Ich melde mich mal (habe gerade Zeit) aus meiner Postpause zurück und gebe meine Gedanken zu dem Thema in schriftlicher Form ab.
Ich bin ein wenig enttäuscht, hatte ich doch die Hoffnung, dass es nicht für Schwarz-Gelb reicht. Ich mag die FDP nicht, weil ich in Bildungspolitik und Mindestlohnsache doch eher weniger elitäre bzw. wirtschaftsdarwinistische Standpunkte vertrete (auch wenn ich zumindest den Ansatz, mehr in Bildung zu investieren, sehr begrüßenswert finde). In diesen Bereichen stimme ich weitaus stärker mit der Linken überein, obgleich man sich bei ihrem Programm auch die Frage der Umsetzbarkeit stellen muss (was auf andere Parteien teilweise aber genauso stark der Fall ist… bisschen Pokern ist wohl in jedem Wirtschaftsprogramm der Parteien enthalten).
Die CDU ist zwar die stärkste Partei geblieben, hat aber dennoch Verluste hinnehmen müssen. Ob sie im Wechsel zu dem Fünfparteiensystem, in dem wir uns spätestens seit vorgestern befinden, doch als Erfolg betrachtbare Prozentzahlen erreicht hat, kann man diskutieren. Fakt ist, dass sie als Sieger aus der Großen Koalition hervorgegangen ist, während die SPD eine herbe Niederlage einstecken musste.
Dass die SPD momentan also in einer Sackgasse ist, ist auch klar. Sie hat jetzt die Gelegenheit, sich zu erneuern. Vorraussetzung ist, dass die Notwendigkeit dazu von ihren Mitgliedern erkannt wird. Hierzu wäre vielleicht ein noch katastrophaleres Ergebnis nötig gewesen. Wie eine große Koalition (die ich mir als Weg dorthin hätte vorstellen können) das in meinen Augen mittelfristig eher ermöglichen hätte können, erkläre ich gleich noch.
Die FDP hat, vermutlich auch mit Rückenwind der Hoffnung, durch sie besser aus der Krise zu starten, deutlich zugelegt. Vielleicht ist das auch dem Allgemeinen Oppositionsbonus zuzuschreiben. Oder aber es ist der Wunsch einiger nach einer wirtschaftlich kompetent scheinenden Regierung, der dahinter stand. Man will ja auch die Schulden wieder loswerden…
Die Grünen sind weder Verlierer noch Sieger. Sie waren vorher Opposition, ohne die SPD angreifen zu können, und sind es jetzt wieder, ohne nennenswerte Stimmzuwächse, aber wenigstens ohne Verluste. Dabei haben sie im Vergleich zu den anderen „kleinen“ Parteien aber nicht soviel Erfolg und sind unter ihnen sogar der Verlierer, wollten sie doch eigentlich die dritt- und nicht die fünftstärkste Kraft sein. Vielleicht fehlte es (trotz Asse und Gorleben, auf die sich Gabriel gestürzt hat) einfach an schneidenden Themen. Denn erneuerbare Energien werden auch von den großen Parteien als Zukunft gesehen und benötigen keine grüne Unterstützung.
Die Linke hat sich währenddessen in Westdeutschland zumindest stimmenmäßg etabliert, ohne im Osten einzubüßen. Hier hatte ich mir mehr Stimmen erhofft. Nicht, weil ich will dass die Linke in die Regierung kommt (bundesweit sind ja vor allem die anderen vier Parteien offiziellen Angaben zufolge sowieso (noch) nicht bereit dazu), sondern, weil ich nicht wollte, dass es zu einer stabilen Regierung kommt.
Auch die Piraten sind mit zwei Prozent unter meinen Erwartungen, nein, eher Hoffnungen geblieben.
…warum ich das so sehe?
Mein Wunsch wäre idealerweise gewesen, dass es weder für rot-grün, noch schwarz-gelb, noch schwarz-rot gereicht hätte. Die ersten beiden Varianten wären relativ leicht erreichbar gewesen. Die letztere hätte noch mehr Stimmen der Linken benötigt, rot-rot-grün wollte ja keiner haben, also wäre es unter dem Druck, eine Regierung zu finden, zu einer erzwungenen Selbstfindung der Parteien gekommen, mit was sie sich arrangieren können und womit nicht. Wahrscheinlicher wäre ja immerhin noch schwarz-rot gewesen. Da eine Große Koalition dann keine zwei Jahre gehalten hätte (nicht ohne unzumutbare Zugeständnisse von Seiten der SPD), hätte diese in Neuwahlen resultiert, was mittelfristig eben zu einem schnelleren Wandel der Politikwelt geführt hätte. Die SPD im vollkommenen Desaster (vermutlich dann noch tiefer anzusiedeln mangels scharfem Profil und Rezept gegen die Linke) hätte sich wesentlich sicherer und motivierter neu gebähren können/müssen. Vielleicht wäre dann auch was anderes rausgekommen als die Einheitssoße, von der momentan immer so oft geredet wird. Eventuell wäre das Tabu Linkspartei gefallen, was diese endlich dazu gebracht hätte, sich mit ihren ohnehin an der zu erwartenden Opposition ausgerichteten Wahlprogrammen näher an der Realität und an der Regierbarkeit zu orientieren. Es wäre dann endlich ein Fünfparteiensystem und kein vier-aus-fünf-Parteien-Improvisorium.
Ein Erfolg für die Piratenpartei hätte auch den anderen Parteien ein deutlicheres Zeichen gegen die Zensur- und Überwachungsansätze der momentanen Regierung gesetzt. Doch dazu kam es leider nicht. Lediglich Gysi merkte in dem Zusammenhang schon im vorraus selbstkritisch an, dass die fünf bewährten Parteien ja irgendwas falsch gemacht haben müssen, wenn sich die Piratenpartei in so kurzer Zeit so populär ausbilden kann. Dass man von FDP, Grünen und Linken dann die (davor eventuell schon vorhandenen) Inhalte gegen Überwachung etc. stärker betont, weil man meint, dann den Piraten Nährboden und Wähler zu entziehen, kann dennoch ein positives Ergebnis bringen, wenn diese Inhalte denn dann auch umgesetzt werden. Hier hilft nur hoffen und im Zweifelsfall auf die Straße gehen, wenn die Hoffnungen nicht erfüllt werden! (Die FDP ist nun drin, messt sie an ihren Ankündigungen, die sich nicht durch „gewandelte Umstände“ als zu verändern nötig rechtfertigen lassen!)
Allgemein muss ich auch noch mal für Gysi eine Lanze brechen. Mag sein, dass ich seiner Rhetorik verfallen bin. Ansonsten muss ich aber auch von mir behaupten, dass ich die meisten Standpunkte stützenswert finde, gerade was Bildung und Mindestlohn angeht. Wer diese Punkte in der von der Linken vorgeschlagenen Weise nicht nachvollziehen kann, sollte sich beispielsweise mal das Video vom ZDF ansehen, dass mit Gysi als Gesprächspartner bei youtube zu finden ist (ebenso von den anderen Parteien unter „erst fragen dann wählen“ in der Suchmaske). Pauschale „Reichtum besteuern, Reichtum für alle!“-Lächerlichkeitsargumentationen reichen da nicht aus. Da haben sich andere Parteien auch schon ganz andere Schnitzer geleistet (sei es das „Alles was Spaß macht“-Plakat der SPD oder Auswüchse der Jungen Union in Norddeutschland, wie es in Satiremagazinen schon abgehandelt worden ist), aus denen man dennoch keine Rückschlüsse über die Wertigkeit ihrer Gesamtkonzepte schließen kann.
Mäßigend muss ich auch erwähnen, dass ich nicht der Meinung bin, dass „Die Linke“ dauerhaft diffamiert gehört. Es sind sicherlich in den älteren Jahrgängen Alt-SEDler dabei. Vermutlich gibt es auch welche, die sich die DDR zurückwünschen, genau wie es auch Rechtsextreme in der CDU geben wird. Aber viele sind mittlerweile auch aus dem linken Flügel der SPD angekommen. Und auch die Finanzierungsargumente bewegen sich auf einem ähnlich hohen Realitätslevel wie es bei FDP, CDU und co. in der momentanen Lage der Fall ist (wer davon ausgeht, dass er durch Steuersenkungen entgehende 50 Milliarden Euro durch das Wirtschaftswachstum wieder reinholt, wozu man ärgerlicherweise jedes Jahr mehr als 7% Wirtschaftswachstum braucht, soll mal nicht mit dem Finger auf die Linke zeigen).
…kleines Statement noch zu den „dort regiert CSU, die Arbeitslosigkeit ist gering“- bzw. „dort regiert rot-rot, die Arbeitslosigkeit ist hoch“-Begründungen über die Fähigkeit einzelner Parteien. Wähle ich FDP weil ich reich sein will oder wähle ich es, weil ich es bin? Ursache-Wirkung-Betrachtungen würden mancher Weltanschauung eine wünschenswerte Perspektivenerweiterung verschaffen.
Wie gesagt… ich hoffe, dass sich die SPD nun zu einer Regierungsbereicherung entwickeln kann. Ich wünsche es der FDP und der CDU, dass sie die Krise meistern und ich bete, dass das alles ohne ■■■■■■ am Wähler von Statten gehen wird (und Ankündigungen entsprechend eingehalten werden).
Achja… experimentellerweise gab ich dieses Jahr meine Stimmen der Piratenpartei, weil sie die meines Erachtens nach am Nötigsten hatten, unter den Parteien, die meine Sympathie genießen.
So, das soll erstmal reichen. Schönen Tag noch!
Poppstar
PS.:lol, Vorschau sei Dank habe ich eben entdeckt, dass das Wort „B e t r u g“ automatisch vom Forum in „B-Wort“ umgewandelt wird. Nette Idee als Prävention von Klagestürmen aufgrund eines unbeherrschten Users. In diesem Fall hätte man es aber so stehen lassen können… wie wäre es mit einer kontextbasierten Filternotwendigkeitsabfrage??? Wir haben doch soviele IT-Spezialisten als Nutzer hier im Forum. :smt002