- Was mit den Feinden und der Hölle eigentlich gemeint ist, bleibt völlig unklar. Philipp Burger weicht einfach aus und ernsthafte Nachfragen werden leider nicht gestellt. Und wer sind eigentlich die Brüder, denen Südtirol entrissen wurde?
Ich habe ja im Beitrag gesagt, dass „Südtirol“ der zweifelsohne patriotischste Song der Band ist - er ist übrigens schon 10 Jahre alt. Die Medien stürzen sich aber aufälligerweise immer auf dieses Lied - wohl deshalb, weil sie sonst keine großen Beweise für die These von der rechtsradikalen Band finden können. Ich habe Philipp die Gelegenheit gegeben, den Liedtext zu erklären. Soll ich jetzt, genauso wie andere Medien, stundenlang auf diesen Liedzeilen herumhacken?
Das wäre ja so, als wenn ich bei einem Interview mit den Ärzten nur Fragen zu „Claudia hat einen Schäferhund“ stellen würde.
Entscheidend ist doch das gesamte Repertoire der Band - und da gibt es zwei oder drei Songs, bei denen zumindest Erklärungsbedarf besteht. Dies ist geschehen.
- Die Vergangenheit Philipp Burgers wird nicht wirklich thematisiert. Ja, er war Mitglied der Band Kaiserjäger. Demnach ist zumindest ein rechter Einschlag zu vermuten, auch wenn er sich jetzt von dieser Gruppe vollständig distanziert. Weil es nicht klar entscheiden lässt, ob das ein taktisches Vorgehen oder eine ernstgemeinte Sache ist, würde ich es ihm zubilligen. Trotzdem lässt sich soetwas nicht einfach unter den Tisch kehren und in zwei Sätzen im Sinne von „Naja, Jugendsünden“ abhaken. Dazu kommt eine Mitgliedschaft in der Partei „Die Freiheitlichen“, welche vom politischen Spektrum her in etwa der FPÖ in Österreich und vielleicht den Republikanern in Deutschland zuzuordnen ist. Also schon ein ganze Stück rechts der postulierten Mitte, würde ich sagen. Philipp Burger ist dann 2008, kurz nachdem ein Frei.Wild-Konzert für die Partei abgesagt wurde, auch ausgetreten. Zur Austrittserklärung brauche ich wohl nichts kommentieren: „Was die Mitgliedschaft bei den Freiheitlichen betrifft: Ich bin aus der Partei wieder ausgetreten und habe auch das Amt niedergelegt, aber nicht etwa deswegen, weil ich Schuldgefühle habe oder mit dem Parteiprogramm nicht einverstanden wäre, soviel ist sicher, sondern weil ich, vor allem nach der Aussprache mit der Crew, eingesehen habe, dass es etwas zwiespältig ist, Parteimitglied zu sein und gleichzeitig Distanz vor der gesamten Politik zu nehmen, da gebe ich euch recht und habe meine Konsequenzen gezogen.“ So oder so auch hier: Erstens ist das wirklich nicht lange her und zweitens ist auch hier wieder eine Nähe zur politischen Rechten gegeben.
Das ist jetzt wirklich interessant, denn natürlich habe ich Philipp Burger darauf angesprochen - diese Sequenzen haben es halt nicht in den Beitrag geschafft. Wie gesagt: Man KANN nicht alles in so einen Beitrag packen. Auch das ist dann in ein paar Tagen auf YouTube zu sehen.
Mir hat er gesagt, dass er NIE Mitglied der Freiheitlichen war und dass er nie irgendwo kandidiert habe. Es habe lediglich damals eine Zeit lang Treffen mit dem Chef der Freiheitlichen in Brixen, Pius Leitner, gegeben, weil es ein paar politische Vorfälle in Südtirol gab, wo Philipp sich einbringen wollte. Die Frage ist nun womöglich, wie man Mitglied definiert - denn sollte er tatsächlich nur kurz eingetreten und dann gleich wieder ausgetreten sein (und das scheint möglicherweise der Fall zu sein), kann man nicht wirklich verkürzt von einer „Mitgliedschaft“ sprechen - jedenfalls nicht im Sinne eines Engagements für die Partei.
Und die Südtiroler Freiheitlichen haben sich laut seiner Aussage schon Jahre vorher von der österreichischen Haider-Truppe selben Namens losgesagt, weil sie ihnen zu extrem war.
Ähnliches gilt auch in Sachen Tattoos. Der tödlich verunglückte Tätowierer und Freund Frei.Wilds, dem sie sogar einen Song gewidmet haben, hat (das ist auf der Facebook-Seite schnell nachzuvollziehen) offenbar auch rechtsextremistische Zeichen gestochen. Abgebildet ist dort mehrfach die schwarze Sonne, zudem ein Landser. Natürlich heißt auch das keinenfalls, dass dieser Mensch ein Nazi war, aber auch hier ist es zumindest wieder ein Graubereich und Kontakte in die Szene scheinen nicht weit zu sein.
Naja, das ist nun wieder das berühmten Suchen mit der Lupe. Nur weil ein Freund der Band möglicherweise mal und so weiter und so fort…
„Die höchsten Leute im Staat
beleidigen Völker ganzer Nationen
und ihr Trottel wählt Sie wieder.
Kreuze werden aus Schulen entfernt,
aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern.“
Hier kommen mir persönlich schon arge Zweifel an der gepriesenen Toleranz und dem Demokratieverständnis, die Frei.Wild angeblich vorweisen kann. Es geht hier ja offensichtlich um Südtirol und darum, dass Südtiroler nicht südtirol-patriotisch wählen. Das ist schonmal ohne Zweifel eine Kritik von rechts. Scheint aber erstmal recht gemäßigt, patriotisch halt. Wenn wir uns jetzt aber fragen, was „Völker ganzer Nationen“ sein sollen, wird die Sache schon schwieriger. „Volk“ ist ein komplexer Begriff, ganz platt wird er meist als „Leidensgemeinschaft“, welche sich oft zusätzlich über die Sprache und Kulte herausbildet, definiert. Gehen wir mal davon aus, dass es hier so gemeint ist, dann spielt diese Stelle wohl vor allem auf die deutschsprachige Minderheit an. Was aber ist dann die Nation? Die deutsche Nation (und das ist nicht zwangsläufig der deutsche Nationalstaat)? Im FKTV-Beitrag wird doch aber gesagt, dies alles habe nichts mit Deutschland zu tun.
Zu guter Letzt kommen noch zwei für meine Augen/Ohren sehr populistische Verse hinzu: „Kreuze werden aus Schulen entfernt, / aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern“. Ich lasse das einfach mal stehen.
Auch da interpretierst du jetzt aber ganz schön viel hinein! Ich halte es für schwierig, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, dann zu interpretieren und daraus dann Rückschlüsse zu ziehen.
„Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat
Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk“ (Frei.Wild).
Natürlich ist das nur exemplarisch, aber in Schlagern wird in der Regel die Liebe und die Natur in der Heimat besungen. Davon ist bei Frei.Wild keine Spur. Hier geht es um Hass, um Wut, um Aggressionen. Das sind alles Gefühle, die das menschliche Leben kennt, und nicht selten wird es ja auch Hansi Hinterseer et al. vorgeworfen, Wesentliches auszublenden. Vor „Werten“, dem Sterben des "Volk"s, „Sprache“, „Brauchtum“ und „Glaube“ singt dort aber einfach niemand. Frei.Wild selbst singen ja „Jeder Volksmusikant / tritt live im Fernsehn auf, / singt über das gleiche Thema / doch da fällt’s keinem auf!“ - Nun, weil es eben nicht „das gleiche Thema“ ist. Und der Unterschied ist m.E. nicht mal nur graduell, sondern kategorisch. Ich bin da doch etwas verwundert, dass hier FKTV exakt die Meinung und Argumentationslinie von Frei.Wild übernimmt.
Ich habe die volksmusikalischen Beispiele deshalb gezeigt, weil Frei.Wild manchen ja deshalb schon suspekt ist, weil sie von Heimatliebe singen. Und dies geschieht eben in der Volksmusik auch rauf und runter.
Ich wähle die NPD hier als Beispiel, weil sie bekannt ist. Eine politische Nähe zu Frei.Wild will ich damit, wie auch eingangs schon gesagt, nicht suggerieren. Aber trotzdem ist es doch selbstverständlich, dass sich Frei.Wild auch in diesem Interview von rechtsextremem Gedankengut distanzieren wird. Es ist fair, die Band zu Wort kommen zu lassen. Eine Hintergrundrecherche hätte m.E. trotzdem mehr gebracht, als eine reine Gegendarstellung der Band.
Diese Hintergrundrecherche hat stattgefunden - und hat nun mal nichts ergeben. Soll ich mich jetzt verbeißen? Warum zeigt Herr Kuban denn zum Beispiel keine heimlichen Aufnahmen von Frei.Wild-Konzerten? Weil dort nichts passiert, was skandalös wäre. Was soll die Band denn noch tun, als sich eindeutig, und zwar wirklich eindeutig, zu distanzieren?
- Was mich außerdem irritiert hat, ist dass die ganze Zeit von Linken und Gutmenschen die Rede ist und dazu dann ein Beitrag vom NDR gezeigt wird. Also man kann die öffentlich rechtlichen ja wirklich für vieles kritisieren, aber eine linkspolitische Meinungsmache und Verbindungen ins Antifa-Spektrum scheinen mir doch arg weit hergeholt. So sehe ich es zumindest, manche Leute vom rechten Rand („Die Presse lügt!“) sehen das anders. Für ein politisch zwar nicht neutrales aber doch im gemäßigten und urdemokratischen Spektrum angesiedeltes Magazin wie FKTV fand ich diese Zusammenstellung recht befremdlich.
Es ist nicht die „ganze Zeit“ davon die Rede, sondern im letzten Fünftel des Beitrags. Ich habe den NDR niemals in eine solche Ecke gestellt, du verdrehst die Fakten. Der NDR war es, der in diesem Beitrag Frei.Wild vorgeworfen hat, ein Lied gegen Moralapostel und Gutmenschen sei sozusagen ein Zeichen für rechte Tendenzen. Und daraufhin habe ich erklärt, dass ich das für Blödsinn halte. Auch ich selbst habe mich bereits über solche Leute aufgeregt, weil mir zeitweise auch mal jedes Wort im Munde herumgedreht wurde. Interessanterweise ließ dies dann nach meinem, zugegeben provokativen, Statement spürbach nach. Es gibt nun mal Leute, die wenig entspannt durchs Leben gehen und bei jeder Bemerkung und jedem Witz erstmal abklopfen, ob da irgendeine Minderheit indirekt beleidigt werden könnte. Das nervt - und ich kann Frei.Wild hier gut verstehen, wenn sie das singen.
- Ein weiterer kleiner Aspekt ist auch noch, dass Frei.Wild vielleicht nicht will, dass sie von der NPD instrumentalisiert werden. Die NPD (und andere Naziorganisationen) würden sich aber auch nicht jede Band heraussuchen, um auf deren Konzerten für neue Mitglieder zu werben. Der platte Patriotismus, den Frei.Wild vertritt, kommt ihnen da einfach entgegen. Dass hier eine Musik in die Charts kommt, in der es eben nicht nur um Alkohol, Schlägereien und Trauer, sondern in manchen Songs auch um Volksgemeinschaft und Nation, um Stolz und Heimat geht, gefällt solchen Gruppierungen selbstverständlich. Dass Frei.Wild nicht mit der NPD oder so in Verbindung gebracht werden möchte, ist ja schön und gut, aber die Gründe dafür sind doch zu suchen und die liegen eben vor allem in den Texten der Band.
Aber dafür kann die Band ja nichts, wenn die NPD das instrumentalisiert. Ich habe auch mal vor zwei, drei Jahren einen kritischen Beitrag über Michel Friedman gemacht - woraufhin der bei YouTube hochgeladen wurde von jemanden und dort extrem anti-semitische Kommentare abgegeben wurden. Und das, obwohl ich in meinem Beitrag in keinster Weise die jüdischen Wurzeln von Friedman thematisierte, sondern lediglich seine intolerante Art der Moderation. Plötzlich war ICH es, der sich öffentlich zu distanzieren hatte.
Die NPD spielt übrigens auch mit solchen Bemerkungen, weil sie weiß, dass sie dann in die Medien kommt.
Franz Schönhuber von den Republikanern behauptete damals auch mal, irgendein berühmter Sozialdemokrat (mir ist gerade entfallen, welcher es war) würde heute Republikaner wählen. Daraufhin ging die SPD auf die Barrikaden, Schönhuber hatte seine Schlagzeile. Das ist doch alles ein reines Medienspiel.
Ein Konzert von den Ärzten ist in der Regel keine Anlaufstelle für Nazis und auch bei Bands wie den Scorpions oder selbst bei Rammstein ist mir soetwas nicht bekannt. und die waren ja oft genug im meist etwas eigenartigen Verdacht, rechtsextremistische Tendenzen zu verharmlosen.
Siehst du, das ist der entscheidende Punkt. Philipp Burger sagt ja eben, dass er um die besondere Verantwortung von Frei.Wild weiß. Denn viele der Fans dieser Band würden die Toten Hosen und die Ärzte gar nicht hören. Also ist es doch gut, wenn so eine Band wie Frei.Wild dann eben diesen Leuten klar sagt: Wir hassen Faschisten, wir achten andere Völker, geht wählen, liebt Euer Land, aber seid keine Rassisten.
Insgesamt kann ich nur nochmal wiederholen: Was ich hier so zusammengetragen habe, ist alles relativ offensichtlich, wenn man sich mit Frei.Wild beschäftigt. Das ist kein Beweis für Verbindungen in die Naziszene, das lässt in meinen Augen aber die rigorose Distanzierung von der rechten Szene unglaubwürdig erscheinen. Auch die ganz offenbar vorhandenen Kontakte kann man nicht so einfach unter den Tisch fallen lassen.
Ich HABE mich mit Frei.Wild beschäftigt. Glaubst du ernsthaft, ich würde mich gerade bei solch einem kontroversen Thema nicht gut vorbereiten und vorher eintauchen in die Materie? Mir war doch vorher klar, was hier kommen würde. Und deswegen wäre es ja geradezu töricht, mich hier angreifbar zu machen.