stehen, ebenfalls Särge und es ist merkwürdig zu wissen, dass da Menschen für die Einäscherung aufgebahrt werden.

So wie im Film, so wurde uns das zunächst auch alles erklärt. Mit welcher Würde man arbeitet, aber doch innerhalb des Teams eine Lockerheit im Umgang pflegt. Man könnte meinen, man betritt ein Architekturbüro oder sowas ähnliches. Es geht locker zu, aber immer mit Respekt und Würde. Das alles vermittelte einen sehr gelungenen Spagat und ich selbst fing an, den Tod als recht rationell zu betrachten.

Die Einäscherung wurde als etwas sehr Reines und Sauberes erklärt und wenn man sich das vor Ort ansieht, dann ist es das in der Tat. Jedenfalls in Emden. Es wird da sehr auf die Sauberkeit geachtet und vor allem auch so vermittelt.

Für mich ist der Tod was sehr Abstraktes gewesen, auch wenn ich weiß, dass ich mich dem Zeitpunkt schneller nähere als mir bewusst ist, immerhin habe ich weit über die Hälfte des Lebens hinter mir. Letzten Endes fährt mich das letzte schwarze Taxi auch irgendwann mal dorthin. Aber wie es dann halt weitergeht, dass war mir nie so richtig klar. Ich habe jedenfalls vor diesem finalen Akt keine Angst mehr, sofern man mit mir ebenso umgeht wie in Emden.
Ich gehe jetzt mit dem Thema entspannter um. Ich durfte die Asche eines Verstorbenen sehen und auch die Knochen anfassen. Vorher durften wir auch durch eine Luke in den Ofen direkt reinschauen und einen Verstorbenen bei der Einäscherung sehen. Diese Momente sind es, die mir den Schrecken genommen haben. Es wurde eine Hülle eingeäschert. Mehr nicht. Der Körper besteht zu 70% aus Wasser, der Rest ist Gewebe und Fett. Nur ein kleiner Teil sind die Knochen, die am Ende übrig bleiben. Das ist nun mal die Realität.

Was mit der Seele passiert, darüber muss sich ein jeder selbst Gedanken machen. Aber genau das ist es, was im Krematorium nicht eingeäschert wird. Die Seele ist dort nicht Bestandteil der Einäscherung.

In dem Moment, wo ein Mensch stirbt, geht die Seele und wird zur Erinnerung für die Angehörigen. Durch die Erinnerung wird der Mensch zu einer Geschichte, an die man sich erinnert.

Es ist diese Erkenntnis, die ich bei diesem Besuch gewonnen habe und ich bin dankbar dafür, dass ich diese Erfahrung vor Ort machen durfte und ich die Gelegenheit gehabt habe, bei diesem Dreh dabei sein zu dürfen.

Vielleicht habe ich meine Eindrücke etwas wild durcheinander wiedergegeben, aber es war so intensiv, da bitte ich dann um Nachsicht !

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Kannst du ungefähr sagen, wieviele Anlieferungen - weiss es nicht anders auszudrücken - es dort gab? Natürlich mit Angabe eines ungefähren Zeitraums, sonst macht das ja keinen Sinn. :wink:

Ich weiß zwar jetzt nicht, was es Dir bringt das zu wissen, aber ich denke mal, es war in dem Zeitraum von ca. 3 Stunden drei „Anlieferungen“. Allerdings kann man daraus an sich nichts ableiten.

Danke. Ich wollte einfach wissen ob das eine Massenabfertigung ist, da eben sehr viele ankommen, oder ob es eher langsamer dort zu geht und es auch mal Leerlauf gibt.

Edit: Am ende ist es ja eben nur ein Geschäftsmodell. Der Betreiber betreibt das ganze ja nicht aus Menschenfreundlichkeit. Hoffe damit ist klar, warum ich das gefragt habe.

Würde sagen das hängt auch davon ab ob gra dmalwieder irgendwo eine Katastrophe (Zugunglück) oder sonst etwas war.

Na das steht ja außer Frage.

Aber bei deinem Gedanken wäre es mal interessant zu wissen, wie da so die Pläne sind. also wenn mal wirklich was großes passiert. Wo hin mit all den toten Menschen und wo sollen die dann alle verbrannt werden. Aber das sind sicher Sachen, die uns erschrecken würden.

fragst du für einen Frreund?

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Es sind lediglich meine eigenen persönlichen Gedanken oder meine Wahrnehmung, die durch diesen Besuch dort in Emden entstanden sind. Es ist das, was ich persönlich für mich mitgenommen habe. Ein jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er mit dem Thema umgeht.
Alle meine Angehörigen, die bisher das Zeitliche gesegnet haben, wurden eingeäschert und für mich war es immer etwas sehr Abstraktes. Nun habe ich eine ganz andere Sichtweise gewonnen und gehe damit ganz anders um.
Aber wie gesagt, das muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er mit diesem sicher nicht einfachen Thema umgeht.

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Was ist den daran nicht einfach? Es gibt kaum etwas einfacheres wie den Tod. 1 - 1 = 0 gleich einfach.

Das Alter ist irrelevant. Der Besitz ist kein Problem, wenn die Schädel (oder sonstige Teile) nicht aus Grabplünderungen stammen oder sonstwo entwendet wurden. Die wahre Herkunft ist natürlich oftmals gar nicht nachzuweisen. Aber hier gilt: wo kein Kläger, da kein Richter. Auf der sicheren Seite ist man bei anatomisch präparierten Objekten, also zum Beispiel sowas:

Da ist offensichtlich, dass es sich um einen Schädel aus professioneller Präparation für Medizin und Wissenschaft handelt, und daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Schädel aus einer ethisch einwandfreien Quelle stammt. Ich sage, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, weil man auch da letztlich nicht sicher sein kann. Bis in die 90er Jahre hinein haben die Universitäten und wissenschaftlichen Betriebe ihre Leichen im großen Stil aus China und Indien importiert. Ein großer Skandal übrigens, den niemand interessiert hat. Da muss man leider davon ausgehen, dass viele Personen dabei waren, die niemals ihr Einverständnis für eine wissenschaftliche Nutzung ihres Körpers gegeben haben. Der obige Schädel ist übrigens kein Asiate.

Problematisch sind ungebleichte Schädel, die aussehen, als wären sie gerade ausgegraben worden. Die sind nicht zwangsläufig illegal, aber die Wahrscheinlichkeit ist natürlich ungleich höher. Aber auch bei solchen Schädeln ist der Besitz erst mal nicht verboten. Im Zweifel kann die Jurisdiktion die Illegalität ja gar nicht nachweisen. In dubio pro reo. Daher ist der Besitz von Schädeln oder anderen menschlichen Objekten in erster Linie eine ethische Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss. Es gibt jedenfalls kein Gesetz, dass den Besitz verbietet. Sonst hätten auch die Museen und wissenschaftlichen Einrichtungen ein Problem. Die in Deutschland geltende sogenannte Bestattungspflicht ist da kein Widerspruch, denn die gilt für frisch Verstorbene und wurde primär aus hygienischen Gründen erfunden.

So einfach würde ich es mir nicht machen. Den Tod meines Vaters habe ich nie wirklich verkraftet – und das liegt sicher auch daran, dass ich ihn nicht „begriffen“ habe. Als ich dann einen Menschen über Wochen in den Tod begleitet und auch den letzten Atemzug erlebt habe, habe ich sehr viel mehr begriffen… und seit dem auch keinerlei Angst mehr vor dem Tod und dem Sterben. Selbst bei einer schweren Erkrankung nicht. Das „Begreifen“ hatte sehr viel mit dem Vorgang des Sterbens und mit dem Leichnam zutun. Ähnlich bei diesem Thema. Wenn man nie eine Leiche gesehen hat, nie mit dem Tod konfrontiert war oder das Thema Tod, Beerdigung und Umgang mit dem Leichnam ausgeblendet bzw. verdrängt hat… dann kann ich schon verstehen, dass es für jemanden „kein leichtes Thema“ ist. Es ist nicht für jeden rational. Wahrscheinlich für die Wenigsten.

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Ein sehr schönes Format, das mir wirklich einen Mehrwert gebracht hat!
Glückwunsch zum Einstand! :slight_smile:

Schon lustig, dass ich mir insgeheim gehofft hatte, dass Thomas in einer der nächsten Folgen nach Tchernobyl fährt, um uns das Thema AKW (und die Folgen :wink: ) näher zu bringen. :smiley:

Themenvorschlag: U-Boot, Zeppelin
Im Hamburger Hafen liegt ein „Museums-U-Boot“, das sicherlich einen Blick wert wäre. :slight_smile:

Da ist mir doch glatt wieder die erste Trip-Folge eingefallen:

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