Außerdem können auch Moralvorstellungen einer Gesellschaft das Gesetz bestimmen. Mord ist beispielsweise auch dann strafbar, wenn das Opfer mit seinem Tod einverstanden ist. Hier könnte man auch so argumentieren, dass dieses Gesetz nur aus einer Moralvorstellung resultiert und deshalb abgeschafft gehört. Wir haben aber zum Glück gewisse Moralvorstellungen und deshalb gibt es zum Glück solche Gesetze.
Das ist meiner Meinung nach ein sehr schlechtes Beispiel. Hier handelt es sich nämlich nicht um Mord, sondern um Tötung auf Verlangen. Die Grundlage zur moralischen Bewertung ist hier doch eine komplett andere und das findet sich auch in der Gesetzgebung wieder. Soweit ich weiß werden „richtige“ Mörder anders bestraft als Menschen, die einen anderen auf sein Verlangen hin töten.
Aber zurück zur eigentlichen Debatte:
Ich finde es zu allererst sehr erfreulich, dass man in diesem Forum auch über Themen, die mit einem starken gesellschaftlichen Tabu belegt sind, so offen diskutieren kann. Desweiteren finde ich es erfreulich, dass es viele Menschen zu geben scheint, die bei diesem Thema mit mir einer Meinung sind:
Ich finde, solange alles auf gegenseitigem Einverständnis beruht und keine dritte Person geschädigt wird, hat der Staat bzw. die Gesellschaft nicht das Recht, sich dermaßen in das Privatleben eines Menschen einzumischen.
Auch ich rede hier vorrangig von zwei erwachsenen und voll entwickelten Menschen, die einvernehmlichen Geschlechtsverkehr haben. Dass dieser Geschlechtsverkehr eine Straftat darstellt, wenn die Personen untereinander verwandt sind, ist nicht hinnehmbar, da der Staat nicht das Recht haben darf zu entscheiden, mit wem ein Mensch Verkehr haben darf und mit wem nicht.
Es ist ein gutes Recht eines jeden Menschen, dass er Inzest ekelhaft und widernatürlich finden darf. Letztendlich ist das ja auch nichts anderes als eine Meinung. Von dieser leiten sich aber keine Berechtigungen ab, andere Menschen verurteilen zu können.
Das Beispiel der Homosexualität ist hier tatsächlich sehr angebracht. Es gibt sicherlich viele Menschen, die Homosexualität ekelerregend finden, aber immerhin hat es sich zum allgemeinen gesellschaftlichen Konsens entwickelt, dass es unrechtmäßig ist, z.B. Schwule für das Praktizieren von Analverkehr zu bestrafen.
Was mich an der gesamten Debatte übrigens stört ist, dass Kinder viel zu schnell als Argument eingebracht werden und teilweise - meiner Meinung nach - auch als Argument missbraucht werden.
Zum einen geht nicht aus jedem inzestuösen Verhältnis zwangsläufig ein Kind hervor - Verhütungsmethoden funktionieren, wie bereits festgestellt - auch in diesem Fall. Hier wird also wieder deutlich, dass ein bloßer sexueller Akt nach geltendem Recht eine Straftat darstellt, ohne dass Hintergründe (wie vollständige Einvernehmlichkeit beispielsweise) eine Rolle spielen.
Desweiteren wird immer das erhöhte Risiko von Behinderungen bei Inzestkindern angeführt. Prinzipiell ist das erst mal richtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass eventuelle Erbschäden bei dem Kind zum tragen kommen ist umso höher, je stärker sich das Erbgut der Eltern untereinander ähnelt.
Allerdings: Dieses Risiko beschränkt sich absolut nicht auf Verwandte, denn wie soll es sonst zu erklären sein, dass zwei offensichtlich gesunde Menschen behinderte Kinder zeugen können, wie es nunmal in der Welt passiert? Soll man betroffenen Menschen jetzt auch vorwerfen, dass sie unverantwortlich gehandelt haben und dass sie sich doch einen anderen Partner hätten aussuchen sollen?
Soll man einen obligatorischen Gentest einführen und dann bestimmten Menschen eventuell die Prokreation verbieten?
Fest steht, dass das allgemeine Risiko von Behinderungen beim Nachwuchs höher ist, wenn die Eltern verwandt sind. Das heißt aber für mich eher, dass diese Menschen in der Pflicht stehen (wenn sie tatsächlich der Meinung sind, unbedingt Nachwuchs zeugen zu müssen), durch zur Verfügung stehende Mittel zu prüfen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen in jedem konkreten Fall tatsächlich ist.
Das ginge aber nur, wenn ein offenerer Umgang mit der Thematik stattfinden würde oder wenn wenigstens Inzest nicht mehr strafbar wäre.
Ein weiterer interessanter Punkt ist überhaupt die ablehnende Haltung von Menschen gegenüber Inzest. Die meisten Menschen könnten sich nicht vorstellen, mit engen Verwandten sexuellen Verkehr zu haben, was zum großen Teil daran liegt, dass man diese Menschen schon sein ganzes Leben kennt und ganz besondere emotionale Bindungen zu ihnen aufgebaut hat.
Gleiches gilt aber auch für besonders gute Freunde. Besonders, wenn Freundschaften schon seit dem Kindesalter bestehen, können sich viele Menschen sexuellen Kontakt mit diesen Freunden (ob hetero oder homo ist ja eigentlich egal) nicht vorstellen. Als theoretische Begründung hört man dann bzw. würde man hören: Sätze wie „Er ist wie ein Bruder für mich“ oder „Ich habe mit ihr im Sandkasten gesessen“.
Dass offensichtlich also nicht das Blut, also die verwandschaftliche Beziehung ausschlaggebend ist, merkt man dann in Fällen, in denen den betroffenen erst im Nachhinein klar wird, dass sie verwandt sind.
Stellt euch einfach folgendes Szenario vor: Ein Mensch Mitte 20, der weiß, dass er adoptiert wurde, erfährt, dass er eine/n leibliche/n Schwester/Bruder hat. Er lernt diesen Menschen kennen und verliebt sich in ihn.
Doch a wild Gesellschaft appeart und sagt: „Das dürft ihr nicht!“
Denkt mal drüber nach…