Diskussion über den Blog-Artikel: Zurück aus Köln
So, heute fand sie nun statt, die Berufungsverhandlung zur Mülltonnen-Version unseres „Scheiß RTL“-Shirts. Ich bin natürlich nicht gerade mit großen Erwartungen zum Oberlandesgericht Köln gereist, denn ich fürchtete, dass wir dort genauso abgefertigt werden wie vorm Landgericht. Doch so war es dann nicht: Auch wenn wir letztendlich die Freigabe des Shirts nicht erreicht haben, hat der Richter uns dennoch in manchen Punkten zugestimmt – und das allein war die Sache schon wert.
Nun kann man zu Recht sagen: Was nützen warme Worte des Richters, wenn man am Ende nicht erfolgreich ist? Das mag sein, aber immerhin kann niemand mehr behaupten, wir hätten mit unserer Rechtsauffassung komplett daneben gelegen. Der Richter betonte mehrmals, dass es unterm Strich eine Frage der Abwägung ist. Will sagen: Irgendwie haben beide Seiten gute Argumente, die es zu bewerten gilt – und unserer Seite gestand er unter anderem zu, sich durchaus mit Recht auf die Meinungs- und Kunstfreiheit berufen zu können. Allerdings sei allein durch unsere Verballhornung nicht klar geworden, warum RTL nun scheiße sein soll. Ich erwiderte dann, dass ich bei einer verkürzten Logo-Parodie auf einem T-Shirt gar nicht derart ins Detail gehen kann – was auch wiederum vom Richter als Argument anerkannt wurde. Letztendlich kann ich sagen, dass er uns immer wieder zustimmte, aber bei Abwägung dann trotzdem bei einer Sache bleiben wollte: „Scheiß RTL“ sei zu substanzlos, es sei ein zu heftiger “Rundumschlag”.
Die Gegenseite, diesmal war neben dem Anwalt auch ein Justiziar von RTL dabei, hatte somit mehr vorzutragen als damals vorm Landgericht. Der Anwalt argumentierte, es wäre sozusagen ein Freifahrtschein für eine „Beleidigungskultur“, wenn ein solches T-Shirt erlaubt sein. Das ist interessant: Aus meiner Sicht spitzte sich die Argumentation immer mehr auf das Wort „scheiß“ zu. Das ist durchaus neu, denn die Gegenseite hatte auch generell die markenmäßige Benutzung des RTL-Logos immer wieder vorgetragen – allein damit wäre sie jedoch wohl vor dem OLG Köln diesmal gescheitert. Denn der Richter wies daraufhin, dass wir mit einem gleichwertigen T-Shirt, auf dem „Kein RTL“ gestanden hätte, durchaus erfolgreicher gewesen wären. Als Einladung, solche T-Shirts nun auf den Markt zu bringen, darf man das freilich nicht verstehen, denn würde man so handeln und RTL erneut auch dagegen vorgehen, hätte man womöglich wieder einen anderen Richter, der da wieder eine andere Auffassung vertreten würde.
Es war nun der Punkt gekommen, an dem eine Lösung her musste. Der Richter wies darauf hin, dass für uns unter Abwägung aller Pro- und Contra-Argumente eine erfolgreiche Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln trotzdem nicht in Aussicht stehe. Ebenso machte er aber der RTL-Seite deutlich, dass von deren Argumenten nicht alle vom Gericht geteilt würden. Sein Vorschlag: Wir ziehen die Berufung zurück, dafür zahlt RTL seinen Anwalt für diese Instanz selbst (ein Betrag von etwa 4200 Euro). Die Gerichtskosten trage zwar ich – dadurch, dass kein Urteil gefällt wurde, wird es für mich aber um 50% billiger: Statt 4200 Euro Gerichtskosten werden für mich nur 2100 Euro Gerichtskosten fällig. Ich habe also 6400 Euro gespart – gegenüber dem Weg, dass ich es hätte drauf ankommen lassen, welches Urteil das Gericht spricht. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich verliere, war nun mal sehr hoch. Der Richter kündigte es mir ja sogar an, nachdem er sich mit den beiden anderen Richtern zwischendurch zu einer Beratung zurückgezogen hatte.
Ein substanzieller Punkt wäre das Argument gewesen, nach dieser verlorenen Instanz den Gang zum Bundesgerichtshof anzutreten. Doch dies wäre gar nicht so leicht geworden, denn der Richter betonte, dass er eine Revision ausschließe. Das ist bemerkenswert: Die Instanz, die selbst das Urteil spricht, kann auch bestimmen, ob sie eine Revision dagegen zulässt. Das konnte ich gar nicht glauben – ist aber so. Wir hätten also den Bundesgerichtshof überzeugen müssen, sich trotzdem der Sache anzunehmen. Das nennt sich „Nichtzulassungsbeschwerde“ und kostet extra. Und selbst, wenn wir dann tatsächlich es doch noch vor den Bundesgerichtshof geschafft hätten, wären wir endgültig auf dem Roulette-Tisch angekommen: All-In! Rot oder schwarz! Verliert man, wird es nochmal richtig teuer (BGH kostet ein weiteres Drittel mehr als OLG, also Kosten von gut 18.000 Euro). Gewinnt man allerdings, bekommt man das gesamte gezahlte Geld aller Instanzen zurück (und RTL müsste alles zahlen) und das T-Shirt dürfte wieder in den Verkauf. Ein reizvoller Gedanke – aber unter dem Gesichtspunkt, dass inzwischen die Spendenbereitschaft der Community spürbar nachlässt (was ich absolut nachvollziehen kann), ist mir dieses Risiko einfach zu hoch. Und wie gesagt: Womöglich wären wir eh nie bis zum Bundesgerichtshof gekommen.
Was bleibt, sind ein letztes Mal Kosten für mich. Ich muss jetzt nachträglich noch die erste Instanz für das Mülltonnen-Shirt zahlen und die zweite Instanz eben nur zum Teil. Die Gesamtsumme liegt bei etwa 11.000 Euro. Ergo: Wenn wir die Spendenuhr auf der Startseite in einem letzten Kraftakt noch voll kriegen, ist die Angelegenheit geritzt. Ich werde mir noch eine besondere Aktion überlegen, um es für die Spenderinnen und Spender ein wenig attraktiver zu machen – dazu gibt’s dann demnächst mehr Infos. Wer also jetzt spenden will, möge zunächst noch warten - denn die Aktion gilt nur für Spenderinnen und Spender ab Tag X. Rückwirkend kann ich das nicht machen.
Ich denke, dass es trotz allem wert war, sich zu wehren und vor Gericht um die Sache zu streiten. Dass das Oberlandesgericht uns zumindest zum Teil folgte, empfinde ich ebenso als kleine Genugtuung wie die Tatsache, dass RTL seinem Anwalt 4200 Euro selbst überweisen muss. Das ist immerhin das Budget für eine ganze Woche „Familien im Brennpunkt“… oder so.