ich fang mal an:
@Danzig: Verdammt guter Post. Dem meisten von dem was du sagst kann ich zustimmen. Bei so nem langem Post natürlich nicht allem, aber das meiste ist spitze.
@Ausgangspost: Erstmal zu Anfang, die Gedanken an sich haben nichts verwerfliches und ich sag mal bis vor so 5-8 Jahren hättest du bei mir voll ins schwarze getroffen. Ich wäre mit wehenden Fahnen und einem Kasten Bier zu dir gekommen. Nach der ersten Hälfte hätten wir gewusst wie wir die Welt retten können, nach dem Rest des Kasten hätten wir Erfolg mit unserem Plan gehabt und dann wäre draußen langsam wieder die Sonne aufgegangen und während sich der Schleier der Nacht hebt merkt man, dass die Welt da draußen immer noch die selbe ist. Zumindest ist es mir immer wieder so mit einigen Freunden passiert, die politisch mit mir auf einer Wellenlänge waren.
Aber jetzt komme ich zu deinem Post, ich werde einfach mal die stellen da rauspicken an denen ich dir widersprechen würde oder dir sagen will wo die Lösung liegen würde, alles aus meiner eigenen Perspektive ohne Rücksicht darauf ob das was ich schreibe bei dir überhaupt so möglich ist. Ich denke zumindest es wäre angebracht hier auch einiges über sich persönlich und seine Beweggründe für sein Weltbild darzulegen.
Folgende Information zu mir: Ich bin ein glücklicher Mensch, der es bis jetzt immer geschafft hat aus jedem Schicksalschlag seines Lebens das beste raus zuholen. Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht, aber keinen den ich in der Rückschau bereuen würde.
Stellen wir erst einmal den Hintergrund dar, was die „Freundin“ auf Facebook veranlasst hat solch einen Satz zu sagen.
Wieso machst du dir Gedanken um den Satz einer Anführungstrich-Freundin auf Facebook? Wenn ich mir die Meinung von irgendjemandem zu Herzen nehmen soll, dann sollte diese Person zu meiner Familie gehören oder zu meinen Freunden ohne Anführungsstriche.
Wenn ich mir doch mal Gedanken über einen Kommentar von einer Person mache die nicht in diesen Kreis fällt… dann habe ich vorher vermutlich etwas falsch gemacht.
Reden? Zuhören? Vielleicht auch noch verstehen und Trost spenden? Das erfordert ja für einen anderen Menschen richtig da zu sein. Ist da überhaupt Platz in unserer leistungsorientierten und kapitalistischen Gesellschaft?
Auch wenn Danzig es schon gesagt hat: Das wonach du hier fragst nennt man Familie. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Unabhängig von der Gesellschaft in der du lebst ist die Familie der Ankerpunkt. Meine Eltern und meine Geschwister das sind die Leute zu denen ich immer zurückkommen kann, egal in welcher Scheiße ich stecke.
„Hast Du Dir es denn verdient, dass ich Dich jetzt im Arm nehme?“
Die Frage stelle ich meiner Tochter auch, aber doch nur um sie direkt danach in den Arm zu nehmen und zu trösten. Zumindest mir geht es mit dem Satz um folgendes: Erst einmal nutze ich zu jeder noch so unpassenden Situation ironische Kommentare und da ist auch meine Tochter nicht vor sicher.
Der wichtigere Grund ist aber, wenn sie etwas falsch gemacht hat dient dieser Satz vor dem trösten ganz einfach dem Denkanstoß.
Wenn der Satz aber tatsächlich mit einer Verweigerung des Trösten einhergeht. Dann… ähm wenn ich das sage würde ich jetzt mir unbekannte Menschen beleidigen die keine Chance haben sich zu wehren. Aber vorsichtig ausgedrückt: Der Fehler liegt nicht an irgendeinem ominösen System sondern bei deinen Eltern.
Schon als Kind wird man konfrontiert, konfrontiert mit einem Katalog an Regeln. Tu dies nicht, tu das nicht. Es ist ja nur zu Deinem besten. Erziehung nennt man das.
Das nennt man nicht nur Erziehung, dass ist Erziehung. Ich bringe meiner Tochter bei das sie anzuklopfen hat bevor sie in die Räume anderer Leute reinstürmt. Ich bringe ihr bei, dass sie „Danke“ sagen soll wenn ihr irgendetwas gegeben wird. Ich bringe ihr bei, dass man „Bitte“ zu sagen hat wenn man etwas haben will.
Warum erlege ich ihr diese absolut störenden und „entwicklungshemmenden“ Regeln auf?
Weil ich ganz einfach daran glaube, dass Höflichkeit und Respekt wichtige Werte in jeder Gesellschaft sein sollten. Dieser Respekt und auch die Höflichkeit werden durch Sprache transportiert.
Schon als Kind wird man dazu erzogen, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu werden.
Wir man? Also meine Eltern haben vor allem darauf geachtet, dass ich ein eigenständiger und Selbstbewusster Mensch werde. Und das obwohl sie genau in das von dir vorgebrachte Schema fallen:
Schule zuende bringen, einen guten Job finden, Familie gründen und vielleicht ein kleines Haus bauen. Jeden Tag 8-10 Stunden arbeiten, der Rest ist Dir freigestellt für essen, Hobby und… korpulieren. Jeden Tag derselbe Ablauf.
(Wobei ich mich gegen die Vorstellung des „korpulieren“ in Verbindung mit meinen Eltern wehren will. Eltern sind für ihre Kinder asexuelle Wesen und zwar egal wie alt das Kind ist!)
Krankheiten werden dämonisiert und alles was aus dieser Norm fällt, ist entweder faul, asozial, ein Schmarotzer oder bestenfalls bemitleidenswert.
Ich würde sagen hier übersiehst du ein bisschen was: Nicht alles was aus der Norm fällt ist ein Problem. Sondern alles was aus der Norm fällt und deshalb nicht in der Lage ist zu leben ist ein Problem.
Ich gehe in diesem Zusammenhang mal auch auf folgendes ein:
Depression ist keine Krankheit!
Doch Depressionen sind eine Krankheit. Depressionen haben auch nichts mit „schlimmen Erlebnissen“ zu tun. Aber auch hier gilt nur weil jemand depressiv ist wird er deshalb nicht behandelt. Erst wenn er aufgrund der Depressionen nicht mehr Leben kann oder er sich in seiner Lebensqualität so eingeschränkt sieht, dass er es nicht aushält. Dann wird behandelt. Bevor jemand mit Depressionen behandelt wird muss der Depressive zu einem Arzt. Das bedeutet: Der Depressive hat für sich eingesehen, dass er ein Problem hat.
In einem Fall den ich sehr gut kenne war es folgendes: Das Studium wurde nicht mehr fortgeführt und die Person saß den ganzen Tag nur zu hause am Rechner und hat sich in regelmäßigen Abständen abends in den Schlaf geweint. Nachdem diese Person, dass zwei Jahre so gemacht hat, hat sie eingesehen zum Arzt gehen zu müssen und bekam Medikamente und siehe da: Wir haben mittlerweile wieder eine glückliche Person, die die Wohnung wieder verlässt, mittlerweile die Medikamente abgesetzt hat und sich langsam eine Existenz aufbaut. Das wichtigste nochmal zum Schluss: Die Person ist GLÜCKLICH und kein medikamentöser Zombie.
Ich stimme dir insofern zu, dass heutzutage gerade bei Kindern zu schnell von psychischen Erkrankungen ausgegangen wird. Aber deshalb zu glauben es gäbe sie nicht ist absurd. Auch ADHS kann ein Problem werden. Es stimmt das häufig Kinder die einfach nur etwas aktiver als andere sind schon in die Richtung geschoben werden und das ist schlimm. Aber ein Kind das tatsächlich ADHS hat braucht Hilfe.
Es ist das Ziel dem Menschen ein menschenwürdiges Leben zu geben und nicht ihn „funktionstüchtig“ zu machen. Erwachsene Menschen entscheiden selbst wann sie zu Medikamenten greifen wollen. Kein Arzt zwingt einen Depressiven Antidepressiva zu schlucken. Wie den auch?
Warum muss man sich diesen Plan unterwerfen?
Musst du doch nicht. Wenn du mit wenig glücklich sein kannst, dann suche dir eine alternative Kommune und leb da mit den Leuten zusammen. Es gibt genug Menschen, die sich diesem „System“ entziehen und auf alternative Art leben und es steht jedem frei da mitzumachen. Wenn du keine findest die dir zusagt, dann such dir gleichgesinnte und baut selber etwas auf. Man kann sich dem Mainstream tatäschlich entziehen, wenn man es unbedingt will.
Es geht nie darum die eigene, ganzheitliche Mitte zu finden. Es geht in dieser Gesellschaft nie um Selbstfindung.
Das hier klingt für mich wie: Such dir ein nettes Kloster, am besten irgendwo in Asien. Da geht es genau um das. Der Satz ist nicht ironisch gemeint. Wenn das was du brauchst Selbstfindung ist, dann ist eine Gemeinschaft von Leuten die nur damit beschäftigt sind eine gute Idee und auch hier gilt: Es gibt genug Klöster die auch europäische Aussteiger aufnehmen. Frag mich nur nicht wie man die findet. ^^
Doch gedanklich hat man einer Linie zufolgen: erfolgreich sein, Geld zu verdienen und sich Statussymbole anzuhäufen, die man natürlich nach ein paar Monaten wieder wegwirft, weil ein neues Spielzeug auf den Markt gekommen ist. Wer bewusst etwas anderes will, der wird kriminalisiert und dämonisiert. Wie oben schon gesagt: häufig als Assi oder Schmarotzer.
Hmm mein Lebensziel ist: Dafür zu sorgen das meine Tochter glücklich ist, einen Job bekommen in dem ich meinen Kopf benutzen kann und ansonsten ist mir das Geld das ich habe eigentlich wurscht, solange es zum Leben reicht und man sich ab und an mal ein wenig „Luxus“ leisten kann.
Diese Vorstellungen von Leben trage ich auch nach außen. Bisher wurde ich deshalb noch nicht „kriminalisiert“ oder „dämonisiert“. Wegen meiner Einstellung zum Geld wurde ich durchaus schonmal als „weltfremd“ oder „naiv“ bezeichnet das ja. Aber es gibt echt schlimmere Adjektive.
Man muss sich die Hilfbereitschaft häufig verdienen. „Hilfst Du mir, so helfe ich Dir“ - häufig scheitern die Menschen an diesem einfachen Motto.
Mooooment: Erst beschwerst du dich darüber das man sich „Hilfsbereitschaft verdienen müsse“ und dann willst du mit dem Satz „Hilfst Du mir, so helfe ich Dir“ eine neue Form von Gegenseitigkeit beschwören? Dieser Spruch sagt doch gerade aus, dass man sich Hilfsbereitschaft verdienen muss. Es sagt aus, dass Hilfsbereitschaft auf Gegenseitigkeit funktioniert. Dir wird nur von denen geholfen denen du auch geholfen hast. Und wenn dir jemand hilft ohne das du etwas für ihn getan hast, dann darf diese Person vollkommen zu Recht erwarten, das du ihm auch hilfst.
Schlimm wird es, wenn man, wie ich, gerne hilft ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Einfach weil man den anderen Menschen mag. Man wird häufig, sehr häufig, einfach ausgenutzt.
Wenn du hilfst ohne eine Gegenleistung zu erwarten, dann ist das sehr rühmlich und spricht absolut für dich. Aber wenn du nichts erwartest wenn du hilfst, wie kannst du dich dann „ausgenutzt“ fühlen?
Nun: ich habe Sehnsucht! Sehnsucht danach, dass all diese anskizzierten Gesellschaftszwänge endlich verschwinden. Was mich betrifft: ich lebe weiter abseits diese Normen! Ich möchte kein Lohnsklave werden, sondern mit meiner Kraft etwas sinnvolles errichten. Ich möchte garnicht soviel Geld um mir jeden Monat neue Statussymbole leisten können. Was ich möchte, nein, was ich fordere!, ist: Respekt für Menschen mit anderen Lebensansichten. Respekt dafür, dass man seinen ureigenen Weg gehen möchte, ohne dass einen von allen Seiten Steine im Wege stehen. Ich wünsche mir eine Gesellschaftsform ohne Zwänge, ohne Kälte und Egoismus und vorallem: ohne die Vergötterung des Kapitals!
Klingt für mich eher nach: Ich forder den einfachsten Weg für mich. Sorry aber wenn du etwas willst dann musst du dafür arbeiten, egal in welcher Gesellschaftsform. Du bist gefragt deine Träume zu verwirklichen und nicht andere.
Der Kapitalismus hat viele Fehler und sehr viele diese Fehler sorgen für enormes Leid unter den Menschen. Aber zu behaupten, dass man sich nicht individuelle entfalten könnte. Das man nicht seinen eigenen Weg finden könnte. Das ist eine Schutzbehauptung.
Wenn du anders leben möchtest dann tu es. Aber erwarte nicht das dir jemand dafür den Weg ebnet und dir Rosenblüten vor die Füße wirft während du ihn entlang gehst.
Ist dies naiv? Nein!
Doch! Oooh.
Ich für mich werde weiterhin nach meinen ureigenen, häufig altruistischen Wertevorstellungen leben. Egal, wie oft ich damit hinfalle. Denn anpassen werde ich mich nicht. Nicht an ein kaltes, unmenschliches System in der Emotionen und Gefühle keinen Platz haben!
Was den nun? Einerseits schreibst du die ganze Zeit, dass es dir nicht möglich wäre dich individuell zu entfalten, dass wir alle diesem unmenschlichen (und das Wort meine ich ernst) Kapitalismus unterworfen wären und du beendest das ganze damit, dass du deinen individuellen Lebensstil weiterhin leben wirst.
Ist es dir jetzt möglich deinen Lebensstil auszuleben oder nicht?
Wenn du es kannst: Wodrüber beschwerst du dich? Das ein großer Teil der Menschen bei deinem Lebensweg nicht mitziehen will? (Ich fordere Individualität! Solange alle es so machen wie ich!)
Wenn du es nicht kannst: Dann benenne Ross und Reiter. Wer hält dich auf? Was GENAU sind die Sachen die du nicht machen kannst, die du aber gerne machen würdest? Wieso ist es dir nur möglich diese Sache zu machen wenn der Kapitalismus nicht mehr existiert?
Verstehe mich nicht falsch: Ich stimme dir in einigen Punkten deines Posts zu. Das der Kapitalismus ein System ist das zu sehr auf Leistung fixiert ist und im Prinzip unmenschlicht ist, ist vollkommen richtig. Aber die Aussage, dass es uns nicht möglich wäre uns frei zu entfalten ist Schwachsinn. Natürlich gibt es bestimmte Wege die schwieriger sind als andere. Aber niemand hält dich auf da lang zu gehen.