Holger sollte nicht darauf verzichten, einen Beitrag über die „Roten-Flora-Demo“ zu machen.
Die parteiische Berichterstattung, die sich die ÖR und Privaten geleistet haben, ist eine unerträgliche Verzerrung der Ereignisse.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Medien oft nur sehr einseitig berichten. Der Polizeisprecher ist meist die erste und leider manchmal sogar die einzige Quelle, wenn es darum geht, die Bilanz des Tages zu ziehen. Das hat viele mögliche Gründe. Bequemlichkeit. Voreingenommenheit.
Was alles nicht gesagt wird: Die Krawalle in Hamburg und die Rolle der Polizei - n-tv.de
Die Mainstreammedien verzichten wiedermal auf Aufklärung.
Um was geht es den Demonstranten eigentlich? Wofür oder wogegen demonstrieren tausende Menschen? Was sind die Hintergründe des Streits um das Kulturzentrum und die Esso-Häuser?
Auf das Beantworten von derlei angebrachten Fragen wird verzichtet.
Denn bei diesem Konflikt ist das asoziale Verhalten von Politik und Kapital nicht mehr zu beschönigen.
Deutsche Immobilienriesen und eine US-Investmentfirma wollen mit allen legalen und ilegalen Mitteln den Schmuddelkiez platt machen, um hochpreisigen Wohn- und Gewerberaum zu schaffen.
Stattdessen:
Schon Tage vor der geplanten Demonstration gegen die Räumung des Hamburger Kulturzentrums »Rote Flora« wurde in den Nachrichten von »Gewalt« gesprochen. In Berichten und Interviews mit Polizeieinsatzkräften war wiederholt von »zu erwartenden Ausschreitungen« die Rede. Die gesamte Hamburger Innenstadt wurde zur Gefahrenzone erklärt. Da war noch gar nichts passiert.
Blog: Rote Flora ǀ Wer darf in der Stadt wohnen? — der Freitag
Am Abend der „Demo“ berichteten ARD/ZDF tatsächlich, dass 81 Polizisten verletzt wurden, ohne ein Wort über die mehreren Hundert verletzten Zivilisten zu verlieren, oder dass diese bestens ausgerüsteten Hundertschaften grundlos, die Demonstranten eingekesselt und niedergeknüppelt haben.
Nur zur Erinnerung: Es gab 500 Verletzte Menschen. Zwei Dutzend davon schwer.
Wer stattdessen nur über verletzte Polizisten berichtet, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, aus eigener Anschauung, bei Rettungsstellen, Demonstrations-Sanitäter/innen, Krankenhäusern oder anderen Quellen die Zahl verletzter Demonstranten in Erfahrung zu bringen, sollte sich irgendwann mal fragen, was das eigene Verständnis von Journalismus ist – und ob dieses möglicherweise auch mit der viel beschworenen “Medienkrise” zusammenhängt.
http://www.publikative.org/2013/12/23/hh2112-die-polizei-die-medien-und-die-gewalt/
Ein Anwohnerin erzählt in diesem Interview, wie brutal die „Staatsgewalt“ vorging.
Nur allzu gerne hätte man das Material der zahlreichen professionellen Kameras, die das Aufstoppen der Demonstration ebenfalls filmten, später auch im Fernsehen betrachtet, doch dort gab es dann – wie häufig in solchen Fällen – nur Gewaltszenen zu sehen – nachdem die Situation bereits eskaliert war. Wenn Polizei, Profis und Amateure ihr gesamtes Material zur Verfügung stellten, ließe sich daraus jedenfalls selbstredend ein halbwegs multiperspektivischer Blick auf das Geschehen rekonstruieren
http://www.publikative.org/2013/12/23/hh2112-die-polizei-die-medien-und-die-gewalt/
Im Sommer haben dieselben Medienpfeiffen, die diese Protestniederknüppelung elegant runtergespielt haben, noch die Polizeieinsätze im Gezi-Park und Taksim-Platz in Istanbul kritisiert und Erdogans Regierungsstil als despotisch gebrandmarkt.
Vor der eigenen Haustür scheinen andere Maßstäbe zu gelten.
Oder noch aktueller:
Und zur Wahrheit gehört, dass wir vergessen haben - oder vergessen wollen -, dass politische Ziele eben oft nur auf der Straße erreicht werden. Bewundernd beschreiben deutsche Zeitungen in diesen Tagen die Barrikaden in Kiew, die von ihren Erbauern entschlossen gegen die Einsatzkräfte verteidigt werden. Mit Gesängen allein geht das nicht. Die USA und die EU haben übrigens den Polizeieinsatz in Kiew verurteilt. Als ungerechtfertigt und übermäßig. Es wäre doch eine schöne Pointe, wenn Wiktor Janukowitsch mal einige Worte zum Polizeieinsatz an der Roten Flora verlieren würde.
Was alles nicht gesagt wird: Die Krawalle in Hamburg und die Rolle der Polizei - n-tv.de
Was sich die Polizei da wiedermal erlaubt hat, ist ein antidemokratischer Angriff auf Bürger dieses Landes, die von ihrem Demonstrationsrecht gebrauch machen wollten und schlichtweg entrechtet wurden.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Polizei ein politischer Akteur ist. Sie sollte das eigentlich nicht sein, es ist nicht so vorgesehen in der deutschen Gewaltenteilung. Sie sollte bestehende Gesetze sichern. Sie tut mehr. Sie verfügt über den Notstand. Im Vorfeld der Demonstration hat sie ein „Gefahrengebiet“ erlassen. Die Polizei darf in so einem Gebiet verdachtsunabhängig kontrollieren, Platzverweise erteilen, Menschen in Gewahrsam nehmen. Nochmal: Die Polizei selbst gibt sich diese Rechte. Kein Gericht.
Was alles nicht gesagt wird: Die Krawalle in Hamburg und die Rolle der Polizei - n-tv.de
Übrigens:
Welche Haltung im Polizeiapparat vorherrscht, lassen solche Meinungsäußerungen erahnen:
„Keine Demonstranten, sondern gewalttätiger Abschaum“