RTL Spiegel TV Extra: Lob für Unterschichtendeutsch

@Mannbärschwein

Ich frag mich gerade, wie jemand wie du, mit deinem so vehement verteidigten „Dialekt,“ einen so langen Post wie den letzten zu Stande bringen möchte. Jedem seine Meinung, aber du könntest deine dann kaum noch verständlich ausdrücken. :wink:

Die Variation des Kiezdeutsches wäre eher “Als Gregor Samsa so morgens aus unruhig Traum wach war, war er sich in sein Bett zu so ungeheuer Ungeziefa gemacht.”

Kann man natürlich alles für absolut unästhetisch halten. Ästhetik ist aber nun wirklich nicht das Thema bei der Analyse von Sprachen. Sollte Kiezdeutsch tatsächlich zu der prägenden Standard-Sprache werden, wird das Deutsche trotzdem funktional bleiben. Da reicht schon die Englische Sprache als Beispiel aus, dass komplexere Deklination und präziseste Ausdrucksmöglichkeiten keine Notwendigkeit sind, um Kultur und Wissenschaft betreiben zu können. Der internationale Erfolg des Englischen liegt interessanterweise ja nicht nur an den früheren Kolonien, sondern dass die Sprache sehr leicht zu erlernen ist im Vergleich zu allen anderen europäischen Sprachen.

Aber es sagt ja doch wohl immer noch niemand, dass Kiezdeutsch zum Standard-Deutsch werden soll.

Sollte Kiezdeutsch tatsächlich zu der prägenden Standard-Sprache werden, wird das Deutsche trotzdem funktional bleiben.

Als Standart gilt ja auch immer noch das Hannover’sche Hochdeutsch.

Wie andere Dialekte auch, ist Kietzdeutsch standortabhängig. Man KÖNNTE natürlich auch so tun, als ob man die Menschen damit nicht versteht, um sie so zu hochdeutsch zu bewegen… aber das hilft ja schon bei den Schwaben nicht.

Die Variation des Kiezdeutsches wäre eher „Als Gregor Samsa so morgens aus unruhig Traum wach war, war er sich in sein Bett zu so ungeheuer Ungeziefa gemacht.“

Somit wäre „Die Verwandlung“ doppelt perfekt. :wink:

Sie ist in gewisser Weise auch ein ästhetisches Gebilde.

Aha! Es geht um den ästhetischen Wert. Das ist aber ein völlig anderer Maßstab, als das was ich meine. Bei der Ästhetik stimme ich dir zu. Ich wehre mich allerdings dagegen, dass Kiezdeutsch strukturlos und „verarmt“ sei. Selbstverständlich hat es eine grammatische Struktur, nur ist die eben in vielen Punkten anders als das, was wir sprechen, also für richtig halten. „Richtig“ ist aus linguistischer Sicht eine untaugliche Beschreibung, da immer nur das, was Sprecher selbst anwenden als richtig angesehen wird. Da ist es besser zu unterscheiden, ob ein Ausdruck „sozial akzeptiert“ ist oder nicht. Und das ist das Kiezdeutsch innerhalb eines bestimmten Kreises, für die also richtig.

Wenn mir jemand sagen würde „Ey komm mal Kino mit mir morgen“ würde ich mich keine Sekunde länger mit dieser Person unterhalten wollen. Man outet sich praktisch selbst schon als „Prolet“ welcher keinerlei Wert auf anständige Umgangsformen legt

Wie du siehst, schließt du von der Sprache einer Person auf die soziale Herkunft (was völlig legitim ist, schließlich ist auch der Ausdruck sozialer Identität eine Funktion von Sprache). Das hat aber nichts mit dem Wert der grammatischen Struktur zu tun.
Dann wäre nämlich aus deiner Sicht auch ein vornehmer Römer ein Prolet, wenn er sagt „Romam eo“ (zu deutsch: „Ich gehe nach Rom“; ohne Präposition)

Tja, wenn dieses Billig-Deutsch wirklich gebrauchfähig werden sollte, braucht man sich über die zunehmende Verblödung dieser Gesellschaft und den Spott des Auslandes nicht zu wundern. Müssen dann auch alle Bücher umgeschrieben werden? Alle Klassiker müssten dann ja um die Hälfte gekürzt werden, da die Wörter fehlen, um komplexere Zusammenhänge auszudrücken - von wissenschaftlichen Werken wage ich kaum zu sprechen. Auch würde es zu einer weitergehenden Spaltung der Gesellschaft führen. Ich kenne niemanden, der sich freiwillig mit solchen Proleten abgeben würde.
Möchte ja mal sehen, wie viele unserer Befürworter die Gesellschaft solcher Sprachkünstler auf Dauer genießen würden.

Es geht mir auch irgendwo um das Prinzip der sprachlichen Entwicklung. Wenn ich mir ausmale, dass am Ende einer Reihe, die mit Dichtern und Denkern der Antike beginnt und grob bis in die heutige Zeit reicht, ein gröhlender und sprachlich unterentwickelter Kietzler steht, wird mir schwarz vor Augen. Statt solchem Schwachsinn zu huldigen, sollte man eher mal überlegen, wie man die Menschen vernünftig bildet! Aber nein, das kostet ja Geld und Mühe! Holen wir uns lieber die Bestätigung, dass das ja alles cool und krass und ganz normal ist! :ugly

Tja, wenn dieses Billig-Deutsch wirklich gebrauchfähig werden sollte, braucht man sich über die zunehmende Verblödung dieser Gesellschaft und den Spott des Auslandes nicht zu wundern.

Trifft genau diese Aussage nicht ebenso auf den schwäbischen Dialekt zu?

Das Schwäbische ist kein aus ideologischen Gründen durch pseudointellektuelle Sprachwissenschaftler absichtlich augewerteter Dialekt. Meines Wissens nach entstammt es dem allemanischen Sprachzweig der indogermanischen Sprachfamilie und gehört allein deswegen schon zum deutschen Sprachgut. Schwäbisch ist im Gegensatz zu “Kietzdeutsch” nicht aus mangelhafter Bildung oder Faulheit entstanden.

Schwäbisch ist im Gegensatz zu „Kietzdeutsch“ nicht aus mangelhafter Bildung oder Faulheit entstanden.
Stimmt, aus geiz :smiley:
" Dälefonsäx isch ätzsischa!" Das klingt natürlich sehr viel gebildeter als Kietzdeutsch :smt005

Zumindest gibt es dort ein “isch”! :ugly

Aber sie sagen trotzdem nicht “Dälefonsäx ätzsischa!”. Du verwechselst da gerade was…

“Dälefonsäx isch ätzsischa!” entspricht immer noch dem “korrekten” Konstrukt “Telefonsex ist Aidssicher”. Ich weiß nicht wo der herkommst, aber die Schwaben finden den Dialekt in deiner Umgebung bestimmt auch nicht gerade schön. Das hat aber auch gar nichts mit der, wie Enzio es sagt, Verunstaltung der Sprache aufgrund mangelnder Bildung zu tun.

Das hat Kietzdeutsch auch nicht. Es ist eine Form der Sprache die sich durch die Einwanderer etabliert hat.

Schwäbisch ist im Gegensatz zu „Kietzdeutsch“ nicht aus mangelhafter Bildung oder Faulheit entstanden.

Mit der Logik könnte ich auch sagen, dass unser heutiges Standarddeutsch aus Geltungssucht entstanden ist. Schließlich haben Jahrhunderte lang viele Bürgerliche versucht, bedeutend zu wirken, indem sie französische Ausdrücke benutzen und so zum sehr großen Einfluss des Französischen auf das Deutsche beigetragen haben.

Mit Geltungssucht möchte man etwas erreichen und sich in gewissem Maße verbessern. Das sehe ich beim „Kietzdeutsch“ nicht. :wink:

doch. sie möchten erreichen, dass sie sich untereinander verständigen können und stellen soziale Identität her. Ist das nichts?

Möchten diese Menschen wirklich so reden oder können sie es einfach nicht besser? Würden sie nicht lieber mit besserer Bildung “normal” sprechen können?

Dagegen spräche, dass zuweilen auch Deutsche, die das Standarddeutsch beherrschen, in Gegenwart ihrer Freunde diese Varietät verwenden, um Gruppenzugehörigkeit herzustellen.

Hmm…solche armen Würste kenn ich zwar nicht, aber es ist eine interessante Information. Da würde ich mir persönlich aber andere Freunde suchen. Irgendwo hab ich dann doch noch einen Funken Stolz - auch gerade, da meine Hobbys mit solchen Leuten nicht konform gehen würden. :wink:

Möchten diese Menschen wirklich so reden oder können sie es einfach nicht besser? Würden sie nicht lieber mit besserer Bildung „normal“ sprechen können?

Das hat weniger mit der Bildung als mit der Sprachfärbung der Herkunftsländer zu tun. Du wirst nie einen Kanacksprak aus Vietnam kennenlernen- weil die eine andere Sprachfärbung haben.

Enzio
Mach dir bitte mal Gedanken darüber, wie du über Kiezdeutsch denken würdest, wenn du mit diesem Soziolekt aufgewachsen wärst und es immer die hauptsächliche Sprache war, wenn du mit deinen Freunden und Bekannten geredet hast.