Folge 118 - Barrierefrei und Frust dabei

@Kasiwai

Ähneln sich die Gebärdensprachen wirklich? Ebenso wie alle anderen Sprachen haben die ja teilweise unterschiedliche, teilweise gemeinsame Ursprünge. Wenn also die Gebärdensprachen einen gemeinsamen Stammvater haben, kann ich es mir ja gut vorstellen, dass die Kommunikation recht einfach noch möglich ist, aber bei einem anderen Stamm eher nicht.

Edit: Habe einen Link gefunden. Da werden die Gebärdensprachen als untereinander unverständlich bezeichnet. http://www.svehk-agso.ch/Download/pdf/Gehoerlosenkultur.pdf

Überraschend finde ich, dass in Österreich eine Gebärdensprache verwendet wird die von der französischen Gebärdensprache abstammt. Eine Zeit lang (ich weiß nicht ob das immer noch zutrifft) zeigte 3Sat die Österreichischen Nachrichten, glaube ZIB, mit Gebärdendolmetscher. Das hieße ja dann dass diese Nachricht von deutschen Gehörlosen womöglich gar nicht verstanden wurden?

[QUOTE=Baru;314007]@Kasiwai

Ähneln sich die Gebärdensprachen wirklich? Ebenso wie alle anderen Sprachen haben die ja teilweise unterschiedliche, teilweise gemeinsame Ursprünge. Wenn also die Gebärdensprachen einen gemeinsamen Stammvater haben, kann ich es mir ja gut vorstellen, dass die Kommunikation recht einfach noch möglich ist, aber bei einem anderen Stamm eher nicht.[/QUOTE]

Der erste Aspekt, der eine wichtige Rolle spielt: die Gebärdensprache ist eine eher konkrete Sprache, die Lautsprache eine eher abstrakte. Kleines Beispiel: bei der Gebärde für ‚Buch‘ legt man beide Handinnenflächen zusammen und schlägt die Hände dann wie ein Buch auf. Damit wissen sogar viele Hörende, was gemeint ist. Das Wort ‚Buch‘ hat allerdings nicht viel mit dem Gegenstand ‚Buch‘ gemein. Natürlich lässt sich das nicht auf alle Gebärden übertragen, aber viele Gebärden sind in vielen Ländern ähnlich oder gleich. Bei der Lautsprache gibt es zwar auch ähnlich klingende Wörter (Buch - Book), bei der GS ist es aber stärker ausgeprägt (so hat es mir meine Freundin erklärt).
Der zweite Aspekt: man könnte sogar fast behaupten, dass die GS einen gemeinsamen Ursprung hat. Irgendwann im 17. Jahrhundert hat der Geistliche Charles-Michel de l’Epée angefangen, Gehörlosen eine „Zeichensprache“ beizubringen. Diese wurde dann im Laufe der Zeit weiter entwickelt bis hin zur Gebärdensprache. Ein Schüler dieser „Schule“ reiste dann nach Amerika, um dort die Gebärdensprache zu verbreiten. Somit könnte man sagen, dass die ASL und die LSF verwandt sind. Das lässt sich auch auf andere GS übertragen.

Die PDF, die du verlinkt hast, ist informativ und interessant, allerdings würde ich dem Satz „viele einzelne
nationale Gebärdensprachen, die untereinander unverständlich sind“ nicht zustimmen. Meine Freundin z.B. hat sich schon viele ausländische Gebärdensprachvideos angeschaut und konnte mir mehr als 50% des Gebärdeten übersetzen. Würde sie sich in natura mit der ausländischen Person unterhalten, würde diese ihre Gebärden etwas anpassen („vereinfachen“), so dass es für meine Freundin noch einfacher wäre, sie zu verstehen.
Gegenbeispiel: Wenn ich koreanische Nachrichten schaue, verstehe ich nicht mal 1% des Gesagten :wink:

Meine Behauptung, sie können sich nahezu problemlos unterhalten ist vielleicht etwas übertrieben, aber es fällt ihren wesentlich leichter als bei uns Hörenden.

Wobei ich mal was von einer Theorie erfahren habe, laut der es Gebärdensprachen viel früher als Lautsprachen gegeben hätte.

Ja, viele Gebärdensprachen haben meist die Subjekt-Objekt-Prädikat Grammatik (z.B. “Ich Auto fahren”). Oder im Fall von ÖGS werden Fragewörter ganz am Anfang, ganz am Ende oder am Anfang und am Ende eines Satzes gestellt (z.B. “Wie dein Name wie”). Auch die Mimik, wie große Augen und hochgezogene Augenbrauen bei Ja/Nein Fragen, und das Lippenbild (gebärdete Wörter mit oder ohne Stimme aussprechen) spielen eine große Rolle.
Es gibt auch sogenanntes lautbegleitendes Gebärden, bei dem in der Grammatik der jeweiligen Laut-/Schriftsprache gebärdet wird.

Edit: Ich möchte übrigens noch erwähnen, dass ich nicht weis, ob ich es schaffen werde, die PK-TV-Folgen auf YT zu untertiteln, wie ich es angeboten habe.

Edit 2: Was ich auch gelesen habe ist, dass Gebärdensprachen eher natürlich entstanden, wie die Lautsprachen.

Hey,
der Beitrag hat mir echt gut gefallen.
Meine Eltern sind gehörlos und ich bin mit dieser Problematik aufgewachsen.
Ständig musste ich Filme übersetzen, Serien und Sendungen. Das kann auf
dauer wirklich nervig sein wenn die Mutter irgendeinen Schwachsinn sehen möchte.
Mein Vater versucht schon seit Jahren durch Petitionen oder
ähnlichem die Fernsehsender dazu zu bewegen alles zu untertiteln.

Auch zum Thema Grammatik, da haben meine Eltern ebenfalls Probleme, aber eher in Form
von Satzbau & dem Geschriebenen. Wenn sie Untertitel lesen verstehen sie den Sinn, aber selber
sind sie nicht in der Lage das so von sich zu geben. Auch gibt es in der Gebärdensprache
„Dialekte“ oder neue „Wörter“. Ich bin zum Beispiel mit der Gebärdensprache von vor 40 Jahren
(meine Eltern sind um die 50) aufgewachsen, im vergleich zur heutigen Sprache sind doch
einige Unterschiede zu sehen. Es ist nicht weiter gravierend, man kann sich ja auf neues einstellen.
Aber mir persönlich fehlen ebenfalls die Untertitel, ich bin zwar hörend, kann aber den
Ärger verstehen. Es ist nicht gerecht, auch wenn meine Eltern von vielen Sendungen nichts verstehen und
sie nicht wirklich verstehen das es besser so ist. :slight_smile:

Ich würde meinen Eltern gern FernsehkritikTV zeigen, deshalb würde es mich freuen
wenn es Untertitel gäbe, zumindest für diesen Beitrag!

By the way, das ist die Site über die mein Vater versucht das ganze ins Rollen zu bringen
und auch aufzuzeigen das Gehörlose zum Teil stark benachteiligt werden.

www.channelforsign.com

Für Gehörlose gibt es auf YouTube jetzt noch eine spezielle Fassung mit Gebärdensprachdolmetscherin:

//youtu.be/uHt6QNey_J8

Danke!
Sehr gut, das wird sich bestimmt verbreiten!

Ich fand es gut, das Du (Holger) dieses Thema aufgegriffen hast. Der Beitrag hat mir sehr gut gefallen :slight_smile:

Habe mal versucht einen alten Beitrag von FKTV zu untertiteln. Habe es dann aufgegeben, weil es ganz schön schwer ist… :oops:
Da kann ich mir vorstellen, wieviel Arbeit da drin steckt, um eine komplette Sendung (z.Bsp. eine Folge von der „Lindenstraße“) zu untertiteln.

Bei „France 5“ sind bis 90% der Sendungen - glaube ich - mit Untertitel versehen. Habe den Eindruck, bei den Franzosen herrscht „UT-Pflicht“, weil arte auch sehr viel UT anbietet. So eine UT-Pflicht sollte man auch in Deutschland einführen.

Schade, das bei uns die Privaten nicht soviel UT anbieten - außer vereinzelt mal die Filme. Bei VOX gibt es nur am Donnerstag um 20:15Uhr den DVB-Untertitel - sonst nicht.

Die einzigen UT, die man in die Tonne kloppen kann, sind die von Youtube. Die sollte man nur benutzen, wenn man was zu lachen haben will…:mrgreen:

Sehr informativer, interessanter, abwechslungsreich zusammengestellter und gut recherchierter Beitrag. Das rundum positive Urteil kann ich als Nicht-Couch-User abgeben, weil er ja für mich direkt ohne den Recherche-Patzer vorlag. Es hat also durchaus seine Vorteile, die Sendung erst ein paar Tage später sehen zu können. Super, wenn man eine Schlussredaktion hat, die extra dafür bezahlt, als deine Schlussredaktion arbeiten zu dürfen, oder? :mrgreen:

Nur zwei kleine Details sind mir negativ aufgefallen:

1.: Es wird erst sehr sehr spät im Beitrag endlich erklärt, warum „Untertitelung statt Gebärdendolmetscher“ so eine schlimme Entscheidung wäre. Gleich am Anfang des Beitrags kommt die Aussage, dass diese Umstellung ziemlich skandalös wäre, aber dem Zuschauer wird nicht verständlich, warum das so ist. Auf Basis dieser Annahme geht es dann fünf Minuten so weiter bis endlich nach gut zwei Dritteln des Beitrags der Ausschnitt aus dem Interview mit Frau Kestner kommt, in dem sie es knapp und verständlich erläutert. Hätte das nicht etwas früher besser gepasst?

2.: „Das amerikanische Fernsehen, das ja nicht einmal ein öffentlich-rechtliches Angebot wie bei uns hat“ ist eine Aussage, die man sehr leicht missverstehen kann. Natürlich hat das amerikanische Fernsehen so etwas wie unser öffentlich-rechtliches Angebot – zusammengefasst unter dem Dach von PBS (da kommt unter anderem die Sesamstraße her :D). Dass es nicht genau das gleiche System „wie bei uns“ hat, ist ja irgendwie logisch, denn höchstwahrscheinlich hat überhaupt kein Land ein exakt mit unserem identisches System.

Ich kann natürlich nicht wissen, wie es anderen hier geht, aber ich hatte durchaus im Hinterkopf, dass es sich um eine eigenständige Sprache handelt, jedoch war mir nicht bewusst, dass Gehörlose Schriftdeutsch im Regelfall erst später wie eine Art Fremdsprache lernen.

@Scheol: Das mit Mitleid vs. Mitgefühl ist eine semantische Haarspalterei, von der ich gerne mal wüsste, ob sie so irgendwo in den Sprachwissenschaften gestützt wird. Bitte nicht falsch verstehen: Du stellst hier, was die Blickwinkel und Lebenssituationen angeht, einen Unterschied dar, der durchaus besteht, aber er wird meiner Meinung nach nicht korrekt mit der Unterscheidung zwischen den Wörtern „Mitleid“ und „Mitgefühl“ wiedergegeben. Ein kurzer Google-Ausflug sagt mir, dass die Unterscheidung anscheinend etwas mit dem Buddhismus zu tun hat. Wenn das alles nicht zufällig von einem deutschen Buddhisten kommt, hat vielleicht irgendwer versucht für den sinnhaften Kern der Unterscheidung ein Begriffspaar im Deutschen zu finden und ist bei „Mitleid vs. Mitgefühl“ gelandet, was nur leider nicht sonderlich gut funktioniert.

[QUOTE=grmpf;314593]Es wird erst sehr sehr spät im Beitrag endlich erklärt, warum „Untertitelung statt Gebärdendolmetscher“ so eine schlimme Entscheidung wäre. Gleich am Anfang des Beitrags kommt die Aussage, dass diese Umstellung ziemlich skandalös wäre, aber dem Zuschauer wird nicht verständlich, warum das so ist. Auf Basis dieser Annahme geht es dann fünf Minuten so weiter bis endlich nach gut zwei Dritteln des Beitrags der Ausschnitt aus dem Interview mit Frau Kestner kommt, in dem sie es knapp und verständlich erläutert. Hätte das nicht etwas früher besser gepasst?[/QUOTE]Ist mir vorher nicht so aufgefallen, aber er hätte es tatsächlich in der Anmoderation schon in einem kurzen Satz erwähnen sollen :wink:

Ich muss da Baru Recht geben: Dass viele nicht wissen, dass Gebärdensprache eine vollkommen eigene Sprache ist, ist irgendwo schon ziemlich … naja. Es zeigt, dass es da wohl extrem viel Aufklärungsbedarf braucht. Wahrscheinlich wussten das die Verantwortlichen bei Phoenix nichtmal selbst und dachten, dass es egal wäre ob Gebärdensprache oder Untertitel.

Eigentlich müsste die komplette Mediathek von ARD und ZDF mit Gebärdensprache unterlegt sein. Die nehmen so exorbitant viel GEZ-Gebühren ein, dass das sicher möglich wäre.

Auch der FKTV-Beitrag war seit langer Zeit mal wieder einer der richtig guten Sorte. Daumen hoch dafür!
Nur ein was stört mich wirklich: Diese Trenner wo Fernsehgeräte zerstört werden. Diese wirken so billig, dass sie - gerade auch durch den harten Schnitt dahin - den Gesamteindruck stark runterziehen! Müssen diese Trenner sein? Kann da nicht was neutrales nach solchen ernsten Beiträgen her? Nach Spaß-Beiträgen können solche “Wir zerstören TV-geräte”-Trenner ja weiterhin herhalten, aber nicht nach seriösen und ernsten Beiträgen.

Auch wenn das hier nicht direkt rein gehört, eine Frage einer Hörenden: In welcher Sprache DENKEN gehörlose? BZW Wie?
Das frage ich mich schon seit langem. Vielleicht weiß einer von euch die Antwort.

Beitrag war ganz gut, hab mich mit dem Thema bisher kaum beschäftigt. Nur das Video mit den kaputten Fernsehern war etwas zu heiter für so einen Beitrag, da muss ich meinen vorposter recht geben.

[QUOTE=Grasblut;314614]Auch wenn das hier nicht direkt rein gehört, eine Frage einer Hörenden: In welcher Sprache DENKEN gehörlose? BZW Wie?
Das frage ich mich schon seit langem. Vielleicht weiß einer von euch die Antwort.
[/QUOTE]

Dürfte abhängig davon sein, wann die Person gehörlos wurde. Wer als Kind erst Sprechen gelernt hat und dann erst gehörlos wurde, wird vermutlich eher in Deutsch denken, während diejenigen, bei denen die Gebärdensprache die Muttersprache ist, eher in der Gebärdensprache denken werden. (Wobei sich dort dann vermutlich auch ein gemischtes Denken ergeben kann, wie bei vielen, die lange Zeit in einer fremdsprachigen Region leben.) Vom Denken ist es auf jeden Fall kein Problem, in Gebärdensprache zu denken. Ob nun Lautzeichen oder Handzeichen, das dürfte in der gedanklichen Imagination keinen Unterschied machen - es sind ja eh nur Repräsentationen unseres Denkens, was im Hintergrund abläuft und eigentlich wortlos funktioniert.

[QUOTE=Grasblut;314614]Auch wenn das hier nicht direkt rein gehört, eine Frage einer Hörenden: In welcher Sprache DENKEN gehörlose? BZW Wie?
Das frage ich mich schon seit langem. Vielleicht weiß einer von euch die Antwort. [/QUOTE]

Meine Eltern sind von geburt an aus gehörlos, sie denkt so wie sie spricht. “Mist, Auto kaputt” - sowas zum Beispiel,
die Grammatik ist da natürlich etwas daneben aber von den Gedanken her macht das keinen unterschied.

Fand eigentlich keiner von euch den Satz „In den USA gibt es ein sehr gutes Antidiskriminierungsgesetz“ bemerkenswert?

Nun, die USA sind ja völlig offensichtlich ein Hort der Antidiskriminierung im Alltag… :roll:
Das Ergebnis dieses Gesetzes ist doch in erster Linie, daß dort alles, was man in den falschen Hals kriegen kann, auch da landet und man daher in der Öffentlichkeit supervorsichtig sein muß, was man sagt.
Daß dort keiner mehr von irgendwem diskriminiert wird, hat dieses Gesetz aber nicht erreicht…

Mich hätte abschließend noch interessiert, wie das mit den Mehrkosten für die Sender aussieht.
Ist das tragbar? Werden dann wieder die Gebühren erhöht? Wieviel kostete es, die 10min dieses Beitrags bei Youtube zu „übersetzen“? :mrgreen:

Ich nehme an, dass sehr gut für dich - wie für mich auch - impliziert, dass das Gesetz eine deutlich spürbare Wirkung erzielt. Wo man ohne ein solches Gesetz stünde, lässt sich leider nur erahnen. Dass ohne entsprechende rechtliche Grundlage zumindest beispielsweise in Arbeitsalltag und Rechtsprechung einige Bevölkerungsgruppen wesentlich stärker benachteiligt würden, als es heute tatsächlich der Fall ist, ist naheliegend. Natürlich kann man deshalb noch lange nicht davon sprechen, das „Ziel erreicht“ zu haben, oder ähnliches, gerade wenn es um das alltägliche Miteinander geht*. Inwieweit dieses Gesetz oder vielmehr das Gesamtergebnis der diversen Anti Discrimination Acts als gut oder gar sehr gut zu bezeichnen sind, lässt sich einfach nicht so leicht erfassen.

Was zum Beispiel die Inklusion in der Pädagogik betrifft, dürfte man in den USA immer noch um Einiges weiter sein als in Deutschland, wo noch im Schuljahr 2009/10 nur etwa 20% der Kinder mit gemeinsam mit solchen ohne erhöhten Förderungsbedarf unterrichtet wurden, sofern man dieser Studie der Bertelsmann-Stiftung (nicht unbedingt die beste Quelle) glauben kann.

Das Statistische Bundesamt sagt dazu (Seite 360 = PDF-Seite 5 unten, Punkt 2.3):

drei Viertel aller Kinder mit sonderpädagogischer Förderung lernen an Förderschulen

Man kommt hier also (allerdings 2011/12) auf 25 %.

Ob das Konzept, das sich in den USA durchgesetzt hat (Schulbesuch nach individuellen Bedürfnissen, was dann also nicht zwangsläufig Besuch einer Regelschule gemeinsam mit nicht besonders Förderungsbedürftigen Kindern bedeutet), das richtige ist*, oder die beispielsweise in Norwegen praktizierte weitestgehende Abschaffung von Förderschulen egal welcher Art, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall tut sich in den USA schon etwas länger etwas in dieser Richtung als hierzulande.

Hier zumindest eine Langzeitstudie, die dies bestätigt: S. Foster/G. Emerton: Mainstreaming the Deaf Student: A Blessing or A Course. In: Journal of Disability Policy Studies. 2(1991), S. 61-76.

*Auch bezüglich der USA wäre ich einfach vorsichtig mit Verallgemeinerungen, wenn es um Alltagsdiskriminierung von Bevölkerungsgruppen egal welcher Art geht. Diejenigen, die bestimmte Gruppen nicht akzeptieren oder nicht einmal tolerieren, sind ja auch immer die Auffälligeren. Mit Sicherheit gibt es so einige Gegenden (auch Großstädte), in denen der Anteil der derart Engstirnigen signifikant hoch ist. Wenn ich jedoch beispielsweise davon lese, dass beim Utah Gay Pride in diesem Jahr erstmals eine 400-personen-starke Gruppe von Mormonen am Start war, bin ich schon überrascht, hätte ich dort doch eher Zustände wie in Russland vermutet. Ebenso kann man diese Tatsache natürlich nicht verallgemeinern, ich kann mir immer noch vorstellen, dass in den USA andernorts solche Zustände immer noch herrschen. Ist eben nur ein Beispiel dafür, wie falsch man mit solchen Einschätzungen oder allzu klischeehafter Herangehensweise liegen kann.

Daß dort keiner mehr von irgendwem diskriminiert wird, hat dieses Gesetz aber nicht erreicht…

Stimmt. Davon ist man dort mit Sicherheit weit entfernt. Ohne oder mit zu wenig Aufklärung nützt das beste Gesetz nichts und sehr gut sollte man nicht unbedingt mit wirksam gleichsetzen.

tl;dr: Ich denke derartige Gesetze haben dort (wie auch hier) durchaus Einiges bewirkt, weshalb man den Gesamtzustand dort aber trotzdem noch als scheiße bezeichnen kann.

Du hast angemerkt, dass es etwas aufwendig wäre die FKTV zu untertiteln. Aber vielleicht könntest du das crowed-sourcen. Vermutlich finden sich Genug Zuschauer zusammen, die jeweils kleine Stücke Untertiteln um die Ganze Sendung zu versorgen. Wäre dafür natürlich wichtig, dass das alles in einheitlichem Format geschieht. Vermutlich wäre es dafür am besten, wenn ihr auf der Seite ein entsprechendes Tool einbettet.
Der Zweite Grosse Vorteil wäre natürlich, dass die Sendungen per Stichwortsuche durchsucht werden könnten. Zumindest, wenn ihr den Untertitel als Zeitsynchronisierten Text, und eben nicht nur als in den Film eingebländet anbietet.
Fallls ihr nicht wisst, wie man das Technisch umsetzen kann, frag mal Tim Pritlove, der bastelt auch gerade an so etwas.

@lion: Soetwas zum Beispiel?: http://forum.fernsehkritik.tv/showthread.php?8836-Untertitel-bei-Fernsehkritik-TV

Hallo,

ich fand es super, dass du das Thema generell auf den Tisch gebracht hast und war auch etwas verwundert/schockiert, dass die Dolmetscher bei den Öffentlich Rechtlichen weniger werden sollen und das Angebot für Gehörlose immer noch so schlecht ist.

Trotzdem war ich nicht so begeistert von dem Beitrag an sich. Besonders nicht von dieser Dame, die du interviewt hast. Natürlich stimmt es, dass Gebärdensprache die Muttersprache der Gehörlosen ist und somit immer auch zu bevorzugen ist. Allen gehörlosen allerdings zu unterstellen, sie könnten nur deutsche Worte aneinander reihen, aber nicht die grammatikalischen Zusammenhänge verstehen und vernünftig deutsch lesen ist einfach eine Unterstellung, die sicher in einigen Fällen stimmen mag, aber einfach zu pauschal ist. Die Gehörlosen, die hier leben, lernen doch auch die deutsche Sprache und können/müssen täglich damit umgehen. Das wäre ja wie jemand, der sein Leben lang in einem Fremden Land leben würde und selbst nach jahren kein Magazin versteht (auch das gibt es sicherlich). So wie sie es beschreibt, seien Gehörlose dazu nicht in der Lage.
Hörende können doch auch Englisch, Französisch oder Gebärdensprache lernen (auch das so gut und sicher, dass man ohne Probleme einen wissenschaftlichen Text lesen kann).
Noch dazu freut sie sich am Ende, dass in den USA doch alles so schön untertitelt sei. Aber ist es nicht gerade das, was sie eigentlich anprangert?

Der Baumranger

Hallo linuksamiko,

mich würde es interessieren, ob du taube Bekannte oder Freunde kennst. Oder wie kommst du auf die Vermutungen? Du scheinst zumindest nicht zu wissen, wie die Sprachentwicklung bei Kindern funktioniert.

Bei der Sprachentwicklung gibt es eine sensible Phase, in der die Kleinkinder die Sprache quasi aufsaugen wie ein Schwamm. Das funktioniert recht mühelos und beginnt im Schnitt zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr.
Das Problem bei vielen Tauben ist jedoch, dass sie diese Phase verpassen, wenn sie nicht rechtzeitig mit der Gebärdensprache anfangen. Gehäuft ist das vor allem bei tauben Kindern mit hörenden Eltern. Und da 90% der tauben Kinder hörende Eltern haben, und von diesen 90% wiederum 75-80% der Eltern keine Gebärdensprache benutzen, kannst du dir ausrechnen, wie viele Tauben Probleme mit der Sprachentwicklung und somit auch mit der deutschen Grammatik bekommen. Ein häufiger Grund, warum diese Eltern Gebärdensprache ablehnen, ist, weil sie von hörenden Lehrern, Ärzten und Erziehern “beraten” werden. Immerhin wird an 90% der Schulen für Taube keine Gebärdensprache verwendet. Da setzt man überwiegend auf technische Hörhilfen und “Lippen ablesen”, was natürlich keine 100%igen Erfolge liefert.
Natürlich lässt sich das nicht pauschal sagen, dass alle Tauben Untertitel nicht verstehen. Aber es sind vermutlich mehr, als du dir vorstellen kannst. Als Beispiel: nur etwa 20% der Tauben können auf hohem Niveau deutsch schreiben und lesen, eventuell auch sprechen. Die restlichen etwa 80% können dies gar nicht oder nur mittelmäßig.
Die nicht weit fortgeschrittene Inklusion spielt hier ebenfalls eine Rolle, wenn auch untergeordnet.

tl;dr: Es ist nicht so einfach, wie man denkt. Viele Faktoren spielen hier eine Rolle.