Jeden Tag hören wir es wieder. Es fehlen Jobs, die Menschen suchen Arbeit. Dem Punker ruft man “geh arbeiten!” hinterher, der eine Arbeitslose schämt sich heimlich und der andere prahlt bei RTL mit seinem täglichen Ausschlafen auf Kosten der Allgemeinheit. Die Parteien wollen alle “Vollbeschäftigung”, die Gewerkschaften sowieso und die Wirtschaft erpresst uns mit der Bedrohung, sie werde Arbeitsplätze abbauen, wenn wir uns nicht immer tiefer vor ihr bücken, denn ohnehin tun die natürlich alles nur, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Natürlich. Nur darum geht es: Arbeitsplätze, Krieg ist Frieden, sozial ist was Arbeit schafft und die Freiheit Deutschlands verteidigt die Bundeswehr am Hindukusch. Und Arbeitsplätze sind den Konzernen das wichtigste. Orwell’s Neusprech. Alles nur reinste Propaganda.
Rund um “Arbeit” wimmelt es nur so von Mythen und Propaganda, wie wohl jeder weiß oder vermutet.
“Fördern und Fordern” z.B., also tüchtig bewerben, Eigeninitiative und immer tüchtig weiterlernen und qualifizieren. So ist es sicher kein Fehler, wenn man sich weiterbildet und spezialisiert, wenn man das möchte.
Aber davon werden die Arbeitsplätze ja nun nicht mehr. Aber Hauptsache ist wohl, daß die Arbeitslosen sich untereinander als Konkurrenten sehen, die man ausstechen muß im harten Kampf um die letzten Arbeitsplätze. Nur keine Solidarität, nur kein Nachdenken oder gar Umdenken. Jeden Tag steht es in der Zeitung, welches ruhmreiche Erfolgsunternehmen wieder Stellen abbaut und gleich daneben dann, was man von diesen arbeitlosen Parasiten erwarten muß, nämlich für 1 Euro arbeiten, sich permanent kontrollieren und schikanieren zu lassen von Behörden und Unternehmen, das geliebte Häuschen verkaufen und das frühere Leben mit sozialen Kontakten beenden, Aldi-Fraß und Fernsehen müssen reichen. In Deutschland muß keiner hungern. Vereinsamen, verblöden, verarmen, vergammeln vielleicht, aber nicht wirklich verhungern, also “Jammern verboten, undankbares, verwöhntes Pack!”. Und unsere Politiker und Wirtschftsbosse tun ja nun auch wirklich immer alles, um Arbeitsplätze zu schaffen, unermüdlich.
Das Wort “Arbeitslosigkeit” verspricht ja unterschwellig, daß es normal ist, Arbeit zu haben, man nur im Moment keine hat, aber bald wieder, hoffentlich. Aber das ist natürlich pure Propaganda. Die Automatisierung, der technische Fortschritt, aber auch die Verlagerung von Drecksarbeit in die 3. Welt (wo natürlich auch automatisiert wird, aber durch Billiglöhne weniger und natürlich ohne den Menschen je unseren Lebensstandart zu geben)… Vollbeschäftigung?
Da muß wohl erst wieder ein Weltkrieg her.
“Mit den modernen Produktionsmethoden ist die Möglichkeit gegeben, daß alle Menschen behaglich und sicher leben können, wir haben es stattdessen vorgezogen, daß sich manche überanstrengen und die anderen verhungern. Bisher sind wir immernoch so energiegeladen arbeitsam wie zu der Zeit, da es noch keine Maschinen gab; das war sehr töricht von uns, aber sollten wir nicht auch irgendwann gescheit werden?”
(“Lob des Müßiggangs”, Bertrand Russel 1872 - 1970, Professor in Cambridge, Oxford, London, Harvard und Peking. Mitglied der elitären “Cambridge Apostles”)
Es wird nie wieder “Arbeit für alle” geben können, solange Erwerbsarbeit weiter so Profitmaximiert und menschenfeindlich abläuft.Der Direktor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sagte dazu, daß “im Zeitraum von 1979 bis 1994 die Zahl der Abeitslosen in den G7-Staaten von 13 auf 24 Millionen angestiegen”, also fast verdoppelt, “nicht mitgerechenet die 4 Millionen Menschen, die die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben, sowie die 15 Millionen, die mangels anderer Möglichkeiten Teilzeitarbeit leisten”. Seitdem sind wieder zig Jahre rum, auch hier mit noch viel mehr Privatisierungen, Massenentlassungen, Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen, etc.
Trotzdem wird noch immer so getan, als wenn “Vollbeschäftigung” das Ziel sein muß. Die Gewerkschaften werden nicht schlauer, die Parteien erst recht nicht. Dabei ist diese offen oder unterschwellig permanent wiederholte Propagandalüge nur unter enormen gesellschaftlichen Kosten (prekäre Arbeitsverhältnisse, Streß, Krankheit, keine Zeit für Kind, Hobby oder gar politischer oder gesellschaftlicher Engagements, etc.) und massiven Statistikbeschönigungen aufrechtzuerhalten.
Diese Gesellschaft basiert noch immer auf Erwerbsarbeit und das soll sich offensichtlich auf keinen Fall ändern.
Arbeit ist Sinnstiftend, “gesellschafts-organisierend”, disziplinierend.
“Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen!” sagt der “Liebe Gott” im dicken Märchenbuch und ohne den Faktor Lohnarbeit verliert die zunehmende “Diktatur des Kapitals” natürlich seine wichtigste Waffe.
Wer kontrolliert und steuert “uns” dann noch? Keine Religion, kein Kapitalismus…
Viviane Forrester fragt in ihrem Klassiker “Der Terror der Ökonomie” ganz richtig:
“Warum scheint man nicht einmal in Erwägung zu ziehen, sich den Erfordernissen der Globalisierung anzupassen, indem man übt, sich von ihr zu befreien, anstatt sie zu erdulden? Warum sollten wir nicht zunächst nach einem Modus der Umverteilung und des Überlebens suchen? Nach einem Modus, der nicht unbedingt auf Entlohnung für eine Beschäftigung basiert? Warum sollte man für die “Beschäftigung” des Lebens - die Beschäftigung der gesamten Menschheit - keinen anderen Sinn suchen oder besser noch fordern als die “Beschäftigung” der Gesamtheit der Menschen durch einige wenige - umso mehr, als sich das inzwischen als unmöglich herausstellt?”
“Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, Artikel 23,
Absatz 1:
Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
Absatz 3:
Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, ggfs. ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.”
Aber auch wenn selbst ein milliardenschwere Unternehmer (Götz Werner, DM Drogeriemärkte) das bedingungslose Grundeinkommen propagiert und dabei ein viel selbstbestimmteres und gerechteres Menschenbild zeigt, dann horchen die interessierteren und wacheren der braven Bürger zwar auf.
Aber die alltägliche Propaganda (“Flexibilisierung, Deregulierung, Globalisierungsdruck, Arbeitsmarktreformen,…”), mit der Springerpresse, die allmächtige Bertelsmann-Stiftung und all die anderen täglich auf uns einpeitschen, erschwert massivst jede ansatzweise demokratische Diskussion und damit jede gesellschaftliche Weiterentwicklung.
Freie Presse, Meinungsfreiheit?
Privat vielleicht noch ein bißchen, aber ansonsten… Propaganda.
“Nicht mehr Qualarbeit und Schufterei steigern unseren Wohlstand, sondern intelligente Arbeitsvermeidung zugunsten höherer Produktivität. Das ist mit der herkömmlichen protestantischen Vorstellung von “Tüchtigkeit” schwer zu vereinbaren.”, schreibt der Dortmunder Professor Günter Moewes u.a. dazu, daß die Wochen- und Lebensarbeitszeit seit 150 Jahren Industrialisierung heute erstmals nicht weiter verkürzt sondern verlängert wird.
Wenn alle nur noch 30 Stunden arbeiten würden, dann gäbe es automatisch keine Arbeitslosen mehr, die Sozialversicherungen hätten keine Probleme mehr, die Menschen hätten mehr Zeit für ihre Kinder und Nachbarn, für Hobby und Politik, um über das Leben nachzudenken und in Ruhe was gutes zu essen, statt wieder nur eilige Tiefkühlpizza. Und wenn es dann noch ein Grundeinkommen gäbe, dann würde sich bestimmt niemand zu viel Streß, Schikanen oder zu wenig Lohn gefallen lassen. Und dann hätte jeder auch genug Muße, mal darüber nachzudenken, wie eine gerechte Gesellschaft wirklich aussehen könnte und ob so ein Grundeinkommen nicht vielleicht doch nur die bestehenden Besitzverhältnisse zementiert, usw usw…
Ist wohl alles keine besonders verlockende Aussicht für die Mächtigen und Reichen und ihre Handlanger und Erfüllungsgehilfen in Bertelsmann-Stiftung und Lobbyverbänden, in Politik und Medien, also geht es einfach weiter mit all den Propagandalügen…
“Wir brauchen und wollen für die Menschen unbedingt wieder Vollbeschäftigung!” ?
Der Kapitalismus wird wohl kaum Vollbeschäftigung dulden, da sonst die Löhne steigen und die Machtposition der Arbeitnehmer zunimmt. Arbeitszeitverlängerung, Einwanderung (gerne illegal und schikanös), verschärfte Automatisierung, “Globalisierung”, etc… immer her damit, alles hilft.
“Die Demografie läßt uns keine Wahl!” ?
Immer weniger Junge, die für immer mehr alte schuften müssen, und deshalb länger und mehr arbeiten müssen?
Wenn das so wäre, dann dürfte es ja wohl kaum noch Jugendarbeitslosigkeit geben.
“Wachstum schafft Arbeit!” ?
Seit 1965 ist sowohl das Bruttoinlandsprodukt als auch die Arbeitslosigkeit synchron und parallel angestiegen. Offensichtlich kann steigendes Wirtschaftswachstum langfristig die Arbeitslosigkeit überhaupt nicht kompensieren.
Durch einen Trick der Propaganda macht man uns aber etwas anderes glauben:
Sie stellen die Arbeitslosigkeit nicht dem realen BIP gegenüber, sondern nur dessen Veränderungen zum Vorjahr. Man vergleicht also die konkreten Arbeitslosenzahlen mit einer fiktiven mathematischen Ableitung des Wirtschaftswachstums.
Wenn man jetzt in der Grafik die Bandbreite der Arbeitslosigkeit (zwischen 0,27 und 5,04 Mio) der Bandbreite des abgeleiteten prozentualen Wirtschaftswachstums (zwischen 2,7 % und 8,0 %) angleicht, dann sieht die Grafik wie geünscht aus.
Also, wenn ich in einem Jahr 1000 Platten verkaufe und im nächsten 1100, dann habe ich 10% Wachstum. Wenn ich im folgenden 1150 Platten verkaufe, dann habe ich weniger Wachstum, also ein “sinkendes Wirtschaftswachstum”.
Dabei sinkt überhaupt nichts, ich habe mehr als vorher verkauft!
Schon ein Naziminister sagte einst: “Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe”.
Propaganda eben… und so weiter und so fort.
Wie gehabt:
“Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glauben - wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten - dann ginge die Lüge in die Geschichte ein und würde Wahrheit.” - George Orwell in ‘1984’
Und so werden wir weiter alle gehetzt und klein gehalten. Die einen müssen immer mehr für immer weniger Lohn arbeiten, die übrigen müssen sich immer weiter jeglichen Willen und Würde brechen lassen in dem aussichtlosen Kapf, doch noch Arbeit zu bekommen und damit vielleicht gesellschaftliche Lebensberechtigung. Und vielleicht sogar genug Geld, um ein bißchen von dem zu kaufen, was einen Menschen heute und hier erst zu einem richtigen Menschen macht. Anpassung, Konsum, Mitlaufen, Oberflächlichkeit, ewig unerfüllte Suche nach wirklichem Glück.
Es sei denn, immer weniger machen da mit und entzaubern die Mythen… “Arbeit macht frei”… Würde, Eigenverantwortung, Erfolg, Wohlstand, Sinn des Lebens; ausgerechnet die knechtende Arbeit soll das leisten können, und NUR sie? Wenn die Welt immer reicher und dabei ihre Menschen (fast alle) immer ärmer werden, dann scheint noch viel möglich, dann gibt es noch viel “Optimierungsbedarf” und “Reformstau”…
Ernstzunehmende Diskussionen der Herren Politiker zu Themen wie Grundeinkommen, Arbeitszeitverkürzungen, internationale Steuern, gerechter Welthandel etc. würden ja schon viel helfen, wieder auf einen vernünftigeren Weg zu finden, der in den 60ern und 70ern mal andeutungsweise versucht wurde einzuschlagen.
Her mit dem besseren Leben !
Vasco, Plastic Bomb #64
Albrecht Müller, "Die Reformlüge"
Arbeit FAIRteilen, attac
[video]http://www.youtube.com/watch?v=LihSY9TSNks[/video]
[video]http://www.youtube.com/watch?v=NjYeGZgNvkE[/video]