Offenkundig müssen ARD und ZDF aber nicht auf die Live-Streams zur EM 2012 verzichten. Das dürfen die offenbar. Insoweit ist Ihr Hinweis darauf, auf Mediathek Angebote auch verzichten zu müssen, sachfremd.
Wenn man die Internetseiten ZDF.de sowie Sportschau.de aufsucht, so werden einem die Streams direkt angedient, ohne dass man sich noch großartig durch alle möglichen Unter-, Unterunter-, Unterunterunterbereiche durchklicken muss; wenig anders, nur weit weniger aufdringlich ist es mit Ard.de. Anders gesacht: ARD und ZDF fordern regelrecht dazu auf, diese topaktuellen Mediathek-Angebote auch zu nutzen.
Will sagen: Obwohl es “objektiv” und “formell” ein Zusatzprogramm darstellt, so sind die Sendeanstalten redlich darum bemüht, diese Art Inhalte an prominenter Stelle anzubieten und bereitzustellen. Meine Kritik ist deshalb eben:
Weil sie das in dieser Form tun, müssten sie an und für sich die notwendige IT-Infrastruktur bereitstellen. Offenkundig können sie das nicht und sind daher sehr gut beraten, diese technischen Probleme zu lösen - etwa durch deutliche Hinweise auf ein limitiertes Angebot, die Reduktion der Qualität für alle Zugriffe, um stabilere Streams zu ermöglichen, bzw. die Zugriffsbeschränkung statt dynamische Qualitätsanpassung etc. pp. Das alles tun sie aber nicht.
Sich damit zu entschuldigen, dass es ja nur ein “Zusatzprogramm-Angebot” sei und dass der Zuschauer bzw. Internetnutzer hier keine zu hohen Erwartungen haben dürfe, ist billig, zu einfach und wird vor allem der Sache überhaupt nicht gerecht.
Vor dem Hintergrund auch, dass eben bei anderen Sportgroßveranstaltungen diese Probleme nicht aufgetreten sind (darauf wies ich bereits zwei mal hin - s.o.), kann man als Außenstehender nur mutmaßen:
- Sind etwa DERMAßEN viel mehr Nutzer am Start, die sich diese Inhalte ansehen wollen, als es beim DFB Übertragungen oder dem CL Finale der Fall war? Und haben ARD und ZDF lachhafte Prognosen darüber erstellt, wie groß der Internetnutzer-Andrang auf die Mediathek-Angebote zur EM 2012 sein würden?
- Oder wurden aus welchen Gründen auch immer die Ressourcen sogar zurückgefahren?
Ein Sende-Rechte-Problem kann es nicht sein, denn immerhin gibt es die Live-Streams; immerhin wird auch während der Streams die volle Bandbreite an Werbeinspielungen durchgeführt (!), sowie werden die Mediathek-Live-Stream-Angebote mit anderem TV-und-Web-Content verkoppelt; diese Live-Streams werden noch nicht mal unterbrochen, um auch andere Formate wie Nachrichten bzw. Vor-, Zwischen- und Nachberichterstattung durchlaufen zu lassen. Mit anderen Worten: Diese EM-2012-Live-Streams sind inhaltlich wenn nicht absolut, dann nahezu identisch zu dem, was über den 0815-Glotz-Kanal läuft. Hier also auf “Zusatzprogramm” abzustellen und festzustellen, dass das Internet-Angebot trotz der identischen Inhalte eben ein anderer, untergeordneter, und deshalb weniger bedeutsamer Ausgangskanal sei, an den nicht dieselben oder vergleichbare Ansprüche wie beim Glotz-Kanal gestellt werden dürften, das ist bizarr. Schließlich sind IP-TV, Web-TV und Mediathek-Angebote mittlerweile etablierte Elemente aller großen Sende-Anstalten; außerdem funktionieren die EM-2012-Live-Streams von ARD und ZDF über Zattoo** ohne Beanstandung, was angesichts der eigenen Mediathek-Angebote wirklich bizarr ist. Mal 'ne Analogie: Wenn ich einen Mercedes bei Mercedes kaufe, dann darf ich doch eher Mercedes-Qualität erwarten, als wenn ich einen Mercedes von Mercedes über einen VW-Händler erwerbe … Oder nicht?
Also: “Zusatzprogramm” hin oder her: Mit diesem Live-Stream-Angebot werden ein anderer Eindruck und ein hoher Anspruch* vermittelt, denen ARD und ZDF mit ihren EM-2012-Live-Streams absolut nicht gerecht werden. Sich auf “Zusatzprogramm” zurückzuziehen und die Hände in Unschuld zu waschen, weil die Streams nicht im geringsten halten, was versprochen wird, das ist billig und nicht sachgerecht. Wenn dieser ganze Budenzauber um Web-Präsenz und Mediatheken nur “Zusatzprogramm” sein soll, dann sind die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten sehr gut beraten, einfach mal in allen Bereichen ein paar Gänge runterzuschalten, das Mediathek-Angebot stärker technisch und inhaltlich zu beschränken, anstatt so oppulent, wie sie es eben tun, aufzutreten und sich selbst als hippe, hyper und moderne Internet-Medien-Anstalten zu gerieren.
Darüber rege ich mich auf; und “Zusatzprogramm” lasse ich als Erklärung, Rechtfertigung oder Entschuldigung nicht gelten.
- Gemeint ist: Anspruch an das Ankommen im Internet-Zeitalter, in der modernen Medienlandschaft etc.
** Ich behaupte: Zattoo hat garantiert nicht die Infrastruktur und technischen Möglichkeiten, wie die öffentlich rechtlichen Medienanstalten; und doch funktioniert das, was Zattoo tut, gut genug.
EDIT:
Hier mal Herr Frey bei LogIn:
http://www.youtube.com/watch?v=-9sc3RrIsHo
In diesem Video bei 0:17: "Wir sind das Netz."
Später relativiert er das zwar und verweist darauf, dass konventionelle Angebote ihre Vorzüge haben; gleichwohl ist das Internet-Selbstverständnis NICHT mehr “Zusatzprogramm”, auch wenn das in den internen Papieren und Regulierungen anders dargelegt wird. Später wird die Verantwortung (Depublizieren, Überregulierung) der Politik zugeschoben, womit nach meiner Lesart Peter Frey sogar sagt: “Wir würden sogar gerne mehr Internet/ Mediathek machen.” Zusatzprogramm??? Nee …
Und in diesem Ausschnitt geht es konkret um die Mediathek des ZDF:
http://youtu.be/YeqMEn7j_y8
Zusatzprogramm? Nein.