Mahlzeit …
Beim Zappen bleibt man irgendwann auchmal auf Sendern wie “bibel.tv”, “the hour of power” oder anderen christlich motivierten Sendungen hängen.
Und dann recherchiert man auch mal deren Internetseiten.
Ich möchte jetzt hier nicht über Webdesign philosophieren, über Chromatologie oder über Barrierefreiheit. Mir geht es um Inhalte.
Beim Durchstöbern der bibel.tv - Site fiel mir das Gebetsforum auf. Gläubige werden gebeten, per Online-Formular ihre Gebete an Bibel.tv zu schicken, für Bibel.tv selbst zu beten … oder … oder … oder.
Bitte?
Gott hat keine Postleitzahl.
Gott hat keine Email-Adresse.
Gerade diese Menschen sollten begriffen haben, das man für eine Bitte an Gott (oder welche höhere Instanz man für sich selbst präferiert) keinen Terminal braucht. Wenn ein gläubiger Mensch ein Anliegen oder eine Bitte im Wunsch nach Hilfe oder simplem Trost an “Gott” hat, dann kann er das tun, wann und wo immer er ist. In seiner Wohnung, in seinem Badezimmer oder im Kino. Aber dazu braucht er keinen Gottesdienst, keine Kirche und sicherlich kein “Online-Formular”.
Sinnigerweise ist dieses “Gebetsblog” auch noch mit einem Spendenlink gekoppelt,… besser … es ist in ihm integriert. Aber nun gut,… wer meint, das dies die Gebetsform des 21. Jahrhunderts ist, er soll damit glücklich werden.
NICOLAUS CUSANUS nennt Gott das Absolute (»absolutum«, Doct. ignor. II, 9). Gott ist in allem, alles ist in ihm (»sunt ab absoluto. Omnia sunt in eo et eum in omnibus«, 1. e. I, 2). Gott ist alles in allem (»quodlibet in quolibet«, l.c. II, 5)
Gott kann also überall addressiert werden.
Das ist es aber nicht, was mir wirklich den Kamm schwellen lässt.
Auf der Seite von Bibel.tv gibt es einen Link zu einer jugendorientierten Seite: Tru:tv. Nach Äusserung der Betreiber
“… Unser “Mutter-Sender” Bibel TV hat [tru] young television, den ersten christlichen Jugendfernsehsender Deutschlands ins Leben gerufen. …”
… liegt die Absicht des Senders darin …
Unser ambitioniertes Ziel ist es, euch mit christlichen Themen, Anstößen und Trends im Glauben an den Sohn Gottes zu unterstützen und eine attraktive Plattform zur Vernetzung zu bieten.
Nun gut.
Beim Stöbern in den Inhalten bin ich auf folgenden Content gestoßen: “Sex ist wie Schokolade” in dem Jugendliche auf “das erste mal” vorbereitet werden. Eine Art christlicher “Dr. Sommer”. Darin heisst es:
[…]
Wenn du aber wirklich erwachsen werden willst – auch mit deiner Sexualität – dann kannst du nicht immer die Verantwortung auf andere schieben, sondern brauchst auch die neue Frage: Wieviel Sex in einer Beziehung ist gut für mich? Und wie kann ich das herausbekommen?
[…]
und weiter …
[…]
Die Medien sind nicht zwingend der beste Ratgeber, auch wenn wir durch sie am meisten geprägt werden. Meine Gefühle helfen mir in solchen Situationen auch nicht weiter. Weil Gott aber auch das Beste für mich will, orientiere ich mich daher erstmal an der Bibel: Wenn er sich das mit dem Sex, der Erregung und den Gefühlen ausgedacht hat, dann wird er auch am besten wissen, wie es am besten ist. Wer die Bibel daher genau liest, der wird entdecken, dass Sex und die Ehe untrennbar verbunden sind (lies mal 1. Korinther 7,9; 1. Mose 2,24). Miteinander Schlafen braucht diesen geschützten und vertrauten Raum, der durch nichts zu ersetzen ist.
[…]
Bitte? Ich soll die Verantwortung nicht auf andere schieben, aber ich überantworte mein Tun den Zeilen eines Buches? Was denn nun?
Und … ich soll meine eigenen Gefühle negieren bzw. ignorieren und den Vorgaben von Fundstellen folgen?
Weil Gott aber auch das Beste für mich will, …
Und was bitte ist mit den Eltern? Wollen sie nicht das beste für mich? Mit keinem Wort werden andere Quellen oder Ansprechpartner erwähnt,… nur der Korinterbrief und Mose. :?:
Jugendliche sollen, müssen Erfahrungen machen. Jugendliche sollen beginnen, diese Erfahrungen verantwortungsvoll zu machen. Für dieses Verantwortungsgefühl gibt es nur eine Leitlinie: das eigene Gewissen, die Erfahrungen anderer und den Rat oder die Unterstützung verantwortungsvoller Eltern. Aber sicherlich nicht zwei Bibelstellen, die mir vorschreiben, das ich einen anderen Menschen erst heiraten muß, bevor ich mit ihm intim werde.
Ist DAS das Ziel der Kirche?
Jugendliche in den Bund der Ehe zu pressen, nur um Erfahrungen in der Sexualität zu machen? Zugegegeben, es wäre noch tolerierbar, wenn diese Kirche sich nicht so vehement gegen die Scheidung oder die Verhütung ausspräche.
Diese Erfahrung ist im Werden eines Jugendlichen genauso wichtig, wie die Erfahrung, Menschen nach anderen Werten zu beurteilen, bevor er sich mit ihm verbindet.
Liebe Kirche …
Online-Formulare zum beten bereitzustellen, einen Kanal für Jugendliche in einem poppig “geilen” Outfit … (ja, die Kirche hat keine Berührungsängste mit diesem Wort) … und gleichfalls mittelalterliche Inhalte zu vermitteln und ein Fundament für gescheiterte Beziehungen zu legen, … das passt nicht ganz.
Aristoteles sagt in der Schrift „de plantis“, dass, anders als bei den Pflanzen, die keine epithymia (Begierde) haben, das Ziel unseres (menschlichen) Willens die Wahrnehmung ist.
Und das bedeutet im Klartext: Das Ziel des menschlichen Willens ist die Erfahrung und daraus die Bewertung. Ich tue etwas und erkenne daran, das es gut ist oder … das ich gefehlt habe. Ich brauche kein Buch, in dem Menschen Vorschriften verankert haben, die dem Willen nach der menschlichen Erfahrungsuche widersprechen.
Solche Sites und Sendern deformieren Jugendliche und geben ihnen “Leitlinien” vor, die falsch und … wesensfremd sind.