Ich frage mich trotzdem jedes Mal, wer wirklich die Idee hatte, Laienschauspieler zu nehmen, die dann auch noch eine klischeehafte Rolle die sie selbst reflektieren soll, spielen sollen. Gegen Reality TV wäre ja in sofern nichts zu sagen, wenn das was man dort sieht, wirklich real wäre… also so wie einer sich gibt, wirds gezeigt…
Ich denke, diese Idee mit der sogenannten „Scripted Reality“ (also die von dir erwähnten gecasteten Laiendarsteller, die mehr oder weniger vorgegebenen Text einsprechen) ist mehr oder weniger aus der Not geboren. Weil sich - glücklicherweise - nicht mehr so viele authentische Menschen bereitfinden, sich gegen Bezahlung vor der Kamera zu präsentieren, musste irgendeine Alternativlösung her, um die Sender weiterhin mit preisgünstigem Material zu beliefern. Ansonsten müsste dort bis 18 Uhr ein Testbild gesendet werden, wie zu Frühzeiten des Fernsehens. Das betrifft, wie wir wissen, nicht nur RTL II.
Abgesehen davon:
KEIN Mensch ist wirklich authentisch, wenn eine Fernsehkamera mit dabei ist.
Egal, ob für „Frauentausch“ gefilmt wird oder für ein seriöses Format wie z.B. die ZDF-Doku-Sendung „37 Grad“.
Das merkst du sogar schon, wenn private Videos gedreht weden, z.B. bei einer Famileinfeier.
Achte mal drauf, wie sich die meisten Leute sich dann in Szene setzen.
Was treibt die Leute dazu an, sich so einen semiinformativen Mumpitz wie Frauentausch, stellvertretend für die anderen Derivate gleicher Machart, anzusehen?
Oft habe ich von Zuschauern - durchaus auch von intelligenten Zuschauern - die Aussage gelesen:
„Wenn ich nach einem harten Arbeitstag nach Hause komme, dann will ich einfach nur noch die Füße hochlegen und mein Gehirn abschalten“. Sendungen wie „Frauentausch“ bedienen dieses Bedürfnis. Da muss man als Zuschauer nicht mehr groß nachdenken, sondern darf einfach nur zuschauen. Und wenn man möchte, darf man sich auch über die Familie aufregen, die uns auf dem Bildschirm als Aufreger angeboten wird. Weil bei einem Arbeitstag, der aus konzentriertem Nachdenken besteht, sicherlich auch die Emotionen zu kurz kommen.
Das dürfte eine Motivation fürs Einschalten von „Frauentausch“ sein, zusammen mit dem hier bereits erwähnten menschlichen Bedürfnis, sich im Vergleich mit anderen besser, klüger, sauberer, lebenstüchtiger u.s.w. zu fühlen … sprich: das Selbstbild billig aufzuwerten, bzw. im positiven Sinne zu bestätigen, ohne dafür wirklich etwas leisten zu müssen. Im Vergleich mit jemandem, der Chips von der Tischplatte frisst, ist das natürlich kein Kunststück (so wie es in besagter Folge wohl dem Zuschauer untergejubelt werden sollte … wobei man sich als Zuschauer natürlich fragen könnte, was der Kameramann unter der Tischplatte zu suchen hat und warum der Junge völlig unbeeindruckt trotzdem weitermacht, obwohl da ganz offensichtlich jemand mit ner schweren Kamera unterm Glastisch hockt … aber wie gesagt: „Füße hochlegen und Gehirn abschalten“ ).
Wenn man das Geschehen jetzt wohlwollend (aber jetzt wirklich ganz, ganz, ganz wohlwollend) im Sinne von RTL II & Co auslegen wollte, könnte man das mit der Glasplatte fast als ein Nachdenk-Angebot an die Zuschauer interpretieren. Dass die sozusagen angeschrien werden sollten: „Leute, wir spielen euch hier was vor! Denn anders wäre die Szene doch gar nicht denkbar!“ Die hätten genausogut die Tüte Chips auf dem Wohnzimmertisch entleeren, die Kamera irgendwo in der Tür aufstellen und dem Sohn die Anweisung geben können: „Los, iss das jetzt auf!“
Der Knackpunkt besteht darin, dass in beiden Fällen das Gesicht des Sohnes im Film festgehalten wäre (hat der eigentlich auch einen Vertrag unterschrieben? Und wenn ja: Ist der überhaupt bereits voll geschäftsfähig?) Bei Bewerbungen etc. wirkt sowas fast wie ein Fahndungsfoto. Zumal ja wohl auch der Familienname über den Sender veröffentlicht wurde. Und der Wohnort. (Inwieweit war das eigentlich zulässig?)
Mit den deutschen Gesetzen kenne ich mich nicht aus. Aber ich sag mal so: Eine angemessene Entschädigung wäre, dass RTL II dem Sohn lebenslang eine angemessene Rente zahlt, mit der er künftig sein Auskommen hat. Und dem Rest der Familie einen Aufenthalt an einem Ort ihrer Wahl finanziert. Vielleicht findet sich ja ein engagierter Rechtsanwalt, der das für die Familie irgendwie durchboxen kann. Nach meinem laienhaften Rechtsverständnis sollte das durchaus möglich sein. Da wurde einfach viel zu viel Sch*** gebaut … bis hin zur vorsätzlichen Wiederholung der Folge, obgleich es im Vorfeld Konflikte gegeben hat, die gezeigt haben, dass eine Wiederholung definitiv NICHT im Sinne der Familie ist.
Nein, die Schuldigen MÜSSEN einfach irgendwie bestraft werden!