Diskussion über den Blog-Artikel: Schluss mit den Grundrechten
In Folge 40 zeige ich Ihnen in einem Beitrag, wie es hinter den Kulissen der Kabel1-Dokusoap “Schluss mit Hotel Mama” zugeht. Wie viele Menschen in diesem Land muss es geben, die gern, ähnlich wie Protagonist Christian, öffentlich darüber aufklären würden, wie sehr sie vom Fernsehen missbraucht worden sind (anders kann man das ja nicht nennen). Die meisten allerdings haben Angst davor - denn sie haben alle einen Knebelvertrag unterschrieben, der ihnen fast schon die Luft zum Atmen nimmt. Es ist ein Vertrag, der dem Produzenten quasi Narrenfreiheit einräumt, dem Protagonisten aber beinahe alle Rechte nimmt. Mir liegt so ein Vertrag vor. Aus rechtlichen Gründen kann ich ihn nicht zum Download anbieten, möchte aber gern ein paar Punkte daraus zitieren.Der Vertrag ist acht Seiten lang und umfasst 43 Einzelpunkte! Hier ein paar Auszüge - und meine dazugehörige Interpretation:
“Der Produzent plant, eine TV-Dokumentationsreihe zu dem Thema ‘Wenn Kinder lange zu Hause wohnen bleiben’ auf der Grundlage eines von Walt Disney entwickelten Formates zu erstellen.”
>>> Walt Disney ist ja bekanntermaßen harmlose Familienunterhaltung. Das ist also was ganz Nettes und Kuscheliges, bei dem Sie hier mitmachen. Sie brauchen den Vertrag eigentlich gar nicht mehr weiterzulesen.
“Der Vertragspartner ist damit einverstanden, dass er nähere Informationen zu dem der Produktion zugrundeliegenden Format erst nach Beginn der Dreharbeiten erhalten wird.”
>>> Kaufen Sie erstmal die Katze im Sack und unterschreiben Sie. Wir wären ja blöd, Ihnen schon vorher zu verraten, wie sehr wir Sie verarschen wollen.
“Für den Fall, dass der Produzent den Produktionszeitraum - aus welchen Gründen auch immer - verlegen muss, wird der Vertragspartner alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um dem daraus erwachsenden Änderungsbedarf des Produzenten entsprechen zu können.”
>>> Sie tanzen gefälligst nach unserer Pfeife. Zumutbarkeit ist ein weit dehnbarer Begriff, damit können Sie sich also nicht mehr wehren gegen unser Diktat.
“Der Vertragspartner ist damit einverstanden, dass der Produzent ihn während des Produktionszeitraumes mit einem Kamerateam ständig (abgesehen von den Zeiten der faktisch in Anspruch genommenen Nachtruhe) begleitet und Aufnahmen (Bild, Film und Ton) von ihm erstellt.”
>>> Wenn wir wollen, kommen wir auch mit unter die Dusche und aufs Klo. Und faktisch in Anspruch genommene Nachtruhe heißt: Du pennst dann, wenn wir es dir erlauben!
“Der Vertragspartner soll während des Produktionszeitraumes frei agieren und dabei lediglich mit der Kamera begleitet werden. Der Produzent wird dem Vertragspartner dementsprechend keine von ihm zu sprechenden Texte vorgeben. Der Produzent wird dem Vertragspartner bei Bedarf inhaltliche Vorschläge unterbreiten. Nimmt der Vertragspartner diese Vorschläge an, so geschieht dies auf rein freiwiliger Basis.”
>>> Wir haben aber den längeren Atem. Wenn uns also Ihr Statement auch beim 20. Mal nicht passt, dann drehen wir es eben noch ein 21. und 22. Mal - bis Sie, natürlich vollkommen freiwillig, endlich einlenken und das sagen, was wir gern von Ihnen hören möchten.
“Der Vertragspartner ist sich darüber bewusst und damit einverstanden, dass während des Produktionszeitraumes ggf. auch solche Aufnahmen entstehen, die den Vertragspartner in einer ihm selbst nicht gefallenden Art und Weise präsentieren.”
>>> Das sind uns sogar die liebsten Aufnahmen. Im Grunde tun wir alles dafür, damit wir solche Aufnahmen bekommen. Denn Sie sind ja schließlich das Opfer, Sie wissen es bloß noch nicht.
“Auch wenn die Produktion einen Dokumentationscharakter haben soll, so ist für diese und deren Publikumserfolg doch wesentlich, dass die mitwirkenden Protagonisten ein hohes Maß an Aktivität und Engagement aufweisen. Der Vertragspartner ist sich hierüber bewusst und wird sich entsprechend einsetzen.”
>>> Darunter verstehen wir, dass Sie zwar nur mit der Kamera begleitet werden, aber trotzdem nicht tun und lassen können, was Ihnen gerade so passt. Ihr Leben ist uns doch viel zu langweilig, als dass wir daraus einen Publikumserfolg machen könnten.
“Der Vertragspartner räumt dem Produzenten das Recht ein, die Aufnahmen umfassend - unter Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte - zu bearbeiten, nämlich insbesondere zu kürzen, zu teilen, zu ergänzen, zu kolorieren, zu vertonen, zu übersprechen, zu synchronisieren, zu untertiteln etc.”
>>> Wir können manipulieren wie es uns passt - und Sie können uns gar nichts!
“Die Aufwandsentschädigung gemäß Ziffer 4.1 wird zu 100% nach Erstellung einer schriftlichen Zahlungsaufforderung mit Beendigung des Produktionszeitraumes fällig, vorausgesetzt, der Vertragspartner hat bis zum Ende des Produktionszeitraumes vertragsgemäß an der Produktion mitgewirkt.”
>>> Wer nicht spurt, kriegt auch kein Geld - und wir wissen, wie geil Sie auf die 500 Euro sind!
“Der Vertragspartner wird im Rahmen seiner vertragsgegenständlichen Mitwirkung an der Produktion dafür Sorge tragen, dass er keine Rechte Dritter (z.B. Persönlichkeitsrechte) sowie keine vertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften verletzt, die zu Ansprüchen gegenüber dem Produzenten, einem mit dem Produzenten verbundenen Unternehmen oder einem durch den Produzenten berechtigten Dritten führen können.”
>>> SIE dürfen nicht die Persönlichkeitsrechte anderer verletzen - wir hingegen schon!
“Im Übrigen unterliegt der Vertragspartner der Verpflichtung zur Geheimhaltung. Der Verpflichtung zur Geheimhaltung unterliegt der Vertragspartner auch im Hinblick auf seine Mitwirkung an der Produktion, den Inhalt der Produktion sowie die Verhältnisse des Produzenten. Diese Verpflichtung gilt ausdrücklich über die Laufzeit dieses Vertrages hinaus.”
>>> Sie haben gefälligst die Schnauze zu halten - für immer und ewig. Ein Wort über die Schweinerei, die wir mit Ihnen veranstaltet haben - und Sie kriegen eine Klage an den Hals!
“Von etwaigen diesbezüglich geltend gemachten Ansprüchen Dritter stellt der Vertragspartner den Produzenten auf erstes Anfordern frei und ersetzt dem Produzenten sämtliche Schäden und Kosten (inklusive sämtlicher Rechtsanwalts- und Gerichtskosten), die bei dem Produzenten mit der Geltendmachung solcher Ansprüche einhergehen.”
>>> Falls es juristischen Ärger gibt, zahlen SIE - auch wenn wir das Verfahren verlieren sollten.
“Wirkt der Vertragspartner nicht oder nicht vollständig nach Maßgabe dieses Vertrages an der Produktion mit, so hat er dem Produzenten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Etwas anderes gilt, sofern und soweit der Vertragspartner unverschuldet verhindert ist.”
>>> Falls Sie vorzeitig zu Tode kommen, müssen Sie uns keinen Schadensersatz zahlen. Ansonsten gilt: Spuren Sie oder zahlen Sie!