Warum wir keine deutschen Serien sehen wollen

Die WELT hat heute einen sehr interessanten Artikel darüber gebracht, warum “Deutschland 83” kein Erfolg ist, obwohl es aufwändig produziert wurde:

Einerseits finde ich das zwar etwas einseitig, denn Deutschland 83 ist doch vor allem ein Exportschlager. Solange die Kohle irgendwie reinkommt, kann man das schon als Erfolg bezeichnen. Nur eben nicht hierzulande.

Warum generell keine deutschen Serien geschaut werden, hat für mich einen Hauptgrund - unsere Produktionen wirken oft irgendwie steif.

  • Kalte Farben (da wird wenig bis selten nachbearbeitet)
  • Schauspieler die ihre Personen nicht überzeugend rüberbringen können
  • zuviel Schema F (man schaue nur mal abends ZDF - da läuft immer ein Film mit nem Typen, der sich mit seiner Frau streitet und am Ende lieben sie sich doch - LAME)
  • Rentnerhumor
  • selten Action - für Liebhaber langsamer Landschaftskamerafahrten ist das zwar was, die sterben allerdings so langsam weg

Was haltet ihr davon?

Also ich empfinde es gegenteilig. Mit dem zeug aus Amiland kann ich (fast) nichts mehr anfangen und wenn dann begeistern mich deutsche Produktionen, wie Ijon Tichy, Mord mit Aussicht, Tatortreiniger und so mancher Tatort… aber bin vor kurzem auch 30 geworden. . Vllt liegts daran :stuck_out_tongue:

Den Tatortreiniger schaue ich auch sehr gerne, aber der hebt sich ja doch von den anderen Alltagsproduktionen ab.

Was ich z.B. gar nicht verstehe, ist, dass wir so viele Polizeiserien haben müssen. Küstenwache, SOKO Köln, Leipzig, Wismar, … :roll:

…und selbst die Skandinavier und Briten es besser können.

Das stimmt. Unsere Serien schaffen es auch nicht wirklich, zu schockieren.

Eine meiner Lieblings-Polizeiserien, 19-2, hat die letzte Staffel damit begonnen, eine Schulschießerei in Frankreich nachzustellen und 15min ohne Schnitt durchzufilmen. Das war hart, das war kontrovers - und mitten am Zeitgeist.

Deutsche Produktionen wirken da sehr altbacken. Da gibt’s immer den Hacker der alles kann wenn er den Bildschirm nur schief anguckt und der Zuschauer wird mit Samthandschuhen angefasst - bloß nicht zu brutal, damit Oppa Heinz keinen Herzkasper kriegt :mrgreen:

Was mich vor allem an deutschen Produktionen stört, ist das Bild.
Keine Ahnung, ob die Amis einen Filter benutzen oder jedes Bild einzeln nachbearbeiten, aber bei denen sieht
alles nach Kino oder Film aus, während man bei dt. Produktionen das Gefühl hat, man hätte ein Amateurvideo gemacht.

Wie gesagt; ich bin technisch, was das betrifft, eine Null und kann nicht artikulieren, woran es liegt.
Ich hoffe, man versteht es einigermaßen.

Kurzes OT zum Film:

[SPOILER]Es gibt dennoch großartige dt. Filme, die oft sehr kontrovers sind.
[B]Der freie Wille[/B] oder [B]Die Welle[/B], wenn man jetzt speziell an Jürgen Vogel denkt.
Auch gefällt mir [B]Herr Lehmann[/B] oder [B]Sophie Scholl[/B] sehr.
[B]Die fetten Jahre sind vorbei[/B] ist ebenfalls eine nette Unterhaltung.
Bei [B]Free Rainer[/B] bin ich zwiegespalten. Erzähltechnisch eine Katastrophe, aber irgendwie liebe ich den Film für seine naive Utopie dennoch.

Von Klassikern wie “Metropolis” ganz zu schweigen.[/SPOILER]

Deutsche Serien wirken hingegen irgendwie amateurhaft. Klar, man schaut sich viel bei den Amerikanern ab, hängt aber immer hinterher. Oft wirken Serien zu hölzern, zu gewollt. Ich weiß auch nicht.

Ja, das Bild wird selten nachbearbeitet. Das machen die Amerikaner anders, sie erzeugen einfach bessere Stimmungen, indem sie z.B. eine Mordszene in einem Schlachthaus schön in kaltes Blau tauchen oder Walter White in der Wüste in knalliges Gelb.

Auch die Setausleuchtung ist bei uns noch wie in den 80ern. Irgendwann hat man in den USA angefangen, relativ langweilige Sets mit bunter Beleuchtung auszustatten und somit viel Action im Bild zu erzeugen. Zur Jahrtausendwende hat CSI: Vegas dieses Stilmittel dann sehr extrem genutzt und alle anderen sind nachgezogen.

Warum wir das nicht machen? Keine Ahnung.

[QUOTE=DeeperSight;433864]Deutsche Serien wirken hingegen irgendwie amateurhaft. Klar, man schaut sich viel bei den Amerikanern ab, hängt aber immer hinterher. Oft wirken Serien zu hölzern, zu gewollt. Ich weiß auch nicht.[/QUOTE]

Ich denke das liegt daran, dass deutsche Filmemacher zwanghaft überall Humor reinbringen müssen. Leider ist der typisch deutsche Humor nicht lustig und wirkt in einem ernsten Film sehr deplatziert.

[QUOTE=schmatzler;433861]
Was ich z.B. gar nicht verstehe, ist, dass wir so viele Polizeiserien haben müssen. Küstenwache, SOKO Köln, Leipzig, Wismar, … [/QUOTE]

Das ist nicht schwer zu verstehen. Polizisten sind die Marvel-Helden der 50+ Generation.

[QUOTE=schmatzler;433867]Leider ist der typisch deutsche Humor nicht lustig und wirkt in einem ernsten Film sehr deplatziert. [/QUOTE]

Das kann gut sein. Bei den Deutschen wirkt das immer wie ein Holzhammer. Die Amerikaner verstehen sich da etwas feinsinniger. Ist jedenfalls mein Eindruck.

Das liegt aber auch an unserer Sprache. Auf Englisch lässt es sich viel besser fluchen. :mrgreen:

In englischen Serien wird auch sehr viel mit Dialekten gespielt, die wir nicht haben. Stell dir mal vor, in deiner Lieblingsserie wird gesächselt und du sollst das noch ernst nehmen.

Als kurzer Primer für diesen “Filter” den die Amis nutzen: https://vimeo.com/78788547

Das wird im deutschen Raum zwar auch gemacht, aber mehr im korrektiven als im kreativen. (Color Correction vs. Color Grading).

Das andere, was Schmatzler ansprach ist in der Tat “farbiges” Licht für Spitzen und so weiter, das ist wirklich eine Sache die hier fast nie gemacht wird, hat sich einfach nicht eingebürgert.

@JVisual

Vielen Dank! Jetzt hat das für mich auch einen Namen. :slight_smile:
Und ja: Genau das meinte ich.

Die Dialekte im Englischen sind tatsächlich weniger lächerlich für uns.
Wenn alle Stricke reißen, bedient man sich halt bei den Australiern. ^^

Aber es sind nicht nur die Dialekte. Auch Sarkasmus und Ironie sind viel subtiler und wirken dadurch.
Aber selbst wenn es zu Holzhammerhumor (South Park, Family Guy) kommt, habe ich das Gefühl, dass Deutsche da nicht mithalten können, bzw. sich nicht trauen.

Ich kuck eh nur Sitcoms, früher vielleicht mal Tatort mit Schimanski und Stöver (Manfred Krug) aber was soll ich sagen? Die deutschen haben es einfach nicht drauf, nichtmal in der Comedy-Schiene. Als damals eine schreklich nette Familie im deutschen Fernsehen anlief, kam hier der extralahme Abklatsch “Hilfe meine Familie spinnt” mit fast 1 zu 1 übernommenen Dialogen, Schade das sich Lutz Reichert, den ich als Schauspieler schätze für diesen Mist hergegeben hat, der ZDF-Comedyversuch Lerchenberg war in meinen Augen ebenfalls ein tüchtiger Griff ins Klo. Soko 5113 hab ich zu Anfangszeiten mit der Urbesetzung gerne geschaut ebenso Der Fahnder mit Klaus Wennemann, aber die Nachfolger wurden immer farbloser und als dann noch diese Soko-Spinoffs Wismar, Köln, Dingskirchen, usw… kamen, war es entgültig abgeflacht.

Kurzzeitig hab ich mal Verbotene Liebe geschaut als die HollywooderfahreneIsa Jank dort als Clarissa von Anstetten als Ikone der Intrige die perfekte deutsche Antwort zum Denver-Biest Joan Collins abgab, ebenso in Wege zum Glück als hochkriminelle Anabelle Gravenberg/van Weyden, wo sie scheinbar aus vertraglichen Gründen mit einem Sturz von der Brücke ausschied, aber auch die hat sich im TV wieder rar gemacht.

Wenn es nur das wäre - man hat hierzulande auch versucht, „The IT Crowd“ nachzumachen. Das nannte sich „Das iTeam - die Jungs an der Maus“. Der Titel alleine war schon Fremdscham pur, der Inhalt noch schlimmer. Titelmelodie 1zu1 übernommen, Dialoge stumpf und ohne Humor übersetzt:

Dass unsere Sprache subtilen Humor nicht so sehr zulässt wie Englisch, zeigt schon dieser Witz:
„Wieviele Deutsche braucht man um eine Glühbirne auszuwechseln?“ - „Einen. Deutsche sind sehr effektiv und völlig humorlos.“

Nordischer Humor klappt aber anscheinend sehr gut. Die trockenen, kurzen Antworten des Tatortreinigers kommen ja beim Publikum sehr gut an. Ich bin für mehr nordische Serien im TV! :wink:

[QUOTE=schmatzler;433857]Die WELT hat heute einen sehr interessanten Artikel darüber gebracht, warum “Deutschland 83” kein Erfolg ist, obwohl es aufwändig produziert wurde:

Einerseits finde ich das zwar etwas einseitig, denn Deutschland 83 ist doch vor allem ein Exportschlager. Solange die Kohle irgendwie reinkommt, kann man das schon als Erfolg bezeichnen. Nur eben nicht hierzulande.

Warum generell keine deutschen Serien geschaut werden, hat für mich einen Hauptgrund - unsere Produktionen wirken oft irgendwie steif.

  • Kalte Farben (da wird wenig bis selten nachbearbeitet)
  • Schauspieler die ihre Personen nicht überzeugend rüberbringen können
  • zuviel Schema F (man schaue nur mal abends ZDF - da läuft immer ein Film mit nem Typen, der sich mit seiner Frau streitet und am Ende lieben sie sich doch - LAME)
  • Rentnerhumor
  • selten Action - für Liebhaber langsamer Landschaftskamerafahrten ist das zwar was, die sterben allerdings so langsam weg

Was haltet ihr davon?[/QUOTE]

Früher ging es doch auch mit dt. Serien? hochwertige Serien gab es und gibt es immer wieder in Deutschland… nur heute traut man sich offenbar kaum noch was “wegen der Quote”. Vor allem die ÖRs hecheln ja den Privaten fälschlicherweise hinterher…

Ich bin allerdings bekennender Fan von 80er Jahre Serien-In-wie Ausland. Die ganzen neuen Serien aus Amiland erreichen mich daher ebenso nicht.

      • Aktualisiert - - -

[QUOTE=schmatzler;433861]Den Tatortreiniger schaue ich auch sehr gerne, aber der hebt sich ja doch von den anderen Alltagsproduktionen ab.

Was ich z.B. gar nicht verstehe, ist, dass wir so viele Polizeiserien haben müssen. Küstenwache, SOKO Köln, Leipzig, Wismar, … :roll:[/QUOTE]

SOKO ist eigentlich (wenn es die SOKO ist) ein Ableger der Ende der 70er / 80er Jahre Serie SOKO 5113. Von daher darf man hier verzeihen - auch wenn sie sicherlich nicht die Qualität der alten Folgen hat (hier vor allem mit Dieter Krebs).

Bei den dt. Krimi-Serien fallen mir vor allem der Fahnder ein mit Wennemann, für mich DIE beste dt. Krimi-Serie überhaupt (also nur mit Wennemann). Auch der Fahnder wurde verlängert - es ist aber eben wie immer. Erfolgreiche Formate kommen und gehen mit den Darstellern. Nach Wennemann ist der Fahnder quasi gestorben.

Es gibt sicher viele weitere Beispiele, die ihren Ursprung in den 70er / 80ern haben bei den dt. Serien…

Es gab übrigens hochwertige Miniserien wie “Wilder Westen inklusive”. Die muss sich nicht verstecken vor einem internat. Anspruch. Auch viele Miniserien wie die ZDF-Weihnachtsklassiker beweisen, dass Dt. durchaus gute bis sehr gute Serien produzieren kann - wenn sie nur wollen. Nur, will es der dt. Zuschauer noch?

[QUOTE=deRonny;433884]SOKO ist eigentlich (wenn es die SOKO ist) ein Ableger der Ende der 70er / 80er Jahre Serie SOKO 5113. Von daher darf man hier verzeihen - auch wenn sie sicherlich nicht die Qualität der alten Folgen hat (hier vor allem mit Dieter Krebs).[/QUOTE]

Es gibt ja mehrere SOKOs, man hat immer mehr Ableger produziert:

[ul]
[li]SOKO 5113
[/li][li]SOKO Köln
[/li][li]SOKO Wismar
[/li][li]SOKO Stuttgart
[/li][li]SOKO Leipzig
[/li][li]SOKO Donau/SOKO Wien
[/li][li]SOKO Kitzbühel
[/li][li]SOKO Rhein-Main
[/li][/ul]

Die letzte wurde mittlerweile eingestellt, laut Wiki laufen die restlichen alle noch. Da frage ich mich doch, ob den Öffis einfach die Ideen ausgegangen sind. So viele Polizeiserien produzieren ja nichtmal die Amis.

Gute deutsche Actionserien vermisse ich ebenfalls,

Cobra11? Durch die Luft fliegende Autos, viel Zinnober und Null Handlung!

Helicops? Der Airwolf für Arme, saumäßige Special-Effekte im Videogame-Stil, so glaubwürdig wie das Enthaltsamkeitsgelübde eines katholischen Pfarrers!

Der Clown? Sven Martinek als Schmalspur-Bruce Willis!

Von den Tatort-Folgen des Nuschelheimer Minimalmimen Schweiger will ich garnicht erst anfangen!

Wenn sich deutsche Produktionsfirmen an amerikanischen Actionserien vergreifen, kommt meist nur Stumpfsinn dabei raus!

Also ich finde (und da bin ich unter den Fachleuten zum Glück nicht die Einzige ) den CSI style (wackelkamera, hektische schnitte, (sorry aber) furchtbares Grading und überdramaturgisches Schauspiel) echt ermüdend und bin jedes mal abgeschreckt, wenn dt. Produktionen versuchen das zu kopieren. …

Das schlimme ist, dass ich anhand dieses threads sehe, dass euch der nächste Til Schweiger Film begeistern wird :frowning:

Edit: ich glaube was auch noch ein Problem ist, sind die Arbeitsbedingungen, welche gutes Arbeiten nicht zulässt. So wollte man eigentlich „Mord mit Aussicht“ (welche sehr gut ankam) eigentlich verlängern, aber die Schauspieler streikten, bzw. wollten nicht mehr… alles musste gleich beim ersten take sitzen… soweit ich das mal gehört habe. …

Edit edit: „Danny Lowinski“ und „der letzte Bulle“ hab ich vergessen! Besonders ersteres war echt gut…

Silas, Jack Holborn, Wilder Westen inclusive oder Clara (ebenfalls mit Katja Studt) waren noch einige Lichtblicke, die aber nur als Weihnachtsserien liefen (ausser WWI).

„Danny Lowinski“ und „der letzte Bulle“ hab ich vergessen! Besonders ersteres war echt gut…

UFF, und ich dachte du wolltest jetzt mit dem bayrischen Knödelfriedhof „Der Bulle von Tölz“ kommen, das war auch ein NoGo!

Im eingangs verlinkten Artikel wird meiner Meinung schon das Hauptproblem angesprochen:

Eine mögliche Erklärung des Misserfolgs von „Deutschland 83“ und anderen Hochglanzproduktionen ist die Erwartungshaltung des Publikums. Also: Sind vor allem die Privatsender überhaupt noch die Kanäle, auf denen „der Zuschauer“ solche Stoffe erwartet? Angesichts der mauen Zahlen ist man geneigt, die Frage zu verneinen.

Im Ernst, wer erwartet zum Beispiel bei Sat1 eine gute anspruchsvolle Eigenproduktion? Die Wahrscheinlichkeit gerade mal die guten (und teuren) Sendungen zu erzappen ist nun mal sehr gering wenn man um den jeweiligen Sender sonst schlichtweg einen Bogen macht.

Von Deutschland 83 hab ich die erste (oder die ersten beiden? weiß ich schon gar nicht mehr) Folgen gesehen. Und das war es dann auch. Den angeblichen Hype kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.