Nun heute gibt’s Kommunalwahlen in der Türkei, und das wird der erste große Lackmustest, ob die durch die Gezi-Proteste entfesselten Unruhen und die Korruptionsaffären Erdogan und seiner AKP (islamisch-konsvervativ-wirtschaftsliberal) nachhaltig geschadet haben oder ob die Mehrheit so dumm und zufrieden geblieben ist wie vorher.
Generell sollte man sich dann Sorgen machen, wenn amtierende Staatschefs anfangen, sich verherrlichende Spitznamen wie “Großer Meister” geben zu lassen.
Elf Jahre ist der Große Maestro schon Ministerpräsident. Seit 2007 mit absoluter Mehrheit. Wobei man dazu rechnen muss, dass das türkische Parlament mit 10% eine enorm hohe Hürde aufweist. In Klarzahlen unterstützen rund 43% der Wahlberechtigten Türken die AKP.
Die Frage ist, warum es mehr als eine Dekade gedauert hat, bis sich eine kämpferische außerparlamentarische Opposition formiert hat? Den Ausverkauf der Türkei, also ständig steigende Handelsdefizite mit gleichzeitiger Privatisierung staatlicher Betriebe und Rohstoffquellen, vornehmlich durch US-Kapital, konnte jeder der wollte mitverfolgen.
In der ersten Legislaturperiode waren die AKP-Scheinheiligen noch relativ brav. Die radikalen Entscheidungen fingen erst nach der Wiederwahl statt. Und die freiheitlich-demokratischen Eliten und Schichten vertrauten wohl darauf, dass das Militär, die bisher immer als Hüter der Republik fungiert hatte, im Notfall eingreifen würde. Man ließ also mehr oder weniger bedenkenlos bis fahrlässig die Scheinheiligen die Staatsorgane infiltrieren.
Hinzu kommt ja auch, dass das Unter-Beschlag-nehmen von Justiz, Polizei und Staatsmedien durch die jeweilige Regierung schon immer der Normalfall war. So machten es quasi alle Parteien, die in der 90 jährigen Geschichte der Türkei regierten.
Vor sechs Jahren legte die AKP urplötzlich los wie die Feuerwehr. Die AKP hatte bis dahin alle feindlichen Netzwerke heimlich abgehört, und sie wußten, wer ihnen schaden könnte. In den Ergenekon-Prozessen wurde mit Gestapomethoden und ohne rechtstaatlicher Legitimation alle einflußreichen regierungskritischen Kräfte mundtot und machtlos gemacht. Gefährliche Militäroffiziere, Politiker, Geschäftsleute, Rechtanwälte und Journalisten, alle auf einen Schlag unter dem Vorwand, sie würden heimlich Terrorismus betreiben.
Innerhalb weniger Monate änderte sich die Atmosphäre von halbwegs funktionierenden Rechtsstaat in gar kein Rechtsstaat.
Keiner konnte sich sicher sein, nicht im Knast zu landen, wenn er öffentlich Kritik äußerte.
Vor allem deswegen dauerte es bis 2013 bis sich wieder ein effektiver ziviler Widerstand formieren konnte.
Neue Netzwerke mussten entstehen, weil die alten nicht sicher oder im Knast waren.
Was die Proteste natürlich auch gebracht haben, ist die Radikalisierung der Bevölkerung zu der einen oder anderen Seite.
Radikalisierung ist immer schlecht, auch wenn’s gegen einen Despoten geht.
Ich glaube, dass die AKP bei der Wahl heute Verluste erleiden wird, aber sie werden nicht so hoch sein, dass man von einem Umschwung sprechen kann.
Die Mehrheit ist dumm und lässt sich durch die großen Verschwörungslügen des Erdogan, der ausländische Kräfte und die Zins-lobby (Er meint natürlich die Juden-Lobby) für den wirtschaftlichen Verfall und die Aufstände verantwortlich macht, in die Irre führen.