RTL Spiegel TV Extra: Lob für Unterschichtendeutsch

Dann würde ich mich sicherlich nicht dafür interessieren, ob eine Sprachwissenschaftlerin meinen ach so genialen Slang zum neuen Hochdeutsch erklären will. Ich glaube, diese Leute haben schlicht andere Probleme - was diese gesamte Debatte im Grunde müßig erscheinen lässt. Das ist wiedermal eine typisch deutsche Diskussion! :wink:

Man nennt dies wissenschaftliche Forschung. Die linguistische Betrachtung einer Sprache löst tatsächlich recht selten existentielle Probleme, aber das ist auch keine Grundbedingung für die Sinnhaftigkeit von Forschung. Die Untersuchungen könnten aber Lehrern helfen (und sie dazu motivieren) die Grammatik des Standarddeutschs besser kontrastiv zu erklären, wenn sie Schüler unterrichten, die hauptsächlich Kiezdeutsch sprechen.

Mit einer Einstellung, die das Kiezdeutsch einfach als primitive Sprache von Menschen abtut, die einfach nur keine grammatikalischen Regeln beherrschen, dürfte es auf jeden Fall deutlich schwieriger sein eine vernünftige Unterrichtsbasis zu schaffen.

Aber was passiert, wenn es seit deutschen Generationen heißt:
-> “Komm mal bei Mutti.”
-> “Jetzt geh mal in Bette rein.”
-> “Mich is das egal”
-> “Aber nicht mit mich!”
-> “Gib mal Cola.”

Ist das nicht befremdlich?
Ich muss dazu sagen, dass ich aus der Ostzone stamme und solche Redensarten respektive Sätze mir bis zur Wiedervereinigung komplett fremd waren. Im Osten wurde normale Sprache gelehrt, aber was ich dann erfahren musste trieb mir Tränen in die Augen.
Natürlich entwickelt sich Sprache weiter, aber muss es denn so augenscheinlich blöde sein?
Von der Intention solcher Sätze wie: “Ich fick deine Mutter.” mal abgesehen, aber geht es dabei nicht eher um Beleidigung denn Respekt?

Mich wundert die Diskussion um den "Sozial"sprech. Können oder wollen die sich nicht vernünftig artikulieren? So schwer ist das nicht.
Und selbst wenn hier Artikel genannt werden, die diese Gossensprache verteidigen, so gibt es wohl Auswege aus dem “Isch weiß wo dein Haus wohnt, Aldaaa und hau disch Fresse blutisch.”

edit:
Ich wollte nur mal kurz anmerken, dass es in der Zone auch ‘Leiharbeiter’ gab, die den Staat auf Vordermann bringen sollten, oder die eine vernünftige Ausbildung bekommen sollten (Bruderstaaten-Abkommen). Es wurden Ärzte aus den sogenannten Bruderstaaten ausgebildet, Fachkräfte vor allem in Metallverarbeitenden Berufen, bekamen ein Studium in der Zone und wurden Ingenieure.

Natürlich muss ich dazu sagen, dass die meisten Ausländer selbst in der Zone nicht gerne gesehen waren und es gab sogar Ghettos, wo die Leute hausten. In der Mitte der Stadt wurden sie auch nicht gerne gesehen, der Rassismus in der Ex-DDR wurde totgeschwiegen. Niemand wollte Kubaner oder Vietnamesen sehen. Die befanden sich also nur in den Betrieben der DDR oder in ihrer Enklave. Und wenn Frauen/Mädchen sich auf diese Männer eingelassen haben wurden diese aufs Übelste beschimpft (Negernutte etcp.). Nie gab es dafür irgendwelche Strafen, es wurde so hingenommen und akzeptiert.
Ich glaube ich bin abgeschweift, aber das wollte ich mal anmerken. Also selbst in der Zone gab es erhebliche Ressentiment gegen Ausländer, und das alles nicht zu knapp. Ich könnte jetzt noch ein bisschen mehr aus dem Nähkästchen palavern, aber das gehört nicht in diesen Thread rein, wo es doch hier um Sprache geht.
Nur noch Eines: die Ausländer in der Zone bedienten sich nie dem hier angesprochenen Kanakensprech.

@ izzy-bizzy:

Kietzdeutsch hat deswegen mehr Bezug zu deutschen Sprache, weil sie sich von der Satzstellung daran orientiert, beispielsweise. Oder ähnliche Kurzformen verwendet.

Das allein wäre etwas mager. Zudem gibt es auch Satzstellungen, die deutlich vom normalen Deutsch abweichen. „Gehst Du Schule“ kann ja auch die Aussage sein: „Du gehst zur Schule“. Und da ist die Satzstellung wesentlich verschieden.

@ Maschendraht:

Was ist denn an der Formulierung „Ich gehe ins Kino“ objektiv besser als an „Ich geh Kino“? Haben einige hier so große Sehnsucht nach Präpositionen?

In diesem Fall ist der praktische Unterschied nicht groß. Aber Präpositionen (oder entsprechende Wortendungen) sind natürlich nicht sinnlos. Sie haben durchaus ihren Sinn. „Ins Kino“ beinhaltet die Information, wie das Gehen im Zusammenhang mit dem Kino und mir steht. Ich kann in irgendein Kino gehen, ich kann in ein bestimmtes Kino gehen, ich kann am Kino vorbeigehen, ich kann ums Kino (herum) gehen, ich kann ins Kino hineingehen usw.
In einfachen Fällen kann man aus dem Zusammenhang klar erkennen, was gemeint ist. In anderen weniger.

Wenn man allgemein auf Präpostionen oder gleichwertige andere Formen verzichtet, dann entsteht eine Pidgin-Sprache („Du Tarzan, ich Jane“). Das ist nicht unbedingt in jedem Fall „schlimm“, aber dass eine solche Sprache für den Schriftverkeht, die Wissenschaft oder eine gehobene Konversation ungeeignet ist, wo man sich exakt ausdrücken muss, liegt auf der Hand.

Meine Kritik richtet sich nicht gegen Pidgin-Sprachen oder das Keizdeutsche an sich. Die können in manchen Situationen durchaus ihren Sinn und Nutzen haben. Sondern ich bemängle es, wenn solche Sprachformen dem Hochdeutschen ziemlich deutlich als gleichwertig (oder gar überlegen) zur Seite gestellt werden.

Sprache kann doch nicht gut oder schlecht sein. Die Ausdrucksfähigkeit eines Individuums kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Aber ein Sprachsystem ist immer wertungsfrei zu analysieren.

Natürlich kann man auch eine Sprache selbst analysieren oder „bewerten“, und zwar jeweils in einer bestimmten Hinsicht. Beispielsweise im Hinblick auf ihre Ausdrucks- und Differenzierungsfähigkeit. Und natürlich macht es einen großen Unterschied, ob man sich in einer Sprache sorgfältig und genau, oder nur grob und ungefähr ausdrücken kann. Das kann man doch nicht leugnen. Und mehr behaupte ich ja auch nicht.

@ Mannbärschwein:

Auf der einen Seite hantierst du mit Fachbegriffen rum, wie „arbiträr“, „Homonyme“ und „Äquivokationen“ und drückst dich formal wie ein Professor der Linguistik aus, aber auf der anderen Seite ist das, was du letztlich von dir gibst, nicht mehr oder weniger als die üblichen, allseits vernehmbaren Abwehrreaktionen auf die Thesen der Professorin, sprich, Phrasendreschereien wie, dass das Kiezdeutsch eine grammatiklose, wortschatzarme Sprachstörung ist, die aus Unvermögen gesprochen wird und dem Hochdeutschen inklusive seinen Dialekten unterlegen ist.

Nein, denn ich argumentiere inhaltlich und an der Sache; ich analyisere und begründe.
Ich bin der einzige, der beispielsweise ausführlich auf einen Originaltext von Frau Wiese eingegangen ist, und zwar indem ich mich inhaltlich-sachlich mit ihm beschäftigt habe. Wenn Du mir unterstellst, ich betreibe nur „Phrasendrescherei“, dann hast Du meine Beiträge offenbar nicht gelesen.

Witzig ist vor allem, dass du in deinem ersten Beitrag schon die Behauptungen der Wiese als „offensichtlichen Unsinn“ bezeichnet hast, um dann aber trotzdem in zig weiteren Posts umständlich und schwadronierend zu beweisen, dass der „offensichtliche Unsinn“ offensichtlicher Unsinn ist. Also wenn du mich fragst, ist das, was du tust, offensichtlicher Unsinn.

Keineswegs. Denn auch das eigentlich Offensichtliche kann meistens noch genauer begründet werden. Und manchmal ist das sogar angemessen, nämlich wenn es in Abrede gestellt wird.

Vielleicht leidest du ja an irgendeiner Zwangsstörung, immer wieder das Gleiche mit anderen Worten formulieren zu müssen, keine Ahnung.
Ich meine, wenn das irgendeine Beschäftigungstherapie sein soll wegen irgendeines Dachschadens, können wir ja gerne so fortfahren.

Das ist nun leider ein typisches argumentum ad hominem. Andere (zumindest indirekt) für geisteskrank oder gestört zu erklären, hat nichts mit einer sachlichen Argumentatuion zu tun, sondern stellt einen Angriff auf die Person des anderen dar. Und so etwas sollte daher auch in einer niveauvollen Sach-Diskussion nicht vorkommen. Auch dies gehört übrigens zu den Selbstverständlichkeiten, über die man eigentlich nicht zu sprechen braucht, oder jedenfalls nicht zu sprechen brauchen sollte. Weiterhin widerspricht es den Regeln der Höflichkeit und des Respekts, wie sie auch in den Foren-Richtlinien stehen. Falls das Dein Stil ist: meiner ist es nicht, und ich werde Dich nicht in vergleichbarer Weise beleidigen. Aber ich bitte die Moderatoren, dich deswegen zu ermahnen, dann das ist unter der Gürtellinie.

Sprichst perfekt Deutsch, beschränkst deine Kommunikation aber auf redundante Inhalte und Wiederholungen. Dagegen könnte z.B. ein sprachschwacher Diskutant trotz beschränkter Mittel vielleicht „effizienter“ kommunizieren.

Das Wiederholen hat hier vor allem rhetorischen Sinn: Argumente, die trotz ihrer Gültigkeit schlecht verstanden werden, versuche ich auf diese Weise unter verschiednen Gesichtspunkten zu verdeutlichen. Oftmals fällt es offenbar auch schwer, eine differenzierte Position zu vermitteln: Ich finde Kiez-Deueutsch in einem völlig absoluten Sinne weder „gut“ noch „schlecht“, sondern in gewissen, aber wesentlichen Aspekten der Hochsprache unterlegen. Gleichzeitig anerkenne ich eine funktionale Berechtigung dieses Slangs. Das ist aber offenbar kaum vermittelbar. Ich müssete sagen, dass ich Kiezdeutsch schlechterdings gut oder schlecht finde, um verstanden zu werden. Deswegen wiederhole ich das oftmals, aber es nützt nichts: Es kommt bei manchen dennoch nicht an.
Im Übrigen enthalten natürlich meine neueren Beiträge jeweils auch wesentliche neue Inhalte.

Deswegen habe ich nach Quellen gefragt, jenseits von Artikeln, die ebenfalls Phrasendrescherei betreiben, also z.B. eine gehaltvollere Rezension des besagten Buches, oder ein Artikel, der sich mit Madames‘ Behauptungen fachlich auseinandersetzt, vielleicht eine Gegenthese aus der Sprachforschung oder zumindest eine Angabe, woher du dein Wissen hast, z.B. aus diesem oder jenem Buch, oder ob das „bloß“ deine eigene Meinung ist, sozusagen ohne „Schießeisen“.

Und das habe ich nicht getan. Ich habe keinen Artikel geliefert, der sich inhaltlich konkret mit Wieses Arbeit auseinandersetzt. Sattdessen habe ich mich selbst in einem eigenen Beitrag inhaltlich konkret mit Wiese auseinander gesetzt. Und meine Argumentation kann jeder selbst beureilen.
Ich habe mein Wissen hier nicht von anderswoher, sondern begünde mein Urteil eigenständig. Aber das scheint Dir seltsamerweise nicht zu gefallen oder für Deinen Geschmack zu „unwissenschaftlich“ zu sein. Lieber wäre es Dir wohl gewesen, ich hätte auf das Buch eines Linguisten verweisen.

Dazu möchte ich Dir etwas sehr Wichtiges sagen: Im Zusammenhang mit Wissenschaft und Rationalität kommt es nicht auf „Autoritäten“ an, die jemand zitiert, sondern auf die Argumente. Und die habe ich wie gesagt offengelegt, und jeder kann sie beurteilen und gerne auch rational kritisieren.
Dreh mir also keinen Strick daraus, dass ich mich selbst argumentativ mit etwas auseinandersetze, anstatt auf Dritte zu verweisen.

Aber vielleicht siehst Du auch gar nicht, dass meine Analyse des Weiseschen Textes eine rationale Auseinandersetzung darstellt, bei der ich Argumente verwende und meine Kritik sachlich begründe. Vielleicht ist das für Dich nur „Phrasendrescheri“. Dann liegt das aber nicht an meinen Argumenten, die man gerne seinerseits kritisieren kann, sondern an Dir:

Wenn ich beispielsweise festesstelle, dass im Gegensatz zu Wieses Darstellung der Ausdruck „Pfötchen geben“ kein semantisch gebleichtes Verb beinhaltet und keinen Informationsverlust bedeutet, und sich somit radikal von „Ich mach dich Messer“ unterscheidet, so ist das keine „Phrasendrescherei“, sondern ein rationales Argument. Jedenfalls für jeden, der genug Sachkompetenz besitzt, das Argument inhaltlich zu verstehen. Vielleicht besitztst Du diese Kompetenz. Das weiß ich nicht. Falls nicht, dann folgere bitte nicht aus Deinem mangelnden Verständnis die inhaltliche Bedeutungslosigkeit des von Dir Unverstandenen.

Es ist ja nicht so, dass ich davon überzeugt bin, dass Prof. Wiese mit ihren Behauptungen absolut richtig liegt, aber es steckt nun mal mehr „Materie“ hinter dem Ganzen als das vordergründig Sichtbare, und eine wirklich angebrachte Kritik kann man nicht so eben aus dem Ärmel schütteln, obwohl das viele glauben.

Ich habe Artikel über ihre Aussagen gelesen, und ich habe einen längeren und sachorientierten Text von ihr selbst gelesen, wo sie verschiedene Thesen aufstellt und verschiedene Argumente vorstellt. und das, was dort jeweils geschrieben ist, kritisiere ich in großen Teilen (und zwar sachlich), nicht darüber hinausgehende Details, die in einem Buch von ihr stehen mögen.

Zitat Mannbärschein:

Genosse Deissler hat das ja schon auf Seite 1 auf den Punkt gebracht:

deissler hat geschrieben:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heike Wiese den Unterschied zwischen Soziolekt und Dialekt nicht kennt.

Was hat das mit mir zu tun? Habe ich Frau Wiese dafür kritisiert, dass sie Dialekt und Soziolekt nicht unterscheiden könne? Und etwas anderes: Wieso wohl habe ich in Beantwortung einer Deiner Fragen einen wiki-Artikel verlinkt, der Frau Wiese in dieser Frage sachlich zur Seite springt, wenn es mir nicht um eine faire inhaltliche Auseinanderstzung geht, sondern um billige und substanzlose Polemik? Glaubst Du, dass ich mich dann bemühe, Argumente für sie ins Feld zu führen und sie zu stärken, wo ich das sachlich für angemessen halte?

Tatsächlich sind diese Kategorien alle sehr eng beieinander liegend und ich warne vor einem blindmachenden Multikultihass, der dazu führt, dass jede These der Linguistin ohne Lektüre des Buches per se als dämlich abgestempelt wird.

Was hat das mit mir zu tun? Ich habe mich in mehreren anderen Threads ausdrücklich gegen ein undifferenziertes und ungerechtes Niedermachen von Ausländern und Islam verwahrt und wurde deshalb als „Gutmensch“ bezeichnet. Und ich habe auch nicht „jede These ihres Buches“ „ohne Lektüre“ als dämlich abgestempelt, schon gar nicht „per se“ oder gar aus Ausländerhass, sondern ich habe ganz bestimmte Thesen und Argumente, die ich sehrwohl gelesen habe, inhaltlich kritisiert. (Und wesentlich weniger polemisch als andere hier.)

Mich kotzen Sprachpuristen an, aber das führt vom hier eröffneten Thema zuweit weg. Nur so viel: WIR bilden die Sprache. Es gibt keine Behörde die festlegt, was richtiges Deutsch ist. Sprachwandel ist so natürlich wie Regen und Lungenkrebs.

Das habe ich auch nie bestritten, sondern mehrmals betont, dass es durchaus „passende“ Neuerungen und Innovationen gibt. Nur ist eben nicht jede sinnlose semantische Verarmung oder Beliebigkeit ein Fortschritt.

Soweit die Zitate von Deissler. Er hat seinen Beitrag weder gegen mich geschrieben, noch passt mir der Schuh. Was willst Du eigentlich von mir? Hälst Du mich für einen verkappten Ausländerfeind, der reflexartig jede „Aufwertung“ von Migranten abwehrt, ohne nachzudenken und sich mit sachlichen Argumenten auseinanderzusetzen? Hättest Du meine Beiträge gelesen, so wüsstest Du, was meine tatsächliche Position ist. Die ist wesentlich anders und deutlich differenzierter als manche anderen Positionen. Du beklagst zwar die Länge meiner Beiträge, aber trotz meiner eindeutigen Darstellung ist es Dir nicht gelungen, zu verstehen, was ich sage und was nicht.

Statdessen gehst Du kaum irgendwo auf die Sache selbst mehr ein, schon gar nicht auf Frau Wieses konkrete Thesen und Argumente, oder auf meine genau so konkrete Kritik daran; sondern Du erschöpfst Dich darin, meine Beiträge allgemein anzugreifen, wobei Du offenbar meine Position missverstehst. Des Weiteren greifst Du mich persönlich an, was ich mit Dir nie gemacht habe. Und dann schreibst Du:

Du machst nämlich mit deinen Beiträgen insgesamt keinen souveränen Eindruck.

Na danke auch.

@ Baru:

Kann man natürlich alles für absolut unästhetisch halten. Ästhetik ist aber nun wirklich nicht das Thema bei der Analyse von Sprachen.

Das sehe ich anders. Denn eine Sprache beinhaltet auch Literatur, Kunst, Dichtung, Prosa. Das Sprachgefühl der Sprecher und Kulturschaffenden völlig außen vor zu lassen und Sprache nur als funktionales System zu sehen, wäre m.E. eine wesentliche Reduktion. Das Sprachempfinden mag sich im Lauf der Zeit ändern, aber man sollte es nicht vergewaltigen.

Da reicht schon die Englische Sprache als Beispiel aus, dass komplexere Deklination und präziseste Ausdrucksmöglichkeiten keine Notwendigkeit sind, um Kultur und Wissenschaft betreiben zu können.

Ja, aber meines Wissens ist deswegen auch die Flexibilität der Satzstellung im Englischen geringer als im Deutschen. Es bedarf einer schematischeren Satzstellung, um dieselben Informationen eindeutig darzustellen. Reduktion von Spache bedeutet eben auch einen Velust der Vielfalt. Aber natürlich könnte man beispielsweise auch verschiedene Endungen bei Flexionen im Deutschen abschaffen.

Doof wird es nur, wenn alles durcheinandergeht: Mal dekliniert man richtig, mal falsch, mal gar nicht. Dann ist es besser, es gleich ganz zu lassen, so wie eben im Englischen. Da sind die Regeln oft einfacher und anders, aber es gibt eben doch eine gewisse Geltung und Einheitlichkeit der Regeln.
So wie im Hochdeutschen und den Dialekten, nicht aber im Kiez-Deutschen.

@ Maschendraht:

Ich wehre mich allerdings dagegen, dass Kiezdeutsch strukturlos und „verarmt“ sei. Selbstverständlich hat es eine grammatische Struktur, nur ist die eben in vielen Punkten anders als das, was wir sprechen, also für richtig halten. „Richtig“ ist aus linguistischer Sicht eine untaugliche Beschreibung, da immer nur das, was Sprecher selbst anwenden als richtig angesehen wird. Da ist es besser zu unterscheiden, ob ein Ausdruck „sozial akzeptiert“ ist oder nicht. Und das ist das Kiezdeutsch innerhalb eines bestimmten Kreises, für die also richtig.

Wenn das Kiezdeutsch exakte Regeln hätte, die einfach nur vom Hochdeutschen abweichen, dann wäre es schwer, Dir zu widersprechen. Bestenfalls könnte man sagen, dass es dann deutlich vom allgemeinen Sprachgefühl abweicht und daher schlecht kompatibel ist. Nach allem, was man aber aus der allgemeinen Erfahrung (und auch Frau Wieses Texten) weiß, scheint eine ziemliche Beliebigkeit im Kiezdeutschen zu herrschen: Mal wird bei einem Wort ein männlicher Artikel gebraucht, dann bei ein und semselben Wort ein weiblicher, mal gar keiner, mal ein Ersatzwort. Hier zeigt sich die WUrzel: Fehlende Sprachkompetenz, die ich wie gesagt niemandem zum „Vorwurf“ mache. Kiezdeutsch ist dann aber dennoch eine „destrukturierte“ Sprache ohne wohldefinierte Grammatik, und das ist nach allgemeinem Verständnis nicht ein Indiz einer entwickelten und qualitativ hochwertigen Sprache.

Und genau hier wie auch in der stark reduzierten Ausdrucksfähigkeit besteht ein wesentlicher Unterschied zum normalen Dialekt, der allerdings hier leider ignoriert wird.

Du hast an Enzio geschrieben:

Wie du siehst, schließt du von der Sprache einer Person auf die soziale Herkunft (was völlig legitim ist, schließlich ist auch der Ausdruck sozialer Identität eine Funktion von Sprache). Das hat aber nichts mit dem Wert der grammatischen Struktur zu tun.
Dann wäre nämlich aus deiner Sicht auch ein vornehmer Römer ein Prolet, wenn er sagt „Romam eo“ (zu deutsch: „Ich gehe nach Rom“; ohne Präposition)

Statt der Präposition hat der Römer hier aber die Endung „am“, bei „romam“, die hier den Akkusativ anzeigt und eine wohldefinierte Ausdrucksweise erlaubt.
Wenn jemand „in Rom“ oder „aus Rom“ sagen möchte, so verwendet er den Ablativ, wenn er „nach Rom“ geht den Akkusativ:

Diese Inseln, Städte, domus und rus, die auf die Frage „wo?“ mit dem Lokativ oder präpositionslosen Ablativ antworten, bilden ebenso einen präpositionslosen Ablativ als Separativus auf die Frage „woher?“: Roma „aus Rom“, Carthagine „aus Carthago“, Corintho „aus Korinth“, Athenis „aus Athen“, rure „vom Lande“, domo „aus dem Haus“ und einen präpositionslosen Akkusativ als Direktionalis auf die Frage „wohin?“: Romam „nach Rom“, Carthaginem „nach Karthago“, Corinthum „nach Korinth“, Athenas „nach Athen“, Hierosolyma „nach Jerusalem“ (ist n.pl.), rus „aufs Land“, domum „nach Hause“.

http://www.albertmartin.de/latein/grammatik/doku.php/

Das Fehlen der Präposition bedeutet hier also nicht grammatische Unterbestimmtheit, sondern es existiert sehrwohl jeweils ein Kasus, der durch die Endungen angezeigt wird. Das ist ein gleichwertiger Ersatz für eine Präposition, und das Lateinische geht daher mit keinen Mangel an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit oder grammatischer Differenzierung einher.

Dein Vergleich hinkt also. Du müsstest den Vergleich bringen, dass es nur noch die Grundform „roma“ als Nominativ gibt, egal in welchem sprachlichen Ausdruck dieses Nomen verwendet wird. Dann wäre das Lateinische alledings eine recht arme Sprache. Und viele Satzkonstruktionen wären gar nicht mehr möglich, denn die charakteristische Flexibilität des Lateinischen wird ja erst durch die Wortendungen bei den Deklinationen möglich.

Ich möchte jetzt nicht böse sein, und betrachte das Folgende bitte mit einem Augenzwingern: Aber dieser Kommentar von Dir hätte auch aus der Feder von Frau Prof. Dr. habil. Wiese stammen können. Das ist aber leider nicht als Kompliment gemeint.

Zitat Enzio:

Möchten diese Menschen wirklich so reden oder können sie es einfach nicht besser? Würden sie nicht lieber mit besserer Bildung „normal“ sprechen können?

Also selbst Frau Wiese gibt meines Wissens zu, dass das Kiezdeutsch deshalb gesprochen wird, weil die entsprechenden Leute nicht die Chance hatten, dass sie „normales Deutsch“ lernen. Das ist übrigenns meist nicht ihre Schuld. (Vielleicht finde ich die Quelle noch einmal, ich hab sie gerade nicht da.) Man sollte vielleicht etwas vorsichtig sein, nicht so zu schreiben, dass es „verletzend“ gegenüber diesen Menschen wirkt, denn bei aller Kritik einer Sprache will man ja die Menschen nicht abwerten.

@ Baru:

Ich würde menschlich gesehen sehr gerne die Einstellung vertreten, dass Kiezdeutsch ein interessanter neuer Dialekt ist, der das Deutsche bereichert. Ich bin nämlich Willens, auf Menschen mit Migrationshintergund positiv zuzugehen und sie zu respektieren (so wie ich das umgekehrt auch erwarte). Deshalb will ich ihnen auch nicht das Gefühl vermitteln, dass ich sie abwerte. Und deshalb auch nicht, dass ich ihre Sprache abwerte.

Leider sehe ich mich aus sachlichen Gründen (die ich detailliert und argumentierend dargelegt habe) dazu gezwungen, dass ich das Kiezdeutsch nicht so positiv bewerten kann, jedenfalls in wesentlichen Aspekten nicht.

Mit einer Einstellung, die das Kiezdeutsch einfach als primitive Sprache von Menschen abtut, die einfach nur keine grammatikalischen Regeln beherrschen, dürfte es auf jeden Fall deutlich schwieriger sein eine vernünftige Unterrichtsbasis zu schaffen.

Genau das ist nämlich leider nach meiner Überzeugung für das Kiezdeutsch weitreichend zutreffend, was ich durchaus bedauerlich finde, und womit ich die Sprecher auch nicht abwerten möchte. Aber es ist leider so, dass viele Menschen, die in entsprechenden Vierteln aufwachsen, am Ende wohl gar keine Sprache mehr gut sprechen können: Nicht Deutsch, aber auch nicht Arabisch oder Türkisch oder Russiisch. Stattdessen kommt eine vereinfachte Pidgin-Sprache zustande. Wenn jemand die nur spricht, um mit anderen zu kommunizieren, dann ist das kein Problem. Wenn er aber nicht besser sprechen kann, dann ist das weniger für die Gesellschaft, sondern für ihn selbst ein Problem, denn so kann er seine Potentiale vermutlich kaum adäquat verwirklichen.

Ich sage das nicht mit Arroganz oder gar Gehässigkeit, sondern eher mit Bedauern und sachlicher Nüchternheit.

@ alle:

Wir sollten auch einen wichtigen Punkt nicht vergessen, auf den ich bereits das letzte mal hingewiesen hatte: Das gehobene und einheitliche Deutsch wurde offenbar auch deswegen gezielt geschaffen, damit nicht nur eine Elite, die Latein und Französisch spricht, Zugang zu Philosopjhie, Kultur und Wissenschaft hat, sondern das breite Volk. Damit eine deutsche Sprache entsteht, in der man diesen anspruchsvollen themen gerecht werden kann, wurde das Deutsche als Hochsprache während der Aufklärung mitgeformt.

Wenn das Hochdeutsch allgemein niedergehen sollte, dann wird das dazu führen, dass die Eliten eine eigene Sprache haben, während die Normalmenschen sich nur noch einfach ausdrücken können. Das wäre anti-emanzipatorisch und ein Rückschritt.

Ich muss einmal klugscheißen:

Nur umgangssprachlich bezeichnet “Hochdeutsch” das Standarddeutsch. Hochdeutsch ist eigentlich die Bezeichnung für eine Gruppe der deutschen Sprache, die zum einen das Standarddeutsch aber auch viele deutsche Dialekte beinhaltet, so zum Beispiel Bairisch. Das Kiezdeutsch ist auch eine hochdeutsche Varietät.

Das Gegenstück ist das Niederdeutsche (auch Plattdeutsch), was heutzutage auch im norddeutschen Raum nicht mehr das Standarddeutsch der Region ist und nur noch in Dialekten weiterlebt.

Ansonsten:
Ich habe nun das Buch von Heike Wiese aus meiner UB ausgeliehen und werde es in nächster Zeit lesen. Wenn ich Zeit finde, werde ich dann nochmal ihre Thesen zusammenfassen. (Zum Beispiel begründet sie ihre Wahl des Begriffes Dialekt mit einer wohl in der aktuellen Forschung anderen Auffassung vom Dialekt-Begriff.)

Wenn ich beispielsweise festesstelle, dass im Gegensatz zu Wieses Darstellung der Ausdruck „Pfötchen geben“ kein semantisch gebleichtes Verb beinhaltet und keinen Informationsverlust bedeutet, und sich somit radikal von „Ich mach dich Messer“ unterscheidet, so ist das keine „Phrasendrescherei“, sondern ein rationales Argument. Jedenfalls für jeden, der genug Sachkompetenz besitzt, das Argument inhaltlich zu verstehen. Vielleicht besitztst Du diese Kompetenz. Das weiß ich nicht. Falls nicht, dann folgere bitte nicht aus Deinem mangelnden Verständnis die inhaltliche Bedeutungslosigkeit des von Dir Unverstandenen.

Tja, die Phrasendrescherei beginnt ja auch, wenn du anfängst zu erläutern, was dieses rationale Argument nun beweisen soll.
Mal davon abgesehen, dass selbst das nur die halbe Wahrheit darstellt, da du wieder den Kontext außer Acht läßt.
Ich zitiere „Mr. Morizon“:

Zu dem Beispiel „Machst du Fahrrad“. Jetzt werden mich einige steinigen, aber: „machen“ impliziert ja nicht zwingend erstmal eine handwerkliche Tätigkeit (so wie Herr Bastian Sickus es verlangt). Der Großteil der Sprecher sagt auch „Das macht Spaß“. Viel lustiger ist es natürlich bei „Sinn machen“. Das „machen“ hat hier, als anglizistischer Einzug in die deutsche Sprache, einfach das „Sinn ergeben“ verdrängt, sodass man mittlerweile beides sagen kann. Genauso kann man das dann auch auf das „Fahrrad machen“ transferieren.
Sprache ist schließlich immer kontextabhängig. So wird der angesprochene, wenn er vorher gesagt hat „Kann nich komm, Auto kaputt“, verstehen, dass, wenn der andere sagt „Machst du Fahrrad“, er meint: „Fahr halt mit dem Rad“. Genauso wenn er vorher sagt: „Mich Fahrrad voll scheiße aussehen tut, Farbe so abblättern und so scheiß“ - dann weiß er, dass der andere meint: „Mach dein Fahrrad wieder heil“. Kontextabhängigkeit ist bei Sprache immer gegeben und die einzelnen Sprecher werden sich immer gegenseitig verstehen.

Ich muss dazu sagen, dass ich aus der Ostzone stamme und solche Redensarten respektive Sätze mir bis zur Wiedervereinigung komplett fremd waren. Im Osten wurde normale Sprache gelehrt, aber was ich dann erfahren musste trieb mir Tränen in die Augen.

Ach komm… wir haben auch Wort wie „Mutschekiepchen“ (Marienenkäfer), „Bemme“ oder das bekannte „nor“, was auch KEIN Hochdeutsch ist. Ausserdem sagen wir viertel vier statts viertel nach drei. Das verstehen manche von drüben auch nicht.

„Gehst Du Schule“ kann ja auch die Aussage sein: „Du gehst zur Schule“. Und da ist die Satzstellung wesentlich verschieden.

Gehst du Schule ist eben keine Aussage, sondern eine Frage. Wenn man sagen will „Du gehst zur Schule“ sagt man " Du gehst Schule".

Nein izzy, das stimmt nicht. “Gehst du Schule” ist absolut nicht eindeutig, da nirgends festgelegt ist, dass es eine Frage ist. Dazu fehlt aufgrund der verkrüppelten Sprache die Information. Es kann also wirklich sowohl als Frage, als auch als Aufforderung verstanden werden.

Du sprichst eben kein Kietzdeutsch,haha :smt005
Ich habe ein Fernstudium „Kietzdeutsch“ bei RTL2 genossen vom Dozenten Nadine The Brain :wink: Seitdem kann isch das au sprechen, weissu?
Isch geh jez erst mal Wors und erdbeerkäse essen.

„Gehst du Schule“ ist absolut nicht eindeutig, da nirgends festgelegt ist, dass es eine Frage ist.

Mit dieser Aussage triffst du aber unter anderem ein wohl unstrittig große Kultursprache wie das Französische, in der Fragen im gängigen Sprachgebrauch auch nur durch die Intonation von Aussagesätzen unterschieden werden.

Sämtliche Versuche, hier eine Minderwertigkeit irgendeiner Sprachform nachzuweisen, müssen scheitern.

Diese Sprachform ist in zahlreichen Situation inadäquat (…Ausbildungsplatzsuche…). Aber als NEBEN DEM HOCHDEUTSCHEN verwendete Sprache zur Kommunikation im privaten Umfeld unterliegt sie ebensowenig einer Kritik wie Plattdeutsch oder Bayrisch.

Warum muss ich gerade an einen 0,1 mm² großen roten Marmeladenklecks auf einer 2 m² großen weißen Tischdecke denken, die manchen deswegen gleich als rotes Tuch erscheint? Ach ja, vielleicht weil mir dieses „wie auch immer sich die Sprachexperten es zu nennen am Ende einigen werden“-Ding noch nie unterkam.

Ich spreche Hochdeutsch, alle Menschen um mich herum sprechen Hochdeutsch und das immer. Lediglich die 2-3 mal als ich unten in Bayern war oder das eine mal als ich in Baden-Württemberg war habe ich Leute in einer für mich absolut fremden „Sprache“ reden hören, aber das war bayrisch bzw. schwäbisch und nicht dieses ominöse „kiezerisch“, von dem ich ohne diesen Thread nichts wüsste.

Wenn ich das richtig verstanden habe ist dies zum einen Teil die Ausdrucksweise von Leuten, die irgendwie arabisch oder türkisch oder sowas als Muttersprache haben und nur gebrochen Deutsch können und zum Teil von ein paar Kinderchen, die es aus irgendwelchen Gründen „cool“ finden, so zu reden. Vielleicht 0,1% der Bevölkerung? Naja wohl eher noch weniger. In ausgewählten Bezirken der allergrößten deutschen Städte wie Berlin oder so? Wow, was für eine Verbreitung.

Ich überschlage mal kurz mittels Wiki: Deutschland 81,8 Mio, Baden-Württemberg 10,8 Mio, Bayern 12,6 Mio. Obwohl wir in Deutschland 13,2% Schwaben und 15,4% Bayern haben also je grob rund 1/7 scheint es mir nicht so als bestünde die Gefahr, dass weiter nördlich auf einmal alle schwäbisch und bayrisch reden.

Ach ja und weil wir hier gerade im Internet sind, es gibt ja auch Leute die kommunizieren mit irgendwelchen "rofl"s und "wtf"s und was es nicht alles gibt und mit Smileys. Gäbs dagegen hier auch so aufbrausend entsetzte Reaktionen? Also „Don’t Panic“, um mal einen weiteren Anglizismus einfließen zu lassen.

Mit Erstaunen habe ich auch ein paar reichlich kuriose Sachen im Posting von Norma_l gelesen.

Ja, also ich finde das schon irgendwie seltsam. Sind solche Sätze tatsächlich irgendwo in Gebrauch? Also mir kam sowas noch nicht unter. Aber egal ob bayrisch, „kiezerisch“, schwäbisch oder „Komm mal bei Mutti“, nichts davon „zerstört“ die deutsche Sprache.

Ach ja und die Äshetik. Ja klar sind Sätze wie „Mia san Mia und zschutzeln unsara Weischwürschteln mit a kräftschn Humpen Bier hintähär“ genauso wie „kiezerisch“ oder „Gib mal Cola“ nicht gerade ästhetisch, aber auch schon zu Schillers Zeiten gab es sowas wie „Sprache des Adels“, „Sprache der Gebildeten“ und „Sprache des Pöbels“ oder so - Sprachforscher, korrigiert mich, wenn ich mich irre und im Mittelalter oder der frühen Neuzeit alle gleich sprachen im selben Zeitalter.

Klar (u.a. @Enzio) ist Deutsch eine schöne und ausdrucksstarke Sprache. Eben deswegen behauptet es sich ja. Und ganz genau aus diesem Grund geht sie auch nicht unter oder wird zerstört. Um mal bissel in polemischem Patriotismus zu schwelgen: Das Hochdeutsche ist nicht wie ein Opfer im Kreis von bayrisch, schwäbisch, kiezerisch, norddeutschem und Ruhrpott-Dialekt eingekesselt und wird niedergemacht, nein es wird wenn dann hofiert.

Dann kommt eben mal so ein anderes Sprachmuster wie dieses „kiezerisch“ und bittet untertänigst angehört zu werden und am Ende nimmt die deutsche Sprache sich dann vielleicht gnädigerweise ein Häppchen von dem angebotetenen Paket. Ok das war jetzt bissel abstrus, was ich sagen will, natürlich ist die deutsche Sprache toll wie sie ist aber genauso natürlich sprechen wir heute nicht mehr wie vor 800 Jahren.

Da ist ein Prozeß im Gange, Sprache verändert sich und ich persöhnlich bin von kiezerisch so begeistert wie von bayrisch, aber ich muss es ja nicht sprechen. Dennoch ist es die natürlichste Sache der Welt, dass sich Sprache verändert. Und gleich der Evolution hat die Sprache dabei keinen Plan mit Wegweiser „hierlang gehts“ und lotet so verschiedene Wege aus.

Also ich kann diese Panik wegen ein paar Leuten in ein paar Berliner Vierteln, die als Modeerscheinung gebrochen Deutsch sprechen nicht verstehen. Das ist auch nur ein Pfad in der Sprachentwicklung - nein halt ich formuliere besser, es ist einer von zahllosen Pfaden. Im Mittelalter war das Gebiet des heutigen Deutschlands vielfach [-]gespalten[/-] territorial zersplittert (Edit: „zersplittert“ trifft die damaligen Verhältnisse besser).

Relativ lange gab es dann ein Köigreich oder Fürstentum Bayern (jaja Geschichte ist auch nicht so mein Spezialgebiet) und deswegen spricht heute noch 1/7 der Deutschen bayrisch - und nichtmal das verleitet Restdeutschland bayrisch zu sprechen - eher im Gegenteil, auch in Bayern kann man sich nun hochdeutsch verständigen.

Funktionalität und Ästhetik der deutschen Standardsprache Hochdeutsch sind weiterhin gewährleistet. Aber manche hier wollen wohl einfach grundlos Panik schieben, weil es ihnen so einfach besser geht.

Ach und Vonundzu bringt mich gerade darauf, dass english, französisch und Co ja nochmal ein ganz eigenes Kapitel sind. Wie sähen wohl Sätze in perfektem English und Französisch wörtlich übersetzt aus? Für deutsche Ohren klänge das auch merkwürdig. Ich weiß nicht viel darüber, aber ich glaube im französischen sagt man z.B, wörtlich „ich mache Fahrrad“ für „Ich fahre Fahrrad“ - kurios, oder?

Pah, Bayerisch ist im Gegensatz zu sächsisch und hessisch einer der wunderschönsten Dialekte Deutschlands :mrgreen:

Pah. Wenn der sächsische Dialekt nicht längst ausgestorben wäre würd ich dir jetzt aber was vorsächseln. Aber ausser mal ein paar verschluckten Buchstaben die aus nicht ein nich machen oder so gibts kein sächsisch mehr. Aber wenn es den Dialekt heute noch gäbe, also er noch aktiv gesprochen würde wär sächsisch viiiiel besser als bayrisch :mrgreen:

Wie der is geschdorbn? Do gönntsch dorschdrehn,jungöö wensch das hör!

Also ich kenne keine Leute mehr, die noch so richtig sächsisch reden. Klar, erst letztens sagte mir einer der wohl demnach aus einem anderen Bundesland stammt “ich hör das” zum Thema Dialekt und wer aus unserem Abendschulkurs aus Sachsen ist und so. Aber für mich sprechen die alle das gleiche Hochdeutsch. Im Alltag muss man schon sehr sensible Öhrchen dafür haben um da noch Dialekt zu bemkerken.

Mehrsprachigkeit ist neben vielen anderen Dingen etwas, das den Verstand fördert. Wäre bei uns noch so richtig solides sächsisch in Gebrauch wär das sicher nicht verkehrt. Vielleicht gibt es ja noch Ecken oder Regionen wo das so ist, hier wo ich lebe aber nicht … Naja, Sachsen hat ja auch seine 4,1 Mio Einwohner. Vielleicht sprechen ja doch noch irgendwo Leute sächsisch, aber eben nicht in meiner Umgebung. - Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Im Voigtland ist es noch sehr ausgeprägt. Oder auch in Ämtern. Da, wo man halt keinen „Druck“ hat hochdeutsch reden oder verstanden werden zu müssen. Das ist bei unsrem düüühringüsch nicht anders :wink:

Ja, ist schon nicht so einfach mit dem Ostdeutsch. :wink:
[video]http://www.youtube.com/watch?v=27wkJ6KDolk[/video]

„Gehst du Schule“ ist absolut nicht eindeutig, da nirgends festgelegt ist, dass es eine Frage ist.

Lässt sich ganz einfach lösen:
Im gesprochenen Deutsch über die Betonung bzw. Änderung der Stimmlage über den Satz hinweg.
Im geschriebenen Deutsch über Satzzeichen.
„Gehst du Schule?“ (gesprochen: Stimme geht am Ende des Satzes nach oben) -> Frage
„Gehst du Schule!“ (gesprochen: Stimme bleibt auf einem Niveau, scharfer Ton) -> Aufforderung/Befehl
„Gehst du Schule.“ (gesprochen: Stimme geht am Ende des Satzes nach unten) -> Aussage
Aber das wäre ja wieder zu einfach und böte kein Aufreger-Potenzial. :roll:

Warum muss ich gerade an einen 0,1 mm² großen roten Marmeladenklecks auf einer 2 m² großen weißen Tischdecke denken, die manchen deswegen gleich als rotes Tuch erscheint?

:smt023

Geniales Video KingMö. Ob es Brandenburger und Co wohl auch so, sagen wir irritiert, vom Westen (komisch das nach bald 23 Jahren Einheit zu sagen) mit Sachsen gleichgesetzt zu werden wie das für “Restdeutschland” bei dem Bild Deutschland=Bayern von manch anderen Nationen der Fall ist?

Ganz so regelmäßig ist die Intonation bei Fragen in der Praxis nicht, aber der Grundgedanke ist natürlich richtig. In der gesprochenen Sprache wird viel über Intonation geregelt. Ich glaube, einige fixieren sich hier zu sehr auf die Syntax und vergessen dabei, dass die Bedeutung von Sprache auch noch von ganz anderen Elementen geregelt wird. Der Satz im Standarddeutschen „du gehst zur Schule“ ist syntaktisch eine Aussage, kann aber auch eine Frage sein, je nach Betonung.

Lest mal ein Transkript von einem Gespräch (normale Unterhaltung), meinetwegen von Sprechern, die Standarddeutsch verwenden. Dann werdet ihr auch denken, dass die Leute Müll reden, weil man dann erst sieht, wie anders die gesprochene Sprache als die schriftliche ist. Lauter Fehler, Abbrüche, Versprecher, Überlappungen, Satzenden passen nicht zum Satzanfang. Das machen wir aber so in Alltagsgesprächen. Das alles stört beim Sprechen aber überhaupt nicht, sondern vieles davon hat im Gegenteil sogar die Funktion, bei der Organisation des Gespräches zu helfen. Man kann also nicht, wie es in diesem Thread ständig getan wird, einen gesprochenen Satz aufschreiben und für syntaktisch fehlerhaft erklären, um daraus zu schließen, dass das Sprachsystem nichts taugt. Wenn man das so macht, könnte ich auch in ein paar Minuten beweisen, dass auch das gesprochene Standarddeutsch „Müll“ ist.

Statt der Präposition hat der Römer hier aber die Endung „am“, bei „romam“, die hier den Akkusativ anzeigt und eine wohldefinierte Ausdrucksweise erlaubt.
Wenn jemand „in Rom“ oder „aus Rom“ sagen möchte, so verwendet er den Ablativ, wenn er „nach Rom“ geht den Akkusativ:
[…]
Das Fehlen der Präposition bedeutet hier also nicht grammatische Unterbestimmtheit, sondern es existiert sehrwohl jeweils ein Kasus, der durch die Endungen angezeigt wird. Das ist ein gleichwertiger Ersatz für eine Präposition, und das Lateinische geht daher mit keinen Mangel an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit oder grammatischer Differenzierung einher.

Genau auf diesen Ersatz wollte ich hinaus: Präpositionen sind ersetzbar. Im Lateinischen wird ein Kasus verwendet zur Bestimmung der Richtung. Aber natürlich kann auch jemand, der Kiezdeutsch spricht die Bedeutung „aus Rom“ ausdrücken. Zum einen ist nicht einmal sicher, dass jemand im Kiezdeutschen in diesem Fall auch auf die Präposition verzichten würde (nur weil - nach meinem subjektiven Eindruck - die Präposition „in“ oft weggelassen wird, muss das nicht bedeuten, dass das für „aus“ wie in „aus Rom“ genauso gilt.) Und selbst wenn es so wäre, müsste zum anderen anhand echter Daten geprüft werden, ob im Kiezdeutschen die Bedeutung nicht doch durch etwas anderes ausgedrückt wird, also weder durch Präposition noch durch Kasus. Vielleicht durch Verben, die nur dann verwendet werden, wenn man ausdrücken möchte, dass man sich von einem Ort entfernt. Das letzte ist jetzt Spekulation, man müsste das überprüfen. Aber genau daran zeigt sich wieder, dass man einer Sprache nicht die Regelhaftigkeit absprechen kann, nur weil weil unser Kriterium für die Richtungangabe (Anzeige durch Präposition) keine Verwendung findet.