Diskussion über den Blog-Artikel: Unforced Error
Hey, Sie da! Sie werden es nicht mitbekommen haben. In den vergangenen vier Wochen fanden in Indian Wells und Miami die beiden größten Tennisturniere abseits der vier Grand Slams statt. Der deutsche Fernsehzuschauer merkte davon jedoch nichts. Mit dem Ende der Saison 2012 verlor Eurosport, das viele Jahre lang ebenso extensiv wie verlässlich von der WTA-Tour berichtet hatte, aufgrund der Gier des Vermarkters Perform die Übertragungsrechte.
Nach Monaten der Ungewissheit, verkündete ausgerechnet die malade Pro7Sat.1-Gruppe, die außer der Fußball Europa League und dem Superbowl keinerlei Livesport im Portfolio hält, in der vergangenen Woche einen Rechtedeal mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB). Fed Cup, Davis Cup und noch ein bisschen mehr laufen fortan beim Menopausenkanal Sat.1 Gold (vgl. FKTV Folge 108)
(Ein Kommentar von Laura Robson)
So ganz sicher, was man nun genau mit dem erworbenen Paket anstellen soll, ist man sich in Unterföhring offenbar nicht. Die Meldungen der ersten Tage waren detailarm und ließen befürchten, dass sich am Status Quo nichts Entscheidendes ändern werde: Wer Tennis sehen will, guckt in die leere Röhre oder muss ins Internet ausweichen.
Und genau so kommt es auch. Mit dem WTA-Turnier in Charleston in dieser Woche fällt der Startschuss für den Rückzug des Tennis in die kleinste mediale Nische. Da helfen auch die vollmundigen Salbadereien des Murks- und Fettnäpfchenpräsidenten Karl-Georg Altenburg, der maßgeblichen Anteil an der erbärmlichen Außendarstellung des Sports, insbesondere im Männerbereich trägt (vgl. hieroder hier), herzlich wenig: Ein zentraler Bestandteil der Strategie des neuen Präsidiums ist es, die Präsenz von Tennis in den Medien, und zwar online und offline, wieder zu erhöhen."
Online konnte, wer wusste wo, auch bisher schon jeder fast alles sehen. Offline war Eurosport dank flächendeckender Empfangbarkeit und souveräner Aufbereitung das Nonplusultra.
Sat.1 Gold verfügt derzeit über eine technische Reichweite von 60 Prozent, was bedeutet, dass über ein Drittel aller potentiellen Zuschauer den Sender überhaupt nicht empfangen kann. Das allein ist aber irrelevant, wenn das Turnier in South Carolina ohnehin nur bei ran.de im Internet übertragen wird.
Dort begrüßt uns zur Premiere ein Relikt aus längst vergessener Zeit: Herbert Gogel (“Zu Land, zu Wasser und in der Luft”) . Hoffentlich muss ich nicht mit meinem Labello auf dem Monitor rumkritzeln, um dem Match zwischen Bine Lisicki und Anna Tatishvili folgen zu dürfen!
Wenigstens läuft der Stream flüssig und in guter Qualität. Ich bin wahrscheinlich der einzige, der zuschaut. Woher soll das geneigte Publikum auch ahnen, dass es hier etwas zu sehen gibt, wenn nirgendwo dafür geworben wird?
Dem sauberen Ton entnehme ich, dass sich Gogel Earth nicht vor Ort befindet. Mr Rautenpulli hockt in einem Studio in München (gleich bei der Autobahn) und redet allerlei Unerqueckliches, das nicht zum Erkenntnisgewinn beiträgt, zum Weltbild, das man auch anderswo - ich erwähnte es bereits - sieht. Aber das kennt man ja von den geschätzten Kollegen von Eurosport. No harm, no foul!
Pro7Sat.1 verschusselt die große Chance, Tennis zu einer Renaissance im deutschen Fernsehen zu verhelfen. Alle Sportarten, abgesehen von König Fußball, funktionieren auf breiter medialer Basis nur, solange nationale Identifikationsfiguren vorhanden sind.
Zum ersten Mal seit den Tagen von Steffi Graf und Anke Huber, (no pun intended!) verfügen die deutschen Damen über eine Generation von vier bis sechs Spielerinnen, die zwar nicht um die großen Titel mitspielt, jedoch nach Jahren der sportlichen Dürre, in der mehr Talente gingen (Lamade, Kandarr, Werner) als kamen, nicht allein gute Ergebnisse erzielt. Petkovic, Kerber, Görges sind sympathisch, attraktiv und deshalb vermarktbar. Man muss sie nur ins Schaufenster stellen und die Kunden stehen in Zweierreihe Schlange.
Solange man in Unterföhring allerdings nicht die Chuzpe besitzt, die Mädchen in einen der Hauptsender Sat.1, Pro7 oder Kabel 1 zu hieven, um das vorhandene Potential auszuschöpfen, wird die aktuelle Hochphase unter Ausschluss der Öffentlichkeit verpuffen.
Ein möglichst großes Publikum wäre besonders wichtig, da 2013 mit dem neuen Turnier in Nürnberg, neben dem Porsche-Klassiker in Stuttgart, zum ersten Mal seit fünf Jahren ein zweites Main Tour-Event in Deutschland ausgetragen wird.
Immerhin, ich will versöhnlich enden, wurde der akustische Super-GAU in letzter Sekunde abgewendet. Statt Heißluftturbine Frank Buschmann, der bei P7S1 als Experte für alles, von Basketball über American Football bis Quizboxen gilt, als Kommentator vors Mikrophon zu dübeln, wurde die weise Entscheidung getroffen, Matthias Stach aus dem Eurosport-Stall zu verpflichten. Stach ist ein angenehmer Zeitgenosse, ein unaufgeregter Kenner, der mehr zu berichten weiß, als man ohnehin gerade sieht.
Mach et, Matze!