Folge 2: Das Bedingungslose Grundeinkommen

Klar, das wirft einen ganzen Haufen Probleme auf. Es würde eine Revolution erfordern, einen grundlegenden Umbau des Wirtschaftssystems, und der ist weder ohne Opfer möglich noch führt er notwendigerweise dorthin, wohin man will. Deswegen halte ich das BGE zur Zeit für unrealistisch. Propagandisten machen es sich immer einfach. Sie gehen vom Idealfall aus, der natürlich nie eintritt, identifizieren dann vermeintliche Feinde ihrer großartigen Idee und versauen alles, indem sie versuchen, deren weitere Umsetzung zu erzwingen. Eine realistische Chance auf das Gelingen welches Umwälzungsvorhabens auch immer besteht nur dann, wenn die breite Mehrheit der Betroffenen aus Überzeugung bereit ist, das Risiko einzugehen, und so etwas kommt nur extrem selten vor.

In diesem Sinne: Lassen wir sie reden und sehen wir mal, wie weit sie kommen.

Nope. Behauptung stimmt einfach nicht. Und das wurde jetzt wirklich unzählige Male von mir und anderen hier besprochen …

Kann man sich auch ganz simpel selbst ausrechnen. Einfach mal den Abstand von Hartz4 und Mindestlohn anschauen und dann schauen, was die gleichen Personen unterm BGE bekommen, wenn sie arbeiten gehen. Da zu behaupten, dass die Motivation zur Arbeit in unserem aktuellen System höher ist, macht wenig Sinn.

(Noch kürzer: Würdest du eher für ein Plus von weniger als 300 Euro arbeiten gehen oder für ein Plus von mind. 1400 Euro?)

Die Motivation in unserer Sozialen Hängematte zu arbeiten ist nicht sehr hoch, das stimmt.

Daher sollte Hartz 4 abgeschafft werden und für Steuererleichterungen genutzt werden. Dadurch steigt die Motivation zu arbeiten gleich zweimal: Wer arbeitet hat mehr davon, wer nicht arbeitet hat auch nichts. Ausnahmen lediglich für nachgewiesene Schwerbehinderte.

Dein Traum von Deutschland ist also die massive Zunahme von Obdachlosen und Hungernden, inklusive Kindern, nicht diagnostizierten psychisch Kranken und all den Menschen, die niemals eine Stelle bekommen werden, weil sie irgendwie komisch sind.

Nö, die können ja bei ihrer Familie einziehen. Oder bei Freunden. Verhungern sollen sie auch nicht, dafür gibt’s dann Essensmarken, die nicht gegen Zigaretten und Alkohol getauscht werden können.
Man muss dann eben mal selbst den Arsch hochkriegen. Für Klagen gegen das Jobcenter reicht die Motivation dieser Leute ja anscheinend auch. Und wer “irgendwie komisch” ist, sollte man an sich selbst arbeiten.

Familie muss einen nicht aufnehmen, vor allem nicht, wenn du 40, 50, 60 bist. Ist dazu in den unteren sozialen Schichten meist nicht so einfach möglich, weil Wohnraum beengt und die finanziellen Möglichkeiten von allen beschränkt sind.

Dazu hast du ein absolutes Grundproblem: Die Menschen werden aus der Obdachlosigkeit, im ungepflegten Zustand und ohne saubere Kleidung gar keinen Job in DE finden können, selbst wenn man irrig der Annahme ist, dass jeder einen Job finden kann. Sie können weder nach dem Job suchen, da kein Internet, sie können sich nicht bewerben, da kein Drucker, sie können nicht zum Vorstellungsgespräch, da keine Geld für den Nahverkehr. Anstatt dass die Menschen ihre Zeit mit der Suche nach Arbeit verbringen können, willst du mindestens Teile dieser in einen Überlebenskampf drängen. Ich verstehe nicht, warum man so begeistert davon träumt, dass Menschen in Deutschland in Massen unter Brücken uä. hausen sollen, ohne Chance auf eine positive Entwicklung.

Dass einige Hartz4 bekommen, obwohl sie nur faul sind, ist geschenkt. Aber was macht dich so sicher, den ganzen Rest auch zu verdammen? Woher kommt dein Überzeugung? Welche Grundlage hat das? Woher weißt du, wie bequem die soziale Hängematte ist?

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Erst willst du das Sozialssystem komplett abschaffen, jetzt kommst du auch nicht ohne Grundsicherung aus. Was meinst du denn, wer den Gegenwert dieser Essensmarken bezahlt? Da kann man auch gleich beim bisherigen System bleiben.

Schau nochmal ins BGB, dass sieht eine lebenslange Fürsorgepflicht aus. Die Fürsorge würde in diesem Fall ja eben auch die Aufnahme vorsehen, wie das vor 100 Jahren noch der Fall war. In erster Linie ist die gesamte bürgerliche Gesetzgebung darauf ausgelegt, dass die Familie die erste soziale Absicherungsstufe darstellt und eben nicht erst die letzte. Danach folgt der Staat. Deshalb sind Leistungen meistens auch um das Zentrum der Familie aufgestellt, wie z.b. Kindergeld, Unterhaltssicherung, etc.

Trotzdem ist der Unterstützungsanspruch des Sozialstaates für diese Familien eine Errungenschaft, die man nicht abschaffen sollte.

Weil das ja heute so viel besser läuft. Da hab ich so einige Geschichten aus dem ARGE gehört… Menschen verwahrlosen in Arbeitslosigkeit, zwangsläufig. Daran muss man auch heute schon ansetzen. Zum Beispiel, indem man statt jeden mit Geld zuzuwerfen, bis die Konsumentenrente bis nach Meppen steigt, z.b. auf einen sozialen Arbeitsmarkt setzt.

Erst willst du das Sozialssystem komplett abschaffen, jetzt kommst du auch nicht ohne Grundsicherung aus. Was meinst du denn, wer den Gegenwert dieser Essensmarken bezahlt? Da kann man auch gleich beim bisherigen System bleiben.

Natürlich nicht der Staat, sondern Organisationen wie die Tafel nach eigenem Ermessen. Sonst wäre das ja Quatsch.

Für die erste Generation Dauer-Hartzer sieht’s finster aus, das stimmt. In nachfolgenden Generationen wird das Bewusstsein heranwachsen, dass man für sich selbst verantwortlich ist. Diejenigen, die dann tatsächlich „unter den Brücken“ oder in Obdachlosenunterkünften hausen werden, werden ein mahnendes Beispiel darstellen für all diejenigen, die glauben, dass dauerhaft auf Kosten der Allgemeinheit schmarotzen kann.

Du willst die staatliche Grundsicherung des Sozialstaates also komplett auf der Basis abhandeln, dass Supermärkte, etc. Essen spenden und nicht wegschmeißen. Okay, das ist wirklich vollkommen realitätsfremd.

Halte ich für durch und durch asozial, da keiner sich seine Familie ausgesucht hat. Jeder sollte das Recht haben, sich von seiner Familie, seinen Geschwistern oder sonst wem zu distanzieren und nicht gleich noch mit denen zusammenwohnen zu müssen. Einzig Eltern sollten bis zu einem gewissen Punkt eine Unterstützungspflicht haben.

Man hört nur die spannenden Geschichten. Der Hartz-4-Empfänger, der nicht verkommt, ist keine Geschichte wert. Solche Mechanismen sollten dir klar sein. Und aus Geschichten wird natürlich keine Zwangsläufigkeit. Verkommen eigentlich auch zwangsläufig die Menschen, die wegen Vermögen in der Familie nicht arbeiten müssen? Oder sind die wundersamer Weise davon ausgenommen?

Jein, der Unterhaltsanspruch ließe sich in dem von Motherlode gewünschten System ja nicht monetär unabhängig realisieren, deshalb mein Verweis auf die Aufnahme in den familiären Haushalt. Übrigens habe ich ja geschrieben, dass ich deshalb die staatliche Unterstützung innerhalb der Fürsorgepflicht der Familie begrüße und für eine wichtige Errungenschaft des Sozialstaates halte. Letztendlich sieht der Gesetzgeber aber immer noch „Verwandte in direkter Linie“ vor und eben nicht den Sozialstaat. Da ist das BGB einfach klug genug gewesen, keinen Wohlfahrtsstaat zu etablieren. Das magst du jetzt asozial finden, es ist aber Grundlage des deutschen Sozialstaats.

Ich wollte eigentlich auch auf einen anderen Punkt hinaus.

Es geht da um das dauerhafte Leben am Existenzminimum, dass unweigerlich zur Verwahrlosung über mal kurzen, mal längere Zeiträumen führt. Es ist dazu gedacht, nicht auf Dauer zu sein, dich in deinen Entfaltungsmöglichkeiten entsprechend einzuschränken und ein Stück weit auch gesellschaftliche Teilhabe zu reduzieren. Weil es eben kein lebenswerter oder erhaltenswerter Zustand sein sollte, arbeitslos zu sein und dem Staat auf der Tasche zu liegen. Und auch um einen sinnvollen Kompromiss zwischen Sicherung des Grundbedarfes und den Interessen der arbeitenden und dieses System finanzierenden Bevölkerungsgruppen zu finden. Deshalb ist es nach wie vor auch die falsche Lösung, Langzeitarbeitslosigkeit damit bekämpfen zu wollen, diese mit Geld zu beschmeißen.

Aber die Jobs der untersten Einkommensstufe bringen nicht mehr. Der Mindestlohn müsste dann ein ganzes Stück angehoben werden. Und ganz zu schweigen von allen, die damit versuchen müssen, eine Familie zu ernähren und dann trotz Arbeit den Staat um Geld anbetteln müssen.

Du sprichst selbst hier vom Existenzminimum, man kann also nicht wirklich noch runter gehen, um die Differenz zum Mindestlohn auf diese Weise zu erhöhen. Die Leute ernsthaft neu und zukunftstauglich zu qualifizieren, ist auch nicht vorgesehen, wodurch eine positive Gehaltsentwicklung arg beschränkt ist. Das Verkommen ist da dann ebenso wahrscheinlich, da man weiterhin kaum bis gar nicht gesellschaftlich partizipieren kann.

Die Grundversorgung wird mit Lebensmittelgutscheinen sichergestellt. Somit ist dein angebliches Argument, gar keins.

Stimmt so pauschal eben nicht.

[Quote]Bei einer Minderung der Regelbezüge um mehr als 30% ist für den Leistungsträger Ermessen eröffnet (§ 31a Abs. 3 S. 1 SGB II). Das Ermessen gibt dem Leistungsträger die Befugnis, bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen im Einzelfall ergänzende Hilfe zu gewähren, um die Grundsicherung des Leistungsbeziehers sicherzustellen.

Das ist etwa dann der Fall, wenn die Regelsatzkürzungen dazu führen, dass das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wäre. Unter diesen Voraussetzungen können zusätzliche Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden, wie zum Beispiel Lebensmittelgutscheine. Das Ermessen reduziert sich und verschafft dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf ergänzende Unterstützung, wenn er mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. In diesen Fällen ist der Träger in der Regel verpflichtet, ergänzende Leistungen zu erbringen (§ 31 Abs. 3 S. 7 SGB II) siehe hierzu auch das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen AZ L 7 B 211/09 AS.[/Quote]

Selbst wenn, dann gibts die Lebensmittelgutscheine nur solange wie die Sanktion läuft, aber eine Sanktion zieht meist noch weitere Kosten nach sich.

Mal als Extrembeispiel, du kannst wegen einer Sanktion die Stadtwerke nicht bezahlen und dir wird der Strom abgeklemmt, dann kommen zu den Mahngebühren noch Kosten fürs abklemmen und später fürs anklemmen dazu. Du bist da ratzfatz in einer finanziellen Notlage, aus der du so schnell nicht rauskommst.

Ich kenne das selber. Amt lässt sich ewig Zeit, verschlammt Unterlagen, die laufenden Kosten fallen weiter an. Diese kannst du irgendwann kaum noch bedienen und die Mahnkosten erstattet dir das Amt am Ende auch nicht, die zahlst du aus eigener Tasche, obwohl der Zahlungsverzug nicht deine Schuld ist.

Ich habe jetzt nicht alles gelesen, aber zwei Aussagen passen für mich nicht zusammen.

Auf der einen Seite schreibt hier jemand ein Beispiel, wonach man 1000 € BGE + für jeden erarbeiteten Euro 0,50€ beommt und auf der anderen Seite heißt es woanders, dass im Interview angesprochen worden ist, dass bis 7000€ alle mehr hätten.

Wenn man zum BGE für jeden erarbeitreten Euro nur 50 Cent ausgezahlt bekommt, dann hat man bei einem Lohn von 2000 € die Grenze erreicht (1000€ BGE + 2000€/2 = 2000 €). Ab einem höheren Lohn hat man mit BGE weniger in der Tasche, als sein Bruttogehalt, weil einem 50 % abgezogen werden. Und irgendwann hat man dann sicher auch deutlich weniger, als das derzeitige Nettoeinkommen.

BGE ??? - Im Leben nicht …
Wenn es schon innerhalb einer an der Gestaltung unseres Miteinanders angeblich maßgeblich beteiligten aber sehr überschaubaren Gruppierung wie einer politischen Partei nicht gelingt (bzw. diese partout nicht willens ist) mal mutig neue Wege zu beschreiten, um den eigenen Untergang zu verhindern, wie um alles in der Welt soll das dann mit und in der Gesamtgesellschaft funktionieren? Ich befürworte das BGE ausdrücklich, halte es aber aufgrund der Trägheit, fehlenden Flexibilität und - ja, auch das - Feigheit (!) der politisch Handelnden in diesem Land für ebenso utopisch wie die Vorstellung, die Menschheit werde in den kommenden paar hundert Jahren Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation aufnehmen; wobei ich von deren Existenz ebenso überzeugt bin wie von der Richtigkeit des BGE … Also, vergesst es, Leute. :slightly_frowning_face:

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Ich bin voll dafür. Ohne immer am Existenzminimum knabbern zu müssen könnten sich viel Menschen besser entfaletn . Und selbst die Mittelschicht die arbeitet müsste keine angst habe in Armut zu leben wenn mal was nicht klappt mit dem Job und würde evtl aus ganz ander #Ideen kommen. Sei es für Business oder Hobby.

Ich finde ein BGE müsste nicht unbedingt umgesetzt werden.
Hartz4-Sanktionen abschaffen würde schon viel helfen!
Dass man wenigstens ein kleines Sicherheitsnetz in diesem Sozialstaat hat.
Es kann nicht sein, dass Leute aufgrund von (zurecht) nicht wahrgenommener Sinnlosmaßnahmen unter dem Existenzminimum leben müssen.
400€ auf die Hand. Nach allen Abgaben bleiben da 200€ zum leben. Für alles außer Miete…
Man muss sich nur mal vorstellen (selber schon erlebt) man hat eine Ausbildung, hatte bereits ein festes Arbeitsverhältniss, rutscht in Hartz 4 und soll plötzlich an einer Maßnahme zur Lebenserhaltung teilnehmen.
Kochen, putzen, einkaufen und basteln mit 19 (entschuldigt) minderbemittelten Jugendlichen, die nicht einmal 5 Minuten ohne Schlägereien und Brüllerei auskommen.
Ich empfand es unter meiner Würde. Ich fühlte mich, alleinstehend mit einem sauberen Haushalt seit dem 18. Lebensjahr, guten Kochkenntnissen, frei von Schulden und Arbeitsfähig, beleidigt und von daher ging ich dort nicht mehr hin.
Zu erst wurden mir 30% gekürzt. Ich legte natürlich Widerspruch ein, welcher natürlich abgelehnt wurde.
Macht ein einkommen von 280€ = 80€ zum Leben…
“Hier ginge es um meine Etablierung auf dem Arbeitsmarkt.” ?! JA HALLO?!
Flott eine Klage im Sozialgericht eingereicht. Diese wurde nach einem Jahr bearbeitet.
In dieser Zeit wütete das Amt (da diese Maßnahme 6 Monate(!) ging) fleißig weiter. Bis ich nur noch Lebensmittelgutscheine und meine Miete bezahlt bekam.
Auch die Miete wollten sie noch streichen aber kurz davor war die Maßnahme zum Glück zu Ende und ich fand etwas.
Unter aller Sau.
Das hat nicht viel mit einem Sozialstaat zu tun.
Ich finde die Diskussion um das BGE verwässert die aktuellen Probleme, an die gearbeitet werden sollten und lässt alle, die etwas mehr Sicherheit fordern als Spinner da stehen, da gleich jeder denkt, man wolle unbedingt die 1200€. NEIN! Man will in dieser Situation keine 1200€. Man will Sicherheit und keine Schikane, Angst und Ungerechtigkeiten und für diesen Preis reichen auch 400€ aus.

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Scheinbar ist dann doch Nachholbedarf notwendig. Kleiner Funfact, wenn man einen der 19 anderen gefragt hätte, ob er in eine Integrationsmaßnahme gehört, würden diese es auch ablehnen.
Niemand der in einer Ausbildung ist, muss an solch einer Maßnahme teilnehmen.