Diskussion über den Blog-Artikel: Timmy und die GEZ
Bildblog gehört zu den Seiten, die ich etwa einmal täglich besuche. Und es ist zweifelsohne so, dass diese Seite große Verdienste hat. Zudem bin ich Bildblog auch immer wieder dankbar, wenn in den “6 vor 9”-Shorties mal ein Bericht von mir verlinkt wird. Und dennoch: Dass man bei Bildblog keine Kommentare zu den Blogtexten hinterlassen kann, finde ich seit eh und je bemerkenswert. Meistens besteht dazu auch kein Grund - diesmal allerdings schon! Und da dies dort nicht möglich ist, erledige ich das eben von hier aus.
Der von mir geschätzte Stefan Niggemeier vergisst merkwürdigerweise immer dann seine journalistische Distanz, wenn es um die GEZ-Gebühren geht. In mehreren Artikeln verteidigte er schon in der Vergangenheit wacker das alte Gebührenmodell von ARD und ZDF - und jetzt kämpft er auch für das neue. Und wenn sich dazu kritisch geäußert wird, dann wittert er dahinter stets eine konzertierte Aktion der Medien - wie jüngst ja auch WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn. Dass Kritik vielleicht ernsthaft begründet sein könnte, sieht er offenbar nicht.
Nun bin ich hier nicht der Position, die “Bild” verteidigen zu wollen. Einen “Volksaufstand gegen den Rundfunkbeitrag” herbeizuschreiben, wie es Niggemeier in seinem Bildblog-Artikel dem Boulevard-Blatt unterstellt, hielte ich aber ebenfalls für dringend notwendig. Leider gibt es diesen Volksaufstand ja gerade nicht. Und ich wundere mich stets aufs Neue darüber, warum der sonst kritische Journalist Niggemeier hier geradezu unterwürfig für die Öffentlich-Rechtlichen spricht. Träumt er von einer eigenen Talkshow in ARD oder ZDF und möchte es sich daher mit ihnen nicht verscherzen? Oder wie ist das zu verstehen?
Nicht nur dass die “Bild” ja täglich propagandistisch gegen die neue Rundfunkgebühr schreibe, andere Medien würden dies auch ungeprüft übernehmen - so Niggemeier. Mit “anderen Medien” scheint er dann aber lediglich den “Focus” zu meinen, denn auf andere Seiten verlinkt er nicht. Was mich besonders erstaunt ist, dass Niggemeier zwar die “Bild” frontal angeht, der KEF, also der Kommission zur Ermittlung der Höhe der Gebühren, aber gefährlich unkritisch gegenübersteht. Was ist denn die KEF? Diese Kommission setzt sich aus Vertretern verschiedener Bundesländerzusammen - und diese werden von den Landesregierungen selbst bestimmt. Der Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger zum Beispiel ist seit Jahrzehnten eng mit der bayerischen Landespolitik verquickt, sein Stellvertreter Ralf Seibicke ist CDU-Mitglied und träumt von einer politischen Karriere in Sachsen-Anhalt. Sind das die unabhängigen Personen, die frei von Druck und Einfluss den Gebührenbedarf von ARD und ZDF ermitteln? Die politischen Parteien haben natürlich großes Interesse daran, dass ARD und ZDF weiter mit viel Geld versorgt werden - denn eine bessere Propaganda-Fabrik als die Öffentlich-Rechtlichen haben die etablierten politischen Parteien nicht.
Ich verstehe auch nicht, wie Niggemeier ernsthaft bestreiten kann, dass ARD und ZDF durch den neuen Rundfunkgebührenbeitrag deutlich mehr Geld einnehmen. Wenn wir von 40 Millionen Haushalten in Deutschland ausgehen, die je 17,98 Euro zahlen, kommt man damit allein schon auf 8,6 Milliarden Euro jährlich. Davon abzuziehen ist dann natürlich wieder die Zahl der Haushalte, die nicht zahlen müssen. Stattdessen wird aber künftig die Wirtschaft zusätzlich zur Kasse gebeten. So zahlt etwa ein Gewerbebetrieb mit 200 Mitarbeitern und 40 Filialen mit je mehr als fünf Mitarbeitern vor Ort ab sofort mehr als 8000 Euro pro Jahr. Die Summe, die die Öffentlich-Rechtlichen hier zusätzlich einnehmen, ist noch gar nicht abschätzbar - aber sie geht mit Sicherheit ebenfalls in die Milliarden. Insofern ist die in dem Focus-Artikel geäußerte Kritik von DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben vollkommen berechtigt. Wenn die Drogeriekette Rossmann statt bislang 35.000 Euro Gebühren nun plötzlich 402.000 Euro zahlen soll, dann kann doch hier irgendwas nicht stimmen. Und dann kommen ja noch Werbeeinnahmen für die Öffentlich-Rechtlichen dazu sowie diverse Umsätze durch Tochterunternehmen von ARD und ZDF. Wie also die KEF ernsthaft von Einnahmen in Höhe von lediglich 29,3 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren ausgehen kann (das wären 7,3 Milliarden pro Jahr), ist schleierhaft. Und das Argument, dass ARD und ZDF ihr zusätzliches Geld ja gar nicht behalten dürften, ist lächerlich - denn mehr Geld auszugeben (und sei es für für sinnlose zusätzliche Online-Angebote oder weitere Digitalkanäle) ist doch nun wahrlich nicht schwer. Übrigens kann sich die KEF ja auch wiederum nur auf das verlassen, was ihr von ARD und ZDF an Zahlen übermittelt wird.
Richtig peinlich wird es aber, als Stefan Niggemeier uns das neue Gebührenmodell erklären möchte, als seien wir alle auf dem intellektuellen Stand eines sechsjährigen Kindes: “Stellen wir uns für einen Moment vor, wir redeten nicht von ARD und ZDF, sondern vom Taschengeld des kleinen Timmy. Der hat bislang jeden Monat 60 Euro bekommen: je zehn von Vater und Mutter und 40 von Tante Ursula. Nach dem Ärger am zweiten Weihnachtstag haben die Verwandten beschlossen, das Geld anders aufzuteilen. Vater und Mutter zahlen jetzt je 15 Euro, Tante Ursula auch, und dafür beteiligt sich Onkel Franz sich ebenfalls mit 15 Euro. Timmys Schwester Tanja findet es doof, dass Timmy überhaupt soviel Taschengeld bekommt, und macht nun Theater: Das sei total ungerecht, dass der Timmy nun viel mehr Geld bekommt als früher. Ich krieg doch gar nicht mehr Geld als früher, sagt Timmy. Wohl, sagt Tanja: Die Eltern zahlen jetzt jeden Monat zehn Euro mehr! Und der Onkel Franz zahlt jetzt plötzlich auch! Überhaupt müssen mehr Leute dein Taschengeld bezahlen! Also ist klar, dass du voll eine Taschengelderhöhung bekommen hast. Tanja will später mal zur “Bild”-Zeitung gehen.”
So, lieber Herr Niggemeier, dann will ich mal einfach bei Ihrem Beispiel bleiben und Ihnen erklären, wie das passender dargestellt wäre mit Timmy und seinen Verwandten:
Timmy hat bislang jeden Monat 60 Euro Taschengeld bekommen - je zehn von Vater und Mutter und 40 von Tante Ursula. Nach dem Ärger am Zweiten Weihnachtstag soll das nun anders laufen. Onkel Franz, der von Tante Ursula längst geschieden ist und den kleinen Timmy gar nicht kennt, soll jetzt auch seinen Beitrag leisten. Onkel Franz weigert sich: “Ich kenne das Kind gar nicht und habe keine Beziehung zu ihm.” Aber Tante Ursula kontert: “Du bist nach wie vor irgendwie ein Verwandter und deswegen hast du genau so viel zu zahlen wie wir alle.” Bei der Gelegenheit holt die Familie noch weitere Verwandte ins Boot, zum Beispiel Onkel Otto, der Hartz-IV-Empfänger ist und kaum mit dem Geld zurecht kommt. “Ich kann das nicht bezahlen”, jammert Onkel Otto. “Ach”, sagt Tante Ursula, “Du kannst dir das Geld ja hinterher von der Sozialbehörde zurückholen. Ist doch alles kein Problem.” Auch Cousin Jochen, der schwer behindert ist, soll zahlen. Und Oma Agathe, die zwei Wohnungen hat, soll den doppelten Anteil leisten - auch wenn sie sich nur stets in einer von beiden Wohnungen aufhält. Timmy indes ist ganz schlau und kauft sich von seinen monatlichen 60 Euro ein paar unnütze Spielzeuge extra. Seinen Verwandten erklärt er das aber anders: “Ich brauche mehr Geld, denn ich kann mir nicht mal ein Mittagessen in der Schulpause leisten. Meine Kohle reicht hinten und vorne nicht.” Als Zeugen dafür holt er sich drei Kumpels dazu, die er mit einigen der gekauften Spielzeuge versorgt. Somit sind die natürlich ganz auf seiner Linie: “Ja, der Timmy hat nie Geld dabei, um sich mal was zu essen kaufen zu können. Wir können das bestätigen.” Die Verwandten sind davon beeindruckt und fragen die drei, wie viel Timmy denn so benötigt: “Och, so 90 Euro dürften wohl okay sein.” Tante Ursula trommelt daraufhin insgesamt fünf Verwandte zusammen, die je 15 Euro bezahlen (Oma Agathe zahlt 30 Euro).