Browning mag ursprünglich eine aufklärerische Intention gehabt haben. Aber den Misserfolg des Films darauf zurückzuführen, dass die Zuschauer sich quasi ertappt gefühlt hätten, wäre, glaube ich, zu simpel. MGM wollte zwar ursprünglich von Browning einen Horrorfilm haben. Aber die Idee wurde wieder fallengelassen. Freaks wurde nicht als Horrorfilm vermarktet, sondern mehr als sensationslüsternes Melodram. Noch vor der Premiere sah sich MGM sogar dazu gezwungen, die Darstellung der „Freaks“ im Film zu rechtfertigen, da sie von den Vorpremieren-Zuschauern und Kritikern als ausbeuterisch angesehen wurde.
Nach dem Start des Films waren die Meinungen zwiegespalten. Ein Teil war angewiedert angesichts der schrecklichen Bilder, also doch ganz im Sinne eines Horrorfilms, ein anderer Teil war abgeschreckt von der vermeintlich ausbeuterischen Zurschaustellung von „abnormen Menschen“. Es war offensichtlich ein Problem für die Zuschauer, dass die „Freaks“ auf der einen Seite effekthascherisch präsentiert wurden, gleichzeitig aber auch Mitleid erregen sollten. Der Unterschied hier zu beispielsweise Frankenstein, ist die Fiktion. Die „Freaks“ waren echt und durchbrachen damit die bisher gültigen Normen der künstlichen Effekte im Film.
Man darf an dieser Stelle auch die amerikanische Gesellschaft der 30er Jahre nicht für ungebildeter halten, als sie war. 1932 hatten die sogenannten Freakshows, die durchs Land tingelten, längst ihren Zenit überschritten und es setzt sich langsam die Einstellung durch, dass behinderte Menschen nicht ausgestellt und vorgeführt, sondern lieber betreut und institutionalisiert werden sollten. Man könnte auch weniger freundlich sagen; Aus den Augen aus dem Sinn. Da kam ein Film wie Freaks natürlich zur Unzeit.
Wer sich nähergehend damit beschäftigen will, dem kann ich das Buch Hideous Progeny: Disability, Eugenics, and Classic Horror Cinema empfehlen. Da wird dies alles schön aufgedröselt.
Im Zusammenhang mit den Freakshows, ist interessant, dass die ja nie so richtig verschwunden sind, sondern in Form von Kuriositätenkabinetten und ähnlichem weitergeführt wurden. Später gab es dann auch positiv geframte Unterhaltungsshows und Performancekünstler, die selbstbestimmt eine moderne Version der Freakshow inszenierten.
Anekdote dazu: Über Facebook bin ich mit dem Sohn vom berüchtigten Lobster Boy befreundet, der unter der gleichen Fehlbildung wie sein Vater leidet. Der hat sich durch seine tragische Familiengeschichte nicht unterkriegen lassen und führt die Tradition ein bischen fort. Er tritt an Halloween auf, posiert auf Veranstaltungen für Fotos und gibt Autogramme.
Hier ist ein älterer Artikel, als er in der Reality-Serie Freakshow auftrat.


