Um mal ein paar geldwerte Zitate rauszupicken:
(Holger über Tobey Maguire) „Das ist einer der wenigen lustigen Momente des Films“ – sehr schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich Humor ist. Die Szene fand ich amüsant, aber recht belanglos und ich bin mir nicht sicher, ob die Protagonisten die Szene ähnlich gewürdigt hätten, wäre der Typ nicht später Spiderman geworden oder hätte zuvor bei Great Scott! mitgespielt. Vielleicht interpretiere ich da zu viel rein, aber wäre das irgendein anderer Depp, der nicht Depp heißt, hätte seine Schauspielkunst, schätze ich, keine Erwähnung gefunden.
Was schade ist, da das restliche Ensemble ebenfalls Höchstleistungen vollbringt. Man nehme nur die Szene mit dem Bullenkongress und Dr. L. Ron Bumquist: Eine unfassbar großartige Parodie auf den American War Of Drugs. Schauspieltechnisch ebenso wie vom Buch, der Regie, der Kameraführung und der Nachbearbeitung her. Auf youtube kommt das aufgrund bildlicher Kastration leider nicht zur Geltung, aber einen ersten Eindruck vermittelt: Erkenne den Rauschgift abhängigen - YouTube
Interessant übrigens für die MASH-Fans, dass hier auf Potters Synchronstimme die von Klinger folgt. Ansonsten immer dran denken: „Erkenne den Rauschgiftabhängigen. Das kann Dir Dein Leben retten. Man kann wahrscheinlich seinen Augenausdruck nicht erkennen, weil er eine Sonnenbrille trägt. Aber seine Handknöchel sind weiß vor innerer Anspannung und seine Hosen sind verkrustet von Samenflecken, denn er onaniert ständig – es sei denn, er findet eine Frau, die er vergewaltigen kann.“
Ehrlich, besser kann man die Drogenaufklärungsfilme der 50er Jahre nicht persiflieren.
Christian: „Johnny Depp und Benicio del Toro spielen sich hier die Seele aus dem Leib.“
In der Tat. Abgesehen von der Hingabe mit dem Zwei-Millionen-Kilo-Anfuttern von del Toro hatte ich da vor einiger Zeit auch eine Diskussion mit einem Freund, der meinte, Johnny Depp sei ja eigentlich schauspielerisch schlecht, da er immer nur abgedrehte Charaktere spiele. Dem möchte ich mal kurz entgegenhalten, daß es ziemlich schwer ist, 20 abgedrehte Charaktere komplett unterschiedlich zu spielen und hier läuft er, vielleicht auch aufgrund seiner langjährigen Freundschaft zu Hunter S, zur Höchstleistung auf. Beiden, und auch dem Rest des Ensembles, nimmt man die jeweilige Rolle komplett ab; da ist kein Störfaktor, kein Bruch, nichts, aber auch gar nichts, was einen aus der Filmwelt herausreißt.
Christian: „Ich hab den ganzen Film über nur gelacht“ – Ich in der Tat auch und das sogar bevor ich mich an bewusstseinsverändernden Substanzen versucht habe. Was meiner Meinung nach aber auch mit der sehr gelungenen Synchronversion zusammenhängt. Das Dialogbuch ist erstklassig, David Nathan passt mit seiner hier sehr lakonisch angelegten Stimme sowohl zum OFF-Erzähler als auch zum Charakter und die Abmischung ist mindestens überdurchschnittlich. Das abgesehen davon, daß die Originaltexte in ihrer Beiläufigkeit Gold sind.
Christian: „…der auch nicht den großen erhobenen Zeigefinger bei den Drogen hat“ – Holger: „Ja nee, das hat er nun wirklich nicht“.
Auch wenn Holgers Einwurf mehr lustig gemeint war, so ist das aber auch, finde ich, ein wesentlicher Punkt. Ich kenne keinen einzigen guten Film, der mit erhobenem Zeigefinger agiert. South Park mit dem früheren „wisst ihr, ich habe heute etwas gelernt“ sei davon explizit ausgenommen; die haben ihre eigene unaufdringliche Möglichkeit gefunden, eine moralische Botschaft zu senden und gleichzeitig zu parodieren. Wenn ich einen Film sehen will, will ich nicht „erzogen“ werden, sondern im besten Fall in eine Welt eintauchen, die mich, auf egal welche Weise, möglichst lange fesselt.
Mario: „Also daß der Teppichfußboden auf einmal seine Beine hochklettert, das fand ich auch gut gemacht und so, aber der is mir auch ganz einfach zu lang.“
Das war das Zitat, bei dem ich echt herzhaft lachen musste, da es schön so absurd ist und fast in einer Loriot-Szene Platz finden könnte. „Ja, wie die Maden dann die verwesenden Körper in Greifarme umgewandelt haben, das hat mir schon ganz gut gefallen, aber ich musste doch so dringend auf‘s Klo!“
Holger: „Das ist so der „Hey [sic!], wo ist mein Auto“-Humor, ne?“
Uff. Also einen Humor nicht zu teilen ist ja völlig okay, aber man sollte die unterschiedlichen HumorARTEN vielleicht doch wenigstens halbwegs zuordnen können. Da hätte ich von Holger zumindest erwartet, daß er versteht, daß sich der Unterschied dazwischen im Bereich von Buster Keaton vs. Two And A Half Men, Seinfeld vs. Die Dreisten Drei oder Scrubs vs. Achtung Kontrolle bewegt.
Holger: „Da wollte Terry Gilliam wohl ganz bewusst einen Kultfilm drehen.“
Das ist übrigens auch etwas, was ich hochgradig bezweifle. Abgesehen davon, daß vermutlich kein Regisseur mit der Einstellung reingeht „So, jetzt machen wir in den nächsten 17 Tagen mal nen Kultfilm und anschließend gibt‘s Saumagen mit Leberknödeln“ ist das einfach seine Handschrift. Würde man sowas über Kubrick sagen, der immer sehr bildgewaltig gearbeitet hat? Über Welles, der mit allem experimentiert und ein Achtel zum Abschluss gebracht hat? Über Wilder, den eine Frau nach einer Vorpremiere seines Kultfilms „Boulevard der Dämmerung“ gefragt hat „Haben Sie schon jemals einen solchen Schwachsinn gesehen?“? Ich glaube, sogar diese Frau ging nicht davon aus, daß er einen Kultfilm schaffen wollte, sie fand nur einfach- oh, moment, nächstes Zitat:
Holger: „Man muß nicht zu allem einen Zugang finden“
Das ist der Punkt. Ebenso, wie mir James Bond gelinde gesagt am Arsch vorbeigeht (genau wie Big Bang Theory, Unsere Kleine Farm, Akte X, Flipper, Picket Fences, Bärenbrüder, X-Men 1 bis alle, Fast And Furious, Dumm Und Unfassbar Dumm, Triple X usw.) hat eben jeder seine eigene Vorstellung von einem guten Film (oder einer Serie), aus welchen Gründen auch immer.
Ich schalte beispielsweise immer sofort ab, wenn ich mal wieder einen dieser markigen Sprüche höre, wie sie bei LA Law, Recht und Gesetz: Besondere Opfer Einheit, Sieh es ein Las Vegas/Miami/NewYork/DenTäternAufDerSpur etc. an der Tagesordnung sind. Oder wenn man bei Diagnose: Mord oder Hart aber Herzlich mal wieder merkt, daß eigentlich nur Stoff für 20 Minuten da war, aber die Folge eben eine Dreiviertelstunde dauern muss, weswegen alle Charaktere komplett unnatürlich handeln.
Und genauso verstehe ich auch gut, daß man mit Fear and Loathing nichts anfangen kann. Es gibt prinzipiell keine Story, keinen wirklichen Spannungsbogen und keine Bösen, die abgeschlachtet werden müssen, um die Welt, wenn nicht gar das ganze Universum zu retten. Keine saubere Gut-und-Böse Trennung, nichts, worauf der Zuschauer geistig hinfiebern kann und niemanden, der besiegt werden muss, damit wir zum millionsten Mal sehen, wie im Bruchteil der allerletzten Sekunde -damit konnte doch nun wirklich niemand mehr rechnen!- dem Bösen doch noch ein Schnippchen geschlagen wird.
Es einfach nur eine Erzählung. Eine belanglose Erzählung, die neben ihrer visuellen Darstellung unter anderem durch die Wortgewalt lebt. Für Sprachfetischisten ein gefundenes Fressen.
Was mich aber (ich habe Pantoffelkino gerade zum ersten Mal gesehen) auch wundert: Was habt ihr denn alle mit der Filmlänge? Der Diskussion entnehme ich, daß das irgendwie ein Dauerthema zu sein scheint. Also wenn ich einen Film herausragend finde, dann wünsche ich mir doch, daß der so lang wie möglich ist (Ein Grund, weswegen ich hauptsächlich Serien anschaue). Etwas, das mich auch immer wieder bei Artikeln irritiert – ab und an steht dann in den Kommentaren so was wie „Ja man hast echt recht stimme voll zu jo aber warum so lang du vollspast hab dann aufgehört zu lessen“. Vermutlich hat ja jeder so ein oder drei Filme, die er öfter mal anschaut. Würdet ihr euch da nicht wünschen, die wären länger? Wie man sich auch bei Lieblingsserien (Titus, Duckman, Outer Limits) wünscht, sie wären nicht abgesetzt worden?
Aber, zum Thema „es kann ja nicht jedem alles gefallen“ – ich bin insgesamt durchaus ein Massengeschmack-Fan, nur Pantoffelkino verstehe ich (nach dem heutigen erstmaligen anschauen) einfach nicht. Da wird in 7 Minuten ein Film abgehandelt und eigentlich wird ja gar nichts darüber gesagt. Klar, eine Zusammenfassung samt Trailer ist da, die beste und irgendwie auch einzige Anekdote stammt von Christian mit Benitios Donuts, aber ansonsten kommt da ja nichts. Nach der Einführung verbleiben etwa 4 Minuten „Diskussions“zeit. Zwei Leute sagen, daß sie den scheiße finden, einer sagt ‚mir gefällt er‘ und das war‘s. Der eine, dem der Film gefällt, sagt dann auf „ich fand‘s irgendwann anstrengend“ nur „ja natürlich“, aber irgendwie ist das nicht Fisch und nicht Fleisch. Man bekommt so den Eindruck, Christian mag den Film durchaus, Mario hat ihn einmal gesehen und Holger weiß gar nicht, wovon gerade geredet wird. Daher verbleiben von den 4 Minuten auch eher noch drei, da man sich in Diskussionen zu ‚12 Monkeys’ und ‚Hassfilme‘ verstiefelt. Mich lässt das etwas ratlos zurück, aber es gibt ja genug andere tolle Formate hier.