Von der Kapitalisierung der Pflege

Es ist 5:12. Eigentlich sollte ich um diese Uhrzeit im Bett liegen und schlafen. Doch ich kann nicht. Zu sehr wühlen mich Gedanken auf, die mich seit gestern Abend plagen. So sehr, dass ich entspannende Musik hören muss um mich zu beruhigen – so sehr regt mich das auf, was ich gestern Abend lesen musste. Worum geht’s? Ich bin über den Blog http://pflegenot2014.wordpress.com durch einen Freund aufmerksam gemacht worden. Es ist eine Plattform in der Menschen aus den Pflegeberufen, also Altenpfleger oder Krankenschwestern, ihre Meinungen und Gedanken aufschreiben. Dort schreiben Menschen, die in Intensivstationen ihren Dienst verrichten und teilen ihre Gedanken. Ihre Empfindungen. Ihre Wut. Dass es in diesem Beruf stressig ist, das wusste ich. Dass Krankenhäuser, mittlerweile häufig betrieben durch Aktiengesellschaften, beim Personal sparen wusste ich auch. Aber ich bin ehrlich: ich habe mir nie Gedanken gemacht. Nie Gedanken über diese Folgen gemacht. Ich bin halbwegs fit und gesund und bin nicht aufs Krankenhaus angewiesen, war da noch nie Patient. Toi toi toi. Aber es kann mich jederzeit treffen. Morgen ein schwerer Unfall und ich könnte auf der Intensivstation liegen. Oder was ist, wenn ich doch mal in Zukunft starke gesundheitliche Probleme bekomme? Dann bin ich auf eine gute Pflege angewiesen. Das ist jeder von uns. Das sind wir alle. Und doch: haben wir uns einmal Gedanken gemacht welche Bedingungen die Menschen, die da arbeiten, ertragen müssen?

Ich habe exemplarisch einige Beiträge ausgesucht, die mich ganz besonders nachdenklich gemacht haben:


Ein älterer offener Brief an das System. Wahrscheinlich von der Initiatorin des Blogs verfasst. Darin beschreibt sie die Klischees, die Krankenschwesternausgesetzt sind: trinken Kaffee und schauen mal eben nach Patienten. Und stellt gegenüber aus was der Beruf mittlerweile wirklich besteht. Dass Krankenschwestern mittlerweile schon halbe Ärztinnen sind. Und unterbesetzt. Und unterbezahlt.


Hier beschreibt eine Fachkraft, dass der Job den Freundeskreis kostet. „Ich habe keinen Freundeskreis mehr. Ich kann die Menschen, die mir wichtig sind, an einer Hand abzählen. Zwei von ihnen arbeiten ebenfalls im Schichtdienst und manchmal hört man über einen Monat nichts voneinander. Nicht, weil man privat soviel um die Ohren hat, sondern weil es kein “privat” gibt und man zwischen den Diensten, zwischen den Nachtschichten und den Spätschichten, versucht einzukaufen, Vorsorgeuntersuchungen bei Ärzten wahrzunehmen oder Behördengänge zu erledigen. Und in der restlichen Zeit? In der restlichen Zeitschläft man. Man schläft, weil man kein Biorythmus hat, weil man Kraft für den nächsten Schicksalsschlag einer fremden, hilflosen Person braucht, weil das Hochziehen eines 140- Kilo Menschens, der absolut keine Eigenbewegung besitzt,wie ein Muskeltraining an den physischen Kräften zerrt.“ Von diesen Gedanken gibt es einige im Blog. Erschütternd, nicht wahr?


Hier beschreibt eine Krankenschwester wie sie beinahe zur Alkoholikerin wurde, weil sie das erlebte auf Arbeit nicht verarbeiten konnte, mit niemanden reden konnte.


Dieser Post hat mich mit am meisten erschüttert. Eine Schwester aus England erzählt über ihre Erfahrungen dort. Es zeigt auf traurige Weise auf was passiert, wenn so eine Station unterbesetzt ist. Und wenn dann einem noch die Kollegin Vorwürfe macht, während man umgeben von u.a. Demenzkranken ist. Dann bricht auch die stärkste Schwester zusammen.


Hier geht es um das Thema Fixierungen. Wie jemand eine Intensivstation mit 30-40 Patienten, mit oft zu 50% und mehr Pflegebedürftigen, in der Nachtschicht alleine betreuen muss. Und dass es nur geht, wenn man Patienten zur Bewegungsunfähigkeit fixiert. Es geht um die Schäden, die das eigentlich bewirkt. „Erschreckend ist, wie sich diese Patienten in den Gurtenverändern, wie schnell sie innerhalb von Tagen abbauen und dem Tode entgegen zurennen scheinen.“ Und dass die Kollegen wohl nicht alle so kritisch sind: „Erschreckend auch, wie wenige von uns in einer Fixierung ein Problem sehen. Wie wenige von uns wissen, dass sie sich regelmäßig strafbar machen. Das sie dem Patientenschaden, kein Leid abwenden, sondern viel größeres hervor rufen.“


Hier geht es um den Anspruch der Patienten und deren Angehörigkeit und der Realität. Dass ein vermeidlicher Arzt in Wahrheit nur Assistenzarzt mit wenig Erfahrung ist. Auch von zwei Schwestern ist nur eine wirklich erfahren und qualifiziert für die Arbeit in einer Intensivstation. Wohlgemerkt, Intensivstation! Also wo es um Leben und Tod der Patienten geht!


Und hier noch ein sehr berührender Text wie eine Schwesterversucht vielen Patienten gerecht zu werden. Weil Stationen mittlerweileständig unterbesetzt sind.


Wenn man all das liest, kommt man doch auf die Idee „sollen sie streiken“ – aber wer kümmert sich DANN um die Patienten? Und seien wir ehrlich: würden Medien wirklich wohlwollend darüber berichten? Wir erinnern uns: das Bild einer Krankenschwester und der Pflegeberufe allgemein ist einkomplett anderes, als die Realität zeigt. Wie viel Verständnis hätte also die Gesellschaft bei solch einem Streik?

In allen Berichten wird eines immer wieder deutlich: die WUT über die Tatsache, dass Krankenhäuser Profite maximieren wollen und so als erstes bei den Stellen einsparen. Gleichzeitig wird von allen Seiten erwartet, dass die Pflegequalität gleichzubleiben hat.

Und genau das macht mich wütend. Es zeigt was passiert, wenn man etwas elementar Wichtiges wie Gesundheit privatisiert. Wenn alles kalt zusammengestrichen wird und nur noch das über bleibt, damit ein Krankenhaus „gerade noch so funktioniert“. Und das vor allem auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es macht mich wütend und ich bin aufgewühlt. Ich muss mich immer wieder zwingen, dass diese Blogpostings nicht irgendwelche Zustände in Afrika oder Indien beschreiben, sondern hier in Deutschland – eines der reichsten Länder der Welt, welches aber meinte die Gesundheit privatisieren zu müssen. Das sind die Folgen. Und bestätigt mich in meiner Analyse, dass der Kapitalismus menschenunwürdig ist und gegen ein solidarisches und faires Miteinander steht. Wachstum und Profit passen nun mal nicht mit Pflege und Gesundheit zusammen. Und Menschen die in der Pflege arbeiten sind keine Roboter!

Ich bin traurig. Wie lang soll es noch so weitergehen?

Das ist glaub ich alles kein Geheimnis, es wird nur lieber runtergeredet, weil 1) die Konfrontation mit dem Thema automatisch Konfrontation mit Leid (und auch potentiell eigenem Leid) bedeutet und das spielen Menschen nunmal lieber runter 2) der Markt ja sowieso alles regelt, was jammern die also rum und 3) allgemein mangelnder Respekt für Pflegekräfte, weil jemand der soviel Arbeit für so wenig Geld verrichtet muss ja einen an der Macke haben. Das findet meistens alles im Subtext statt, offiziell haben natürlich alle großen Respekt vor Pflegekräften.

Aber was haben die Regierungen getan? Die FDP hat 4 Jahre lang so gut nichts getan, außer die Tropfen-auf-dem-heißen-Stein Reform von Daniel Bahr. Die Pflegeversichung muss drastisch steigen und der Pflegeberuf aufgewertet werden, dass mehr bezahlt werden wird und mehr Menschen wieder bereit sind, diesen Beruf auszuüben.

Also ich persönlich finde, der Markt hat in diesem Sektor total versagt

Man hätte das alles garnicht erst “dem Markt” überlassen sollen. Ging doch auch jahrzehntelang in staatlicher Hand!

Wir sollten dann gar nicht über AMEOS reden, das Psychiatrie auf McDonalds-Niveau gebracht hat

[QUOTE=Nakkinak;340436]
Also ich persönlich finde, der Markt hat in diesem Sektor total versagt[/QUOTE]

Hier wird also ein Politisches versagen dazu genutzt alles dem Markt in die Schuhe zu schieben. Liegt es nicht vielleicht eher daran, das seit Jahrzehnten So gut wie Jedes Jahr eine Gesundheitsreform gemacht wird, die natürlich alles besser machen soll( warum hat man das nicht schon früher besser gemacht frage ich mich da), und es in Wirklichkeit immer schlechter gemacht wurde?

Also es gibt mehrere Probleme:

  1. Gesundheit von Bürgern ist eine Gesamtgesellschaftliche Aufgabe, da Krankheit von Bürgern der gesamten Gesellschaft schaden zufügt (etwas das in Amerika zum Beispiel bis jetzt noch nicht verstanden wurde).
    [SPOILER]Wenn es zur Versorgung eines Dorfes nur einen Bauern gäbe, und der wird krank, muss das ganze Dorf Hungern[/SPOILER]
  2. Gesundheit ist zugleich eine Sache, wo die Verhandlungsmacht automatisch zunächst mal auf der Seite des Arztes/Krankenhauses liegt (ich meine dabei noch nicht die Verhandlungsmacht bei Lohnverhandlungen, sondern ganz konkret bei der Verhandlung mit einem Patienten über dessen Behandlung). Denn der Patient hat ja keine Möglichkeit der Behandlung zu entgehen (es gibt keine annehmbaren alternativen, denn der ist ja schon Krank) und der Patient hat in der Regel nicht genug wissen über die Krankheit/Behandlung und andere Ärzte, um damit argumentieren zu können, den Arzt zu wechseln.

Aus diesen beiden Gründen, hat man in Deutschland eine Solidarische Kranken/Pflege Versicherung auf Basis eines Gesetzes geschaffen. Da die Krankenkasse (ich sehe hier alle GKV als eine einzige Kasse an) entsprechend viele versicherte hat, ist dadurch die Verhandlungsmacht etwas mehr zu den Patienten gewandert. Das Marktversagen war erst mal abgewendet, und so hat das auch jahrzehntelang funktioniert.

Jetzt gab es aber einige Gesellschaftliche Entwicklungen, die das ganze durcheinander gebracht haben.

  1. Neue Medizinische Technologien haben Behandlungen Teurer gemacht. Zwar hat man dadurch auch viel verbessern können, aber die Kosten bleiben, und müssen von irgendwem bezahlt werden. (es gibt nicht einen Magnetresonanztomografen, der sich wirtschaftlich trägt)
  2. Die Zahl der Rentner steigt, und damit auch die Zahl derjenigen, die Leistungen aus der GKV beziehen. Denn es liegt in der Natur des Menschen mit zunehmendem alter anfälliger für Krankheiten zu werden.
  3. Die GKV selber sind zu einem Gigantischen Verwaltungsapparat geworden, der teilweise nur für sich selbst arbeitet. Die Ärzte müssen einen Großteil ihrer Arbeitszeit auf Abrechnungen und ähnliches verwenden, obwohl sie doch eigentlich zum Behandeln ausgebildet wurden, und nicht zum Verwalten. (ganz ohne geht es natürlich nicht, denn sonst wäre da die Gefahr des Missbrauchs von Versicherungsleistungen)

Dadurch steigen die Kosten der Versicherungen an, ohne, dass das Personal davon etwas hätte.

Dazu kommt dann noch, das viele Kommunen(die Krankenhäuser betrieben haben) um Kosten zu sparen, und die angespannte Finanzlage zu entschärfen Krankenhäuser verkauft haben. (hier liegt die Ursache also in der Kommunal Finanzierung der Länder)

Dann hat man Seit ende der Neunzigerjahre die Lohnnebenkosten als Hauptgrund für Arbeitslosigkeit in Deutschland gehalten. Die Politik wollte deswegen diese Kosten Drücken. (Heute weiß man dass andere Gründe viel entscheidender waren).

Also fasse ich nochmal zusammen: Steigende Kosten, Weniger einnahmen. (wer glaubt dass das lange gut gehen kann?)

Dementsprechend haben sich die Privaten Klinikbetreiber so verhalten, wie es zu erwarten war. Sie haben die Kosten gesenkt wo sie nur konnten, um wenigstens kleine Gewinnspannen zu haben. (wer hätte denn schon ahnen können das die nichts zu verschenken haben). Im Selben Moment sah der Arbeitsmarkt sehr schlecht aus, so dass die vom Pflegepersonal alles verlangen konnten (die hatten nämlich angst Arbeitslos zu werden). Deswegen gibt es jetzt Lange schichten, und schlechte Bezahlung

Deswegen habe ich folgende Lösungsvorschläge erarbeitet:
[ol]
[li]Stärkere Begrenzung der Arbeitszeiten von Pflegepersonal durch ein Gesetz zwingt die Kliniken Mehr einzustellen, und damit auch mehr zu zahlen
[/li][li]Ausmisten bei der GKV. Die Eigenkosten müssen runter
[/li][li]Querfinanzierung (Normalerweise würde ich davon abraten das Gesundheitssystem auf diese weise zu stützen, aber in den Nächsten 20 Jahren wird es eine Spitze geben (danach wird das wieder besser) wo die Kosten nochmal enorm ansteigen werden. Das kann auf keinen Fall durch den Beitrag Finanziert werden
[/li][li]Polikliniken. In der DDR war das Üblich, das Ärzte verschiedenster Fachrichtungen unter einem Dach waren, mit gemeinsamer Verwaltung. Das hat den Vorteil, das Patienten nicht lange warten müssen (man schickt den Patienten für eine Untersuchung einfach eben runter oder rauf), Die Ärzte konzentrieren sich auf das Arzt sein, während die Verwaltung von Verwaltungsmitarbeitern übernommen wird. Das spart kosten, Zeit und Nerven.
[/li][li]Abschaffung des NC beim Medizinstudium wenn man sich verpflichtet seinen Facharzt in bestimmten Bereichen zu machen, die relativ selten sind, oder Landarzt zu werden. (denn mir ist ein Arzt lieber, der ein Abi von 4,0 aber ein Examen von 1,0 hat, als einer der ein Abi von 1,0 und ein Examen von 4,0 hat) Was den Vorteil hätte, das man die Versorgung mit Seltenen Ärzten verbessert, und dadurch die Ärzte die da sind entlastet, und Kosten senken kann, ohne den Patienten zu schaden
[/li][/ol]

[QUOTE=Icetwo;340441]Hier wird also ein Politisches versagen dazu genutzt alles dem Markt in die Schuhe zu schieben.[/QUOTE]

Wobei ich hier mal festhalten möchte, dass die Politik in den letzten 10 Jahren nicht ansatzweise so deutlich versagt hat, wie der Markt. Denn der Markt hat uns so ziemlich jeden Scheiß eingebrockt, auch wenn er das versucht wie ein kleines Mädchen mit “aba, aba, aba die anderen ham ja auch un’ so!” zu leugnen.

Egal wo, Privatisierung und Abgabe an freie Hände hat bisher nur zur Verwahrlosung und Ausbeutung geführt.
Der Staat hat lediglich auf niedrigem Niveau gewirtschaftet.

Man könnte eigentlich alles bei den Amerikanern lernen wie man es [U]nicht[/U] macht, aber auch in Deutschland scheint ein gewisser Lobbyismus tumorartig zu wuchern, die Zeche zahlen am Ende immer die Ärmsten

Als ob es in Krankenhäusern in Staatlicher oder Kirchlicher Hand ansatzweiße besser wäre…

Zumindest bei “too big to fail” hat der Markt nicht versagt, sondern erstaunliches geleistet. Zugunsten einer handvoll Leute natürlich, aber dennoch; so was muss man sich erst einmal trauen, durchziehen und dann dazu auch noch öffentlich stehen!
Und kastriert wurden sie dennoch nicht. Ich kann jeden Egomanen verstehen, der auf die Ärmsten der Armen zynisch nieder schaut. Denen kann man auch erzählen, dass der Staat ineffizient ist und dass der Markt das schon regeln wird, wenn man ihm nur komplette Freiheit gewährt.

Hey, Bullen! Ich gründe morgen eine Mafia und schaffe Arbeitsplätze!
Alles was ich brauche ist Immunität. Denkt an die Arbeitsplätze! Arbeitsplätze!!

[post=340463]@Darkcloud[/post]

Beispiel USA:

Blinddarmoperation $55.000. Eigenbeteiligung in der Regel 100%.
In Deutschland 2.000€. Eigenbeteiligung etwas um 0%.

Der Markt wird’s schon regeln.

Da müsste einfach viel mehr Geld reingesteckt werden und das geht auch ohne eine Erhöhung der Pflegeversicherung.

Der Verteidigungshaushalt 2013 ist z.B. fast 3x so hoch wie der Gesundheitsetat (33,3 Mrd. gegenüber 12 Mrd). Trotzdem kann ich mich nicht an eine Panzerversicherung auf meiner Lohnabrechnung erinnern…

Da ich kurzzeitig in einem Altenheim beschäftigt war, kenne ich die Situation aus erster Hand. Das ganze Problem liegt nicht am Geld, sondern an der Politik und ihren Verordnungen, Anmerkungen zu den Verordnungen und Ergänzungen zum Anmerkungsprotokoll. Fast zwei Stunden täglich waren wir allein mit Bürokratie beschäftigt, denn die Kassen und zuständigen Träger wollten jede Kleinigkeit notiert und überwacht wissen. Da kam der Patient schon mal menschlich zu kurz. Ich hab dann persönlich für mich entschieden, dass ich diesen Beruf nicht weiter ausüben möchte. Zwar waren wir ein vorbildlich ausgestattetes, privates Heim, aber da für jede Etage nur 3 Pflegerinnen und Pfleger eingeteilt waren (wovon oft eine/einer krank war) war das irgendwann nur noch Fließbandarbeit, in der man bestenfalls noch mechanisch funktionieren konnte.

Die psychische Belastung für die Pfleger kommt dann noch dazu, denn auch der liebste Mensch bricht irgendwann zusammen, wenn er täglich Menschen sieht, die ihm in Tränen aufgelöst von ihren Tätigkeiten im Krieg erzählen. Beispielsweise hatte ich eine Omi zu betreuen, die mir oft von ihrer Arbeit als Krankenschwester im Krieg erzählt hat. Da kommt man schon ins Grübeln, denn immer dann, wenn sie realisierte, dass sie in diesem Heim sterben würde, weinte sie bitterlich.

Übrigens waren alle Pfleger in unserem Heim pro Sterbehilfe - aber das wagte sich natürlich keiner gegenüber der Chefin zu sagen.

Und dennoch, historisch betrachtet, ist die Vergesellschaftung der Pflege ein riesiger Fortschritt, den wir dem Kapitalismus zu verdanken haben. Denn früher war die Pflege die Sache der Familie, Teil ihrer Reproduktion, kostete Zeit und Lohn. Das Kapital hat dem Arbeiter diese Aufgabe durch Vergesellschaftung abgenommen und auf eine höhere Stufe gehievt (technisch, medizinisch, organisatorisch).

Dabei muss man aber die sozialistische Konkurrenz berücksichtigen. Staatlich ging es Jahrzehnte besser, die Löhne waren höher etc. pp., weil die BRD nicht riskieren konnte wesentlich schlechter als die DDR oder Sowjetunion dazustehen. Daher stammt auch der scherzhafte Spruch der Sozialdemokraten von früher, dass an den Tischen (bei Lohnverhandlungen) in der BRD die DDR mitgesessen hat - allein ihre Existenz stärkte die Verhandlungsposition der Arbeiter. Dieser Faktor entfiel durch die Konterrevolution 1991 völlig, weshalb die deutsche Bourgeoisie seit den 90ern einen massiven Sozialabbau betreibt - sie hat niemanden mehr zu fürchten, weder von außen noch von innen. Und Sozialausgaben bedeuten Abzug vom Profit, den man natürlich so gering wie möglich halten will.

Solche Sätze offenbaren dann einmal mehr die ungeheure Naivität in der Bevölkerung, als hätte die amerikanische Regierung irgendetwas nicht verstanden. Die verstehen das alles sehr gut, es liegt einfach nur nicht in ihrem (Profit)Interesse.

Natürlich liegt es auch daran, bloß hat das nichts mit politischem Versagen zu tun, im Gegenteil, die Regierung wusste und weiß sehr genau, was sie tut und welche Folgen das hat. Dass du die Regierungspolitik für verfehlt hältst und dich dann wunderst, warum die es nie besser machen, der Denkfehler entsteht, weil du davon ausgehst, dass die Bundesregierung (unabhängig von den Regierungsparteien) die Interessen „der Deutschen“ vertritt, während sie in Wahrheit allein die Interessen des deutschen Monopolkapitals vertritt. Dann geht die Rechnung wieder auf, warum alles besser werden soll, aber für die große Mehrheit des Volkes dennoch alles schlechter wird. Das ist der Unterschied zwischen Erscheinung und Wesen (des Staates) :wink:

[QUOTE=Enzio;340471]Da ich kurzzeitig in einem Altenheim beschäftigt war, kenne ich die Situation aus erster Hand. Das ganze Problem liegt nicht am Geld, sondern an der Politik und ihren Verordnungen, Anmerkungen zu den Verordnungen und Ergänzungen zum Anmerkungsprotokoll.
[/QUOTE]

Zwar waren wir ein vorbildlich ausgestattetes, privates Heim, aber da für jede Etage nur 3 Pflegerinnen und Pfleger eingeteilt waren (wovon oft eine/einer krank war) war das irgendwann nur noch Fließbandarbeit, in der man bestenfalls noch mechanisch funktionieren konnte.

Mit mehr Geld lässt sich aber wieder mehr Personal finanzieren, wodurch sich die Arbeitsbelastung pro Mitarbeiter reduzieren lässt. In anderen Ländern geht es doch auch, gerade in Skandinavien.

Die Frage ist dann, ob zusätzliches Geld auch bei den entsprechenden Brennpunkten ankommt. Und ich hatte eigentlich auch nicht das Gefühl, dass es an finanziellen Mitteln gefehlt hätte. Eher war belastend, dass es unzählige Gängeleien gegenüber uns Pflegern gab. So musste beispielsweise jeden Tag nach der jeweiligen Schicht das in der Etage umlaufende Geländer mit Desinfektionsmittel gereinigt werden. Vielleicht irgendwo nachvollziehbar, aber die Zeit ging dann natürlich wieder von anderen Tätigkeiten ab. Putzdienste allein dafür einzustellen, das wollte oder konnte aber wohl auch keiner. Am schlimmsten waren aber definitiv die Sitzungen zum Schichtende, wo man gerne mal unter einem Berg an Aktenordnern verschwunden ist und sich zwei Stunden darin vergraben konnte. Würde dieser fürchterliche Wust an Bürokratie entschärft, wäre das arbeiten für die Pfleger deutlich leichter. Es kann ja nicht der Weisheit letzter Schluss sein, für jede dieser zeitfressenden Tätigkeiten eine zusätzliche Kraft einzustellen.

Na ja, nicht mehr meine Welt zum Glück. Zwar braucht keiner in dieser Branche lange nach einer Stelle zu suchen, aber auf Dauer hält das niemand aus. Hier bei uns haben Pflegekräfte eine Haltwertzeit von unter 10 Jahren. Mich wollte man im Crashkurs zum Hilfspfleger ausbilden, aber im Hinblick auf die nur 6 monatige Behelfsausbildung dieser Tätigkeit und die gleichzeitig enorme Verantwortung habe ich mich leichten Herzens dagegen entschieden. Gerade die Hilfskräfte werden wirklich in diesem Gewerbe verheizt.

Der Markt Leugnet doch gar nichts. Der Markt ist doch schließlich keine Person. Ich finde das auch sehr schön, das du offenbar meinen Post nicht verstanden hast, aber trotzdem dazu schreibst.

[ol]
[li]Es gibt 2 Märkte. Den Markt für Gesundheitsleistungen und den Markt für Mitarbeiter des Gesundheitswesens
[/li][li]Auf dem Einen Markt ist es immer Patient zu Staat oder Staat zu Privaten Anbieter. Das Heißt Jegliches versagen dieses Marktes ist kein Markt sondern Staatsversagen
[/li][li]Man Könnte jetzt meinen der zweite Markt hätte versagt. Dabei hat der sich genau so verhalten, wie man es erwartet hat. Der Staat hat dabei nicht darauf geachtet wer die Verhandlungsmacht hat (der Grund dafür kommt später in diesem Post)
[/li][/ol]

Egal wo, Privatisierung und Abgabe an freie Hände hat bisher nur zur Verwahrlosung und Ausbeutung geführt.
Der Staat hat lediglich auf niedrigem Niveau gewirtschaftet.

Wenn Man etwas mit Marktmacht Privatisiert, dann passiert das. Wenn die Politik stattdessen Marktmacht abbauen würde, würde das funktionieren.

Beispiel USA:

Blinddarmoperation $55.000. Eigenbeteiligung in der Regel 100%.
In Deutschland 2.000€. Eigenbeteiligung etwas um 0%.

Der Markt wird’s schon regeln.

Wie schon gesagt: in einem Ungeregelten Gesundheitsmarkt liegt die Marktmacht beim Anbieter der Gesundheitsleistung.

Ja. Genau das müsste man machen. Aber dann hat der Staat kein Geld mehr für Berliner Flughäfen und ähnliche Projekte, und das möchte ein Politiker ja nicht.

[QUOTE=Mels;340472]
Natürlich liegt es auch daran, bloß hat das nichts mit politischem Versagen zu tun, im Gegenteil, die Regierung wusste und weiß sehr genau, was sie tut und welche Folgen das hat. Dass du die Regierungspolitik für verfehlt hältst und dich dann wunderst, warum die es nie besser machen, der Denkfehler entsteht, weil du davon ausgehst, dass die Bundesregierung (unabhängig von den Regierungsparteien) die Interessen „der Deutschen“ vertritt, während sie in Wahrheit allein die Interessen des deutschen Monopolkapitals vertritt. Dann geht die Rechnung wieder auf, warum alles besser werden soll, aber für die große Mehrheit des Volkes dennoch alles schlechter wird. Das ist der Unterschied zwischen Erscheinung und Wesen (des Staates) ;)[/QUOTE]

Den Denkfehler habe ich nicht. Ich sage ja nur, das der Staat das falsch gemacht hat. Dass das daran liegt, das man sich anstatt wissenschaftliche Fachberatung zu nehmen Lobbyisten direkt in die Ministerien geholt hat, habe ich außen vor gelassen, weil es ja an der Sache zunächst nichts ändert. Lobbyismus hat ja die Aufgabe Interessen verschiedene Gruppen an die Politik heranzutragen. Wenn Lobbyisten aber selber Politik machen, dann geht das zu weit. Das ist der eigentliche Systemfehler. Die Politische Unabhängigkeit fehlt. ist doch klar, das ein Lobbyist keine Marktmacht aufgeben möchte, und deswegen die Politik dazu bringt die Marktmacht beizubehalten.

Aber genau das meine ich doch mit Denkfehler: Der Lobbyismus ist kein Systemfehler, sondern Wesen dieses Staates und seiner Demokratie. Der Einfluss der Monopole besteht seit Gründung der BRD und davor. Es macht ja auch keinen Unterschied, ob der Lobbyist ein Gesetz macht oder Politiker xy dies im Sinne einer Lobby macht. Die Aufnahme der Lobbys ist sogar seit '72 in der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt, 1987 waren bereits 1331 Wirtschafts-, Wissenschafts- und andere Interessenverbände registriert, die gern die Gesetzgebung beeinflussen wollten (aktuelle Zahl kenne ich nicht). Von dieser offiziellen Lobbyarbeit abgesehen, gibt es in der BRD über 5000 Unternehmerverbände mit etwa 120.000 hauptamtlichen Mitarbeitern (zehnmal so viele wie die DGB-Gewerkschaften haben), die auf unterschiedliche Weise die Politik gestalten. Die CDU hat zw. '68 und '86 ca. 530 Mio. Spendengelder erhalten. Kurzum: Lobbyismus ist kein Systemfehler, sondern systemimmaneter Bestandteil des kapitalistischen Staates.

Warum sollten auch Menschen, die über Milliarden verfügen und damit Politik in ihrem Interesse machen können, diese Macht abgeben? Wer soll sie dazu zwingen und womit? „Banken regulieren“, „Lobbyismus abschaffen“ usw. sind idealistische Forderungen. Bevor die Monopole sich vom Pöbel beschränken lassen, regnet es blaue Bohnen. Der Bundestag gehört ihnen.

[QUOTE=Mels;340485]
“Banken regulieren”, “Lobbyismus abschaffen” usw. sind idealistische Forderungen. Bevor die Monopole sich vom Pöbel beschränken lassen, regnet es blaue Bohnen. Der Bundestag gehört ihnen.[/QUOTE]

Den Lobbyismus kann man nicht abschaffen. Und das sollte man auch gar nicht, denn der macht die Politik immer wieder auf Probleme aufmerksam, die bei Politischen Maßnahmen entstehen könnten. Jedoch ist es in Letzter zeit außer Kontrolle geraten. Als Lobbyist geht man heutzutage nicht mehr auf Bundestagsabgeordnete zu, sondern man sitzt selbst drin.

Es wäre jetzt natürlich möglich, das die andere Seite auch eine Lobby gründet. Wenn die Lobbyisten gleich verteilt sind, müsste sich das ja wieder ausgleichen.

Also braucht man eine Patienten Lobby und eine Pflegekräfte Lobby. Bei den Zigaretten hat das doch auch funktioniert. Heute gibt es neben der Tabaklobby auch eine Nichtraucherlobby.

[post=340435]@Anchantia[/post]

Musst du in deinen Beiträgen unbedingt regelmäßig so emotionalisieren? Und vor was hast du eigentlich keine Angst? Lass dich doch nicht ständig in Panik versetzen, nur weil du mit einem realpolitischen Problem konfrontiert wirst. Das ist ein gut gemeinter Rat. Ist auch besser für deine Gesundheit. :wink:

Diese ängstliche Grundhaltung macht dich aber wahrscheinlich für bestimmte politische Gruppen besonders interessant. Gibt ja Parteien, die die Zukunftsängste, seien sie berechtigt oder eingebildet, mancher Bürger für ihre eigenen Ziele ausnutzen…

Bei den von dir verlinkten Beispielen handelt es sich teils um Extremfälle. Zumindest das Pflegepersonal, das ich kenne (auch nicht viel weniger repräsentativ) haben die meisten i.d.R. eine übliche Vierzig-Stunden-Woche, was nicht dasselbe wie ein Acht-Stunden-Tag sein muss! Man sollte darüber hinaus nicht überrascht sein, wenn man es beruflich mit Kranken zu tun hat. Daran gebunden sind natürlich menschliche Schicksale, sowie körperliche und seelische Belastungen. Das bringt der Beruf nun mal mit sich, egal ob das Krankenhaus in staatlicher oder privater Hand ist. Was wird erwartet? Dass in einem Krankenhaus/Pflegeheim gesunde Menschen verweilen, denen es gut geht? Damit möchte ich ausdrücklich nicht die lobenswerte Fürsorge des medizinischen Personals in Abrede stellen!

[post=340441]@Icetwo[/post]

Neue Medizinische Technologien haben Behandlungen Teurer gemacht.

Das ist ein ganz großes Problem. Die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland ist sehr hoch. Das hat seinen Preis. Die finanziell klammen Länder und v.a. Kommunen geben aus diesem Grund Krankenhäuser und Pflegeheime in private Hände.

Die alternde Gesellschaft spielt, wie du richtig sagst, dazu noch eine Rolle.

Die GKV selber sind zu einem Gigantischen Verwaltungsapparat geworden, der teilweise nur für sich selbst arbeitet.

Bürokratie wird durch Verstaatlichung traditionell nicht unbedingt abgebaut. Da könnten noch zusätzliche finanzielle Belastungen entstehen.

  1. Stärkere Begrenzung der Arbeitszeiten von Pflegepersonal durch ein Gesetz zwingt die Kliniken Mehr einzustellen, und damit auch mehr zu zahlen

Die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen stieg in den letzten Jahren an, von ca. 4,1 Mio. im Jahre 2000 auf 4,9 Mio. im Jahre 2011. Darunter:

Gesundheits- und Krankenpfleger: von 718.000 auf 826.000
Gesundheits- und Krankenpflegerhelfer: von 209.000 auf 275.000
Altenpfleger(-helfer): von 242.000 auf 444.000

https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Gesundheitspersonal/PersonalLange_ReihePDF_2120732.pdf?__blob=publicationFile (pdf)

Gleichzeitig stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten, von ca. 1,1 Mio. im Jahre 2000 auf ca. 1,6 Mio. im Jahre 2011.

  1. Polikliniken.

Ärztehäuser kommen dem Konzept sehr nahe. Halte ich auch für eine gute Idee. Dann aber bitte mit besserer Ausstattung als zu SED-Zeiten. Das DDR-Gesundheitssystem war übrigens bei weitem nicht so gut wie sein Ruf.

http://www.kas.de/wf/de/71.6593/

[…]

@Danzig: Ob Anchantia übertrieben emotionalisiert oder nicht, geschenkt. Im Kern gesehen stimmen die Vorwürfe durchaus. Unser Gesundheitssystem krankt tatsächlich.

@Topic:

---- Teil 1 Die Krankenkassen ------
Allerdings krankt es schon sehr grundlegend. Unser Gesundheitssystem soll über die Krankenkassen angeblich ein Solidarsystem darstellen. Die Idee dahinter ist auch vollkommen richtig, der einzelne kann nicht für seine gesundheitliche Versorgung aufkommen, dass sind einfach Kosten die fast niemand alleine stemmen kann.

Und bei dem Thema Kosten sollte man zuerst einmal auf die Bürokratie kommen.

Wir haben dutzende gesetzliche Krankenversicherungen die zueinander in einer quasi Konkurrenz stehen.
Erhofft hat das den Vorteil, dass die Krankenkassen verstärkt auf Kundenarbeit setzen müssten und die Konkurrenz dementsprechend auf höheren Service hinausläuft.
In der Praxis sind aufgrund gesetzlicher Vorgaben die Unterschiede so gering, dass es ziemlich egal ist bei welcher gesetzlichen Krankenkasse man ist.

Solche Vorgaben abzuschaffen kann aber auch nicht die Lösung sein, weil in dem Moment würde jede Krankenkasse sofort kostspielige Behandlungen abstoßen. Also muss der Staat einen Mindeskatalog an Forderungen aufstellen, die für die Krankenkassen verbindlich sind.

Eine Zusammenführung der Krankenkassen könnte tatsächlich helfen. Nur hat sich in der bisherigen Geschichte der modernen Staaten, der Staat als extrem schlechter Verhandlungspartner erwiesen. Und gerade wenn es um die Preise für Medikamente o.ä. geht bräuchte man jemanden der gut verhandelt und im Sinne der Allgemeinheit.
Nur wer diese Rolle einnehmen sollte weiß ich nicht. Zumindest nicht ohne einige ziemlich radikale Einschnitte in unser Gesellschaftssystem an sich.
Marktwirtschaftlich kann ein Gesundheitssystem nicht funktionieren, wenn der Zweck sein soll, dass es für alle Menschen ein Grundmaß an medizinischer Versorgung zur Verfügung stellt.

Nur sollte man sich die Frage stellen, inwiefern unser Gesundheitssystem tatsächlich ein Solidarsystem ist.

Neben den vielen gesetzlichen Krankenkassen, haben wir eine enorme Anzahl an privaten Krankenkassen.

Und an dieser Stelle sage ich: Wir haben kein echtes Solidarprinzip.
Wenn einzelne sich ohne Angabe von Gründen aus dem Solidarsystem davonstehlen können, dann ist das Solidarsystem kein solches. Es ist dann nur ein Auffangbecken für den unteren Teil des gesellschaftlichen Durchschnitts.
Diejenigen die nicht genug verdienen um eine private Krankenversicherung abschließen zu können, zahlen mit ihren Beiträgen die Behandlung derjenigen die sich gar nichts leisten können. Während Personen die genug haben mit einem Versicherungswechsel aus dem Solidarsystem aussteigen dürfen.

Zumindest an dieser Stelle wäre eine mögliche Lösung, die vollständige Abschaffung von Krankenversicherungen und ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem. (Das Resultat wären natürlich höhere Steuern… selbst wenn es ohne Steuererhöhung ginge…)

Dann bleibt aber das Problem bestehen, dass der Staat einfach ein richtig schlechter Verhandlungspartner ist.

----- Teil 2 Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte -----

Hier würde es enorm helfen, wenn man Sekretäre in Krankenhäusern einstellen würde. Einfach Arbeitskräfte die den Ärzten, Pflegern etc. einen Teil ihrer bürokratischen Aufgaben abnehmen.
Wenn ein Chirurg nach jeder OP noch eine Stunde Schreibarbeit hat, weil er alles haarklein begründen muss, dann ist das eine Stunde die für weitere Operationen fehlt.
Vor allem ist es aber auch einfach grausam von einem Team das gerade eine 12 Stunden OP hinter sich hat, zu verlangen die nächsten Stunden vor nem Schreibtisch zu verbringen.

Vollkommen gute Arbeitsbedingungen kann es in Pflegeberufen gar nicht geben. Immer dann wenn man sich um Menschen kümmern muss, muss man die eigenen Bedürfnisse hinter die des Hilfsbedürftigen stellen. Eine Krankenschwester kann nun einmal nicht sagen, dass sie um Punkt 18 Uhr Feierabend macht. Wenn es um 17:50 einen Notfall gibt der eine Stunde Arbeit in Anspruch nimmt, dann gibt es um 17:50 diesen Notfall.
Genauso ist der Schichtbetrieb eine Notwendigkeit, Krankheiten halten sich nun einmal nicht an Geschäftszeiten.

An der Stelle muss also jedem der sich über lange Arbeitszeiten und Schichtdienst beschwert gesagt werden, dass das nun einmal Teil des Berufs ist. Wenn einem das vorher nicht klar war, dann hat man ein unrealistisches Bild von dem Beruf gehabt.

Und wie Danzig schon ausgeführt hat, es wird an der Personalsituation durchaus gearbeitet, es gibt langsame Verbesserungen.
Allerdings werden Menschen die in Pflegeberufen arbeiten sind unterbezahlt.
Die Anzahl der Personen die eigentlich gerne einen Pflegeberuf ergreifen wollen würden, es aber aufgrund der schlechten Bezahlung nicht machen, dürfte sehr hoch sein. (Allerdings kenne ich hier keine Statistiken, sondern allein persönliche Erfahrungen und Gespräche… mag also sein das ich da vollkommen auf dem Holzweg bin.)
Diese zu niedrige Bezahlung zieht sich im übrigen durch alle Bildungsgrade. Wenn man nicht gerade Facharzt mit privater Praxis in einem Ballungszentrum ist, hat man es in der BRD nicht wirklich gut als Arzt.

----- Teil 3 notwendige Grausamkeiten? --------

Ein weiteres Problem kann auch in unserer Einstellung zum Leben liegen.
Wir lassen kaum jemanden sterben. Der Auftrag der Ärzte ist es, um jede Stunde des Lebens zu kämpfen.

Dadurch entstehen enorm hohe Kosten, die eigentlich niemand tragen kann.
Etwas zu provokantes Fallbeispiel:
Wenn man eine Person mit Lungenkrebs hat, die über 80 Jahre alt ist. Dann kann man für mehrere hundertausend Euro den Lungenkrebs behandeln und dieser Peson vielleicht sogar noch ein oder zwei gesunde Jahre geben, bevor der Lungenkrebs wiederkommt und diese Person dann nach einigen weiteren hunderttausend Euro dahinrafft.

Die gute Medizin sorgt dafür, dass wir immer älter werden. Weil wir immer älter werden steigt unsere Chance auf wirklich fiese Krankheiten im Alter. Die gute Medizin sorgt dafür, dass wir diese Krankheiten auch im Alter lange überleben können.
Aber bezahlen kann das niemand.

Es bestünde also tatsächlich großes Einsparungspotenzial, wenn wir dafür sorgen würden, dass man in unserer Gesellschaft einfach sterben dürfte.

Nur kommen wir dann zu dem Problem, dass ein alter Mensch der nicht sterben will plötzlich vor einem moralischem Dilemma stünde.
“Sie sind 84 Jahre alt. Wollen sie sich wirklich noch behandeln lassen?”
“Ja, eigentlich mag ich mein Leben.”
“Aber sehen sie, diese Behandlung kostet 300.000 €, soviel haben sie in ihrem Leben nicht einmal in das Gesundheitssystem eingezahlt. Wollen sie das der Gesellschaft wirklich zumuten?”

An dieser Stelle habe ich überhaupt keinen Lösungsvorschlag für das Problem. Ich weiß nicht wie man die Erlaubnis zum Sterben einführen könnte, ohne das daraus eine Art “gesellschaftlicher Zwang” erwächst.

------ Fazit -----

Es krankt an allen Ecken und Enden und die Hauptursache ist Geld.
Das liegt, meiner Meinung nach, an dem fundamentalen Widerspruch zwischen Marktwirtschaft und Gesundheitssystem.
Daher wird man die Probleme nie vollständig abschaffen können, solange man nicht bereit ist die marktwirtschaftlichen Prinzipien aus dem Gesundheitssystem heraus zu nehmen.
Dann bleibt als letzte Fehlerquelle noch der Staat, der leider dazu tendiert nicht effektiv im Sinne der Gesellschaft zu handeln. Ob das nun an versehentlichen oder absichtlichen Versagen der Politiker liegt… sagen wir ich tendiere in diesem Fall durchaus dazu Mels zuzustimmen. Auch wenn mir die “Hoorayy for GDR! Sprachwahl” nicht wirklich gefällt. Aber wenn man diesen Teil ignoriert, bringt er die Probleme an sich nicht schlecht auf den Punkt.

[QUOTE=Enzio;340471]Da ich kurzzeitig in einem Altenheim beschäftigt war, kenne ich die Situation aus erster Hand. Das ganze Problem liegt nicht am Geld, sondern an der Politik und ihren Verordnungen, Anmerkungen zu den Verordnungen und Ergänzungen zum Anmerkungsprotokoll. Fast zwei Stunden täglich waren wir allein mit Bürokratie beschäftigt, denn die Kassen und zuständigen Träger wollten jede Kleinigkeit notiert und überwacht wissen. Da kam der Patient schon mal menschlich zu kurz. [/QUOTE]

Absolut richtig. Ich bn seit 30 Jahren im Geschäft. Der Verwaltungswasserkopf trägt immer seltsamere Blüten. Die Basis hat mindest. das 5fache Patientenaufkommen zu früher.Die Liegezeiten sind kürzer der Aufwand aber der gleiche. Für den MDK gilt nur das was dokumentiert wurde. Hast Du einen Patienten vorbildlich gepflegt und medizinisch behandelt aber vergessen einmal die Themperatur zu dokumentieren weil man einen Notfall reanimiert hat, kommt der MDK daher und will den Spaß nicht bezahlen.
Denn es gilt nur das was dokumentiert wurde. Patienten anfassen ist den Controlettis zu wider. Nein sie wollen nur Patientenakten auf Fehler untersuchen mit 0 medizinischem Wissen. Man könnte auch den Patienten einfach vergammeln lassen und Papier mit erstunken und erlogenenen Fieberkurven füllen. Dann wird bezahlt. Das fällt denen gar nicht auf. Die Altenheimbewertungen laufen nur so. Den Kontrolleuren werden Aktenordner gezeigt. Bewohner wollen die gar nicht sehen. Sind ja nur alte häßliche demente Leute, igitt.

Die Schlaumeier träumen auch noch vom Wachstum (noch mehr Fälle machen mit noch weniger Pflegekräften, die dann pro Pflegekraft von 2 Verwaltungsfuzzis kontrolliert werden. Furchtbar.

Und das Beste überhaupt ist, wenn man gegen den Pflegenotstand die Pfleger/innen studieren lässt. Fürs Grobe kann man ja billige Chinesen importieren. Die haben einen Knall und ich wünsche denen nur, dass sie ihren Mist mal selbst ausbaden müssen.

Meiner Meinung nach hilft nur noch eine komplette Neuorganisation unseres Gesundheitswesens. Weg vom Controling- und Dokumentationswahnsins.