Richard David Precht

@Aries,

ich bin über deine sachlichen Kommentare immer wieder erstaunt und erfreut. Aber da bist du nicht der Einzige, der das Privileg bekommt. Es gibt hier sehr wohl geradlinige KommentatorInnen, die sich von nichts abschrecken lassen…

Was den Precht betrifft bin ich sehr zwiegespalten. Er ist in einer Familie aufgewachsen, die sich vor allem dadurch auszeichnet, ‘fremde’ Kinder anzunehmen, sie auch fördert allerdings auch fordert. Das hat natürlich erstmal nichts mit der Person Precht als solche zu tun.
Unangenehm stößt er mir auf, weil er selbst seine Halbgeschwister (gab mal eine Doku) in irgendetwas drängt und der die Quintessenz daraus bestand, dass ER das beste Produkt neben der Massen-Adoption seiner Eltern war oder ist. Das konnte man in der Doku sehr gut erahnen, zumal sich ein Teil seiner Adoptiv-Geschwister sich nicht der Kamera stellen wollte, ER aber um so mehr.

Es mag sein, dass er ein kluger Kopf ist und unglaublich viel Wissen in seinem Hirn gespeichert hat, aber was soll es bedeuten? Nebenbei, und das ist auch nicht unwichtig, sieht er nicht aus wie der Glöckner von Notre Dame, sondern ziemlich attraktiv. Und das weiß er natürlich auch und die Fernsehanstalten nicht minder.
Jetzt stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum eine Sendung mit diesem Mann? Einer, der auf der Bestsellerliste stand und wahrscheinlich immer wieder stehen wird. Die Antwort ist ziemlich plausibel:
-> er ist philosophischer Kindergeburtstag.

Allerdings ist Philosophie so schrecklich und grausam, man verrent sich, kann keine Lösungen im Sprachgebrauch, wenn es Hart auf Hart kommt, bei Precht finden. Mit Hart auf Hart nehme ich Hegel oder Kant. Selbst Nietzsche, der Schwerenöter, ringt mir mehr Respekt ab als Precht. Precht ist eine quasi Kunstfigur die meint uns die Philosophie näher zu bringen, aber das tut er nur wohldosiert. Einerseits praktisch, anderrerseits unüberlegt bis profan.
Was ich persönlich wichtig finden würde wäre eine Auseinandersetzumg mit den Thesen der von mir genannten “Denkern” in seiner Sendung. Muss er nicht, klar, aber wenigstens ein paar Ansätze wären gut.
Dass Precht ein Selbstdarsteller ist ist auch umstritten. Und auch wenn er von sich selber meint er wäre ‘ganz normal’, so muss man das mal etwas genauer beobachten - oder auch nicht.

Normalität ist ziemlich normal. Wie du und ich.

[QUOTE=wong jing fan;319946]befähigt sein traktate zu schreiben oder ein sog. höhere bewusstseinswahrnehmung zu haben sind nicht zwingend die eigenschaften die entscheidend sind, einige ethiker halten die leidensfähigkeit für das wesentliche kriterium.
einen anthopozentrischen fehlschluss sehe ich bei dem entsprechungsschluss von mensch auf tier auch nicht, dafür sind sie sich zu ähnlich und durch die idee des stammbaums aller lebewesen wirkt es legitim empfindungen von tieren nicht kategorisch einer anderen qualität zuzuordnen als des menschen. dann gibt es noch menschen mit minderbegabung, die keine traktate über sklaverei schreiben oder menschen im koma bei denen die bewustseinswahrnehmung eingeengt ist. das argument mit der befähigung zu traktaten oder der bewusstseinsweite ist ein elitärer ansatz, der individuuen mit besseren eigenschaften (intelligenz, schönheit, salienz) mehr menschlichkeit zuspricht.[/QUOTE]

Ich finde es interessant, wie Geschriebenes so verdreht werden kann, das man darin seine eigenen Argumente nicht wiedererkennt. In böswilliger Absicht, einfach alles falsch zu verstehen, kann man die Gedanken des Gegenübers unkenntlich entstellen. Dazu herzlichen Glückwunsch. Um es kurz zu machen: Meine Argumentation enthielt keinerlei Elitismus und keinerlei Darwinismus. Ansonsten muss es zu massiven Missverständnissen gekommen sein.

Dein darwinistischer, ja deinen fast schon fatalistischen Grundsatz „Der Entwickelste knechtet mit Recht“ ist arg überspitzt.

Habe ich nie behauptet soetwas, vor allem weil das gar nichts mit Darwinismus zu tun hat, sondern schlichtweg nur ein Sein-Sollen-Fehlschluss ist, den du da beschreibst.

Das, was der Mensch als Leiden bezeichnet, ist nicht unbedingt das, was man bei Tieren als Leiden bezeichnet. Das ganze Erleben ist bei einem Menschen anders. Niemand kann wissen, was ein Tier empfindet, wenn es „leidet“ -es ist nur ein fataler Fehler anzunehmen, dass es bei Tieren das gleiche ist wie beim Menschen. Der Mensch kann nicht aus seiner Haut, niemand weiß, was eine Biene empfindet oder was ein Hund „erlebt“. Das sind unterschiedliche Welten und natürlich ist es ein anthropomorpher Fehlschluss, wenn man meint, das Leiden eines Menschen wäre das gleiche wie das einer Kuh oder eines Schweins - wahrscheinlich gibt es sogar zwischen Kuh und Schwein Unterschiede. Denn Leiden ist grundsätzlich ein Begriff, mit dem menschliche Empfindungen beschrieben werden, genauso das „Trauma“. Wir projizieren menschliche Begriffe unbedarft auf Tiere, weil etwas Entsprechungen besitzt, nur ist mit dem Begriff „Trauma“ so viel verknüpft, das typisch menschlich ist.

ES ist nicht feststellbar, ob diese Begriffe auf Tiere applizierbar ist, weil eine Kuh oder ein Schwein schlichtweg nicht berichten können darüber, was in ihnen vorgeht (wir könnten es auch nicht, wenn sie sprechen könnten). Wer das meint, geht nicht wirklich sorgfältig mit Sprache um, sondern transportiert unbedarft Begriffe in Kontexte, von denen man gar nicht wissen kann, ob sie gerechtfertigt übertragen werden können. Vielleicht ist das Leiden von Tieren also nichts, was wir, wenn wir es erlebten, als Leiden feststellen würden, weil es dem Leiden inhärent ist, dass man dazu bewusstsein benötigt? Wer weiß, man kann es nicht wissen, weil die logische Taxonomie der Empfindungen von Tieren nicht übertragbar ist auf die der Menschen. Menschen können nicht wie Tiere fühlen und umgekehrt.

Man kann nicht mal bei eineiigen Zeillingen feststellen, ob sie das gleiche fühlen, wenn beide sagen, es gehe ihnen „gut“. Das ist nicht feststellbar. Selbst, wenn man die neuronale Aktivität misst und da kommt das gleiche heraus, ist damit immer noch nicht beweisbar, das beide das gleiche fühlen. Denn es ist schlichtweg nicht beweisbar. Dazu müsste A fühlen können wie B und umgekehrt und das vergleichen. Zwischen Menschen ist es schon unmöglich, die Äquivalenz emotiver Zustände zu beweisen - zwischen verschiedenen Arten erst recht. Dann resultiert einfach aus einer sehr unbedarften Verwendung der Sprache, die Begriffe über neuroanatomische Brücken einfach auf ganz andere Spezies umlegt.

Wenn ein Masochist also Lust empfindet, wenn man ihm Schmerzen zufügt, muss das dann auch bei anderen sein? Nein. Komisch. Bei ihm ist Leiden mit Lust verknüft. Bei anderen ist Leiden mit unangenehmen Empfindungen verknüft - und das obwohl man doch beide gleich stark schlagen kann und an die gleiche Stelle, sodass die weitergeleiteten elektrischen Signale genau die gleichen sind. Nun ist das kognitive Verarbeiten bei den beiden grundsätzlich anders, aufgrund ihrer Vorgeschichte. Genauso kann das Verarbeiten aber anders sein, weil zwei Lebewesen unterschiedlichen Spezies angehören. Das bloße Vorhandensein neuroanatomischer Ähnlichkeiten sorgt immer noch nicht für Gleichheit von Empfindungen. Die Menschen sind gegenüber der Sprache nicht skeptisch genug, vor allem meint man, die begriffliche Taxonomie, die der Mensch über die Welt stülpt, müsse für alle Arten die gleiche sein, was ein Indikator für tragische Naivität ist. Das ist ein Problem, was ich angesprochen habe.

Wenn ich meine Texte schreibe und eine möglichst klare Sprache verwende, gehe ich auch davon aus, dass verstanden wird, was gemeint ist. Wie gesagt, tragische Naivität. Sprache ist ein ein schönes Instrument der Illusion.