Du musst ganz ganz ganz dringend, gerade bei deiner radikalen Einstellung, unterscheiden lernen, dass etwas ein Argument im Rahmen einer Diskussion sein kann, obwohl du dem nicht zustimmst. Argument heißt nicht, dass das alles aus einer anderen Perspektive unbedingt richtig sein muss. Weil ansonsten ist nichts ein Argument, sobald jemand anderes eine andere Meinung dazu hat. Und das ist etwas, was durchgehend passiert.
Habe dazu jetzt heute die letzten vier oder fünf Stunden mit Videos von Peterson verbracht, höre sein Hörbuch “12 Rules for Life” zusätzlich. Ich halte ihn nicht für sonderlich intelligent, seine Argumentationen sind für einen Professor doch eher schlampig. Er verwendet Biologismen (von z. B. Lobstern …) und überträgt sie ziemlich stumpf auf den Menschen und ignoriert weitestgehend, dass unser Verhalten von einer komplexen Intelligenz beeinflusst wird. Oder er nimmt Stellen aus der Bibel oder Mythologie. Er macht deutliche und sexistische Unterscheidungen zwischen Männer und Frauen. So z. B. wissen Frauen, was sie zu tun haben, Männer aber müssen danach suchen - das ganze ziemlich pauschal. Und wir kämpfen ja immer um unseren Platz in einer Hierarchie und er scheint da nicht mal zwischen den verschiedenen Hierarchien zu unterscheiden, in denen wir ganz unterschiedliche Plätze einnehmen können. (Familie vs. Arbeit vs. Freundeskreis vs. Verein vs. Nachbarschaft usw.) Bei ihm ist man wohl entweder Loser oder Gewinner. Er hat ohne Zweifel einen massiven Fokus auf die bösen Linken, die bösen Feminstinnen. Sobald er über diese Themen spricht, verlässt er regelmäßig vollständig die wissenschaftliche Perspektive. Es macht überhaupt den Eindruck, dass bei ihm Moral ein Zeichen von Schwäche ist, zumindest wenn es um böse Linke, böse Feministinnen geht, die diese ja auch nur verwenden, weil die eigentlich im Innersten extrem problembehaftet wären und mit der Diskrepanz zwischen Selbstanspruch und Natur nicht zurechtkommen. Insgesamt wirkt vieles wie eine Einflüsterung in das männliche Ohr, wieder seinen Platz wie in der alten Ordnung einzunehmen, dass die historische Position in der Gesellschaft schon irgendwie gerechtfertigt war und man es doch mehr genießen sollte. Er sagt nicht, dass Frauen an den Herd zurücksollen, aber so viel Platz nehmen sie dann auch gar nicht in seinen Ausführungen ein. Er scheint aber auch ganz allgemein von Frauen etwas überfordert zu sein, da er bei denen ja gar nicht im Kampf um die Hierarchie zur Ultima-Ratio der Gewalt greifen darf. Einen anderen Mann kann aber nach ihm vor die Tür zerren und notfalls verprügeln.
Gleichzeitig kommt eine ganz widerliche Fanbase dazu, die seine Aussagen nochmal in ein Extrem verzerren. Da wird z. B. aus der Dominanzfixiertheit von Peterson der Bullshit von Alpha- und Beta-Male und aus Frauen werden monothematische Automaten, die nichts anderes wollen, als Männer zu “baiten”. Oder, wenn Peterson sagt, dass Männer und Frauen im Allgemeinen gleich intelligent sind, wird daraus ein Peterson destroys Islam, obwohl Peterson nicht eine Sekunde über den Islam gesprochen hat. Und zu solchen Sachen findet man dann wiederum keinen Widerspruch von Peterson. Ich sehe keine Videos, wo er sagt, dass man ihn da dann doch falsch verstanden habe, dass man das zu weit treiben würde. Nur kurze Einschübe, z. B. wenn er erklärt, warum der Weg der EU zu unklar aktuell ist (die Überschrift eines anderen Videos suggerierte eine deutlich negativere Ansicht) , zeigen manchmal eine Abgrenzung zu den extremeren Rechten. So warnt er - als letzten Einschub - dass bei einer Rückkehr zum Nationalismus das Individuum durch den Staat subordiniert wird und dass dies ein anderes Beispiel eines Safe-Spaces sei. Leider macht daraus dann keiner ein einzelnes Video: Peterson: Nationalismus - der Safe Space der Rechten.
Vielleicht ist Alt-Right wirklich übertrieben für ihn. Aber er hat einen ungesunden Hass auf Linke, SJW und Feminstinnen und eine zumindest fragwürdige Vorstellungen von Männer und Frauen und Hierarchien. Das macht ihm wohl zum Lieblingskind der besagten Gruppe und aller, die sich ach so sehr unter Druck gesetzt fühlen von Feminstinnen, Linken, Transsexuellen usw. Er genießt sicherlich deren Aufmerksamkeit, vielleicht auch die finanziellen Vorteile dadurch und scheint es zu scheuen, sich mit diesen seiner Fans anzulegen. Und man sollte nicht vergessen, dass sein eigentliches Fachgebiet die klinische Psychologie ist, er aber das Themenfeld oft nur sehr peripher streift oder gar nicht erst anschneidet.