Wer »unpolitisch« sagt, will betrügen.
[i]"»Frei.Wild« machen ein Identitätsangebot, das die Lücke füllt, die von den »Böhsen Onkelz« hinterlassen wurde. Der Irrwitz und der Unsinn ihrer - nachfolgend genauer beleuchteten - Statements sprechen Bände, »Frei.Wild« und ihre Gemeinde ficht das nicht an. Band und Fans schweißt ein Wir-Gefühl zusammen, dass zentrales Element der Texte ist und auch sein muss: Damit die Abschottung von einer feindlich gesinnten Welt und der eigene Opfermythos funktionieren.
Das neue Album »Gegengift« strotzt vor simplen Wir-gegen-Euch-Konstruktionen - Worte wie »wir« und »unser« kommen in den Texten der 14 Songs weit über 100 mal vor. Zur Gegenseite zählen selbstredend Leute, die Kritik an der Band üben. Von deren dummer Hetze würde man letzlich jedoch profitieren: »Liebe macht blind, Zorn der macht dumm; doch dieser Angriff haut uns nicht um; härtet uns ab, und ihr werdet es sehen; allein nach vorn, immer Richtung Freiheit! (…) Die selbe Hetze schon seit etlichen Jahren; ihr müsst den Menschen vor Frei.Wild bewahren; doch es hat nix gebracht, uns nur bekannter gemacht!«
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»Frei.Wild« reduziert »Politik« offenbar einzig auf den Machtapparat. Wer sich selbst als »nah aus dem Leben«, »ehrlich« und »bodenständig« begreift, fällt per se aus diesem Raster heraus. Darüber spricht »Frei.Wild« nicht nur sich, sondern auch seine Fans, die in allen Regionen Deutschlands begeistert auf »Deutschrock«-Partys rennen, von jedem »Verdacht« - und somit von jeder Verantwortung für das eigene Handeln - frei.
Wie so oft: wer »unpolitisch« sagt, will betrügen. Denn andererseits verbreiten »Frei.Wild« ohne mit der Wimper zu zucken politische Botschaften. Die Band ist mithin eindeutig politischer, als es die »Onkelz« in den letzten 20 Jahren ihres Bestehens waren.
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Stichwort Toleranz: Philipp Burger erklärt in einem Interview, dass Naziskinheads wie alle anderen Gäste bei »Frei.Wild«-Konzerten willkommen seien - »solange sich die Leute benehmen«. Denn: »Nur weil einer was anderes denkt«, dürfe man niemanden ausgrenzen. »Ich kann ehrlich zu ihm sagen ‚Willkommen! Aber benimm dich!‘« Allerdings mutmaßt Burger auch, dass »richtig überzeugte Nazis« mit den »Frei.Wild«-Texten »eh nicht klarkommen würden«. Ein Blick in das Nazi-Internetportal »Thiazi« zeigt das Gegenteil. In der dortigen Bandliste sind »Frei.Wild« neben Nazirock der Marke »Störkraft« wie selbstverständlich mit Diskografie und vollständigen Liedtexten gelistet.
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Allemal ist die Volksmusik-Referenz auch unter einem anderen Aspekt interessant. »Frei.Wild« werfen mit Begriffen wie »Subkultur« und »Rebellion« umher und verkaufen ihre piefige Bergwelt-Romantik und ihre von Arbeitsethos und Traditionen geprägte Wertewelt als aufständische Coolness. Der Kitsch von »Frei.Wild« minus die E-Gitarren und minus den sinnentleerten Rebellengestus würde durchaus ins Musikantenstadl passen. Wenn Rock jemals gegen irgendetwas rebellierte, dann wohl gegen die himmelschreiende Spießbürgerlichkeit und die Enge, wie sie von der Volksmusik und von »Frei.Wild« repräsentiert werden.
Doch die Band dreht das Prinzip um. »Frei.Wild« sind spießbürgerlich bis in die Haarspitzen und berauschen die Fans mit blumigen Rebellionsphantasien. Sie vermitteln eine Identität des »anders sein« und schaffen es damit tatsächlich auf Festivals, die unter dem Motto »Die Rebellion geht weiter!« angekündigt sind. »Rebellisch« sind allenfalls die Attitüden, wenn die Band jeder Kritik den »Mittelfinger« entgegen streckt und vorgibt, »aus dem Rahmen der Gesellschaft« zu fallen. Das ist ihr schlichtes Erfolgsrezept, bis ins Detail kopiert von den »Böhsen Onkelz«."[/i]
Quelle: http://www.nadir.org/nadir/periodika/ai … eiwild.php
…'nuff said.