Philosophischer Smalltalk

Nun, da der politische Smalltalk gerade etwas in die philosophische Richtung abgedriftet ist und dabei nicht unbedingt uninteressanter geworden ist, im Gegenteil, starte ich hier mal einen Thread über philosophischen Smalltalk, falls es irgendwen interessiert.

Wenn ich es richtig wiedergebe, dann geht es aktuell darum, inwieferns sich Egoismus und Altruismus einander bedingen oder ausschliessen.

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Die Abgrenzung zum politischen Smalltalk ist naturgemäß unscharf, aber man kann ja versuchen nicht bei jedem Thema abzuschweifen.


Wie bereits erwähnt fußt meine Auffassung von Egoismus in ihrem Grundsatz auf der Theorie Singers zum Präferenzutilitarismus.
ich übernehme der Einfachheit halber mal die Definition von Wikpedia:

Wird beim hedonistischen Handlungsutilitarismus der moralische Wert einer Handlung daran gemessen, wie weit sie allgemein Leid (Schmerz) minimiert bzw. Lust (Freude) maximiert, so nimmt der Präferenzutilitarismus die Beachtung der Präferenzen aller betroffenen Wesen als Maßstab, um eine Handlung und deren Auswirkungen zu beurteilen. Der Begriff Präferenz bezeichnet hier die generellen rationalen und emotionalen Interessen eines Wesens (etwa das grundlegende rationale Lebensinteresse, wie es bei allen Individuen vorliegt) und schränkt sich nicht auf die aktuellen und kontextabhängigen Interessen ein, die zum Zeitpunkt der Handlung vorliegen.

Meiner Meinung nach ist jede Handlung eines Menschen - bewusst oder unbewusst- Folge der Abwägung aller Vor- und Nachteile. Die einen bewerten dabei die eigenen Vorteile (=Präferenzen) gewichtiger als die anderer; manche eventuell sogar die anderer gewichtiger als die eigenen. Letzteres ist aus evolutionärer Sicht aber nicht erstrebenswert. Im extremen Zweifelsfall kann es nämlich den eigenen Tod bedeuten.

O.g. Theorie Singers, @ExtraKlaus - und es tut mir leid, dieses Thema nochmal rauszukramen, aber es passt so schön-, ist übrigens auch der Grund, warum ich grundsätzlich für Abtreibung bin. Wenn ich die Präferenzen des ungeborenen Kindes und die der Frau gegeneinander abwäge, komme ich grundsätzlich immer zum Schluss, dass die Frau tun darf, was sie will. Denn sie ist ein selbstbewusstes Wesen, das Gefühle und Wünsche hat, wohingegen ein Fötus oder gar Embryo ein unbewusstes Leben darstellt, das keine Präferenzen vorweisen kann. Würde man Singers Theorie konsequent zu ende führen- er tut das- wäre eine Kuh als bewusstes (nicht selbstbewusstes) Wesen im Präferenzutilitarismus als im Zweifelsfall wichtiger zu erachten als ein unbewusster Fötus.

Das muss man nicht so sehen, aber es ist immerhin eine konsequente Schule.

edit: Ich habe Baby durch ungeborenes Kind ersetzt, da es die richtige Bezeichnung ist.

Und eben das ist imho das Problem - das Konzept lässt sich einfach nicht konsequent universal einsetzen.

Ja, weil du immer nur von einer Momentaufnahme ausgehst, was dir deine Argumentation natürlich auch ziemlich leicht macht. Letztendlich tötest du damit immer potentielles Leben - und es darf eben NICHT jeder Mensch tun und lassen, was er will, wenn er damit die Freiheit anderer beeinflusst. Und das ist hier der Fall, dieses potentielle Leben hat auch Gefühle und Wünsche, nur eben nicht zu dem Zeitpunkt, den du dir bequemerweise aussuchst, damit deine Argumentation aufgeht. Und eine Gesellschaft, in der potentielles Leben zur Wegwerfware degradiert wird (und das ist kein Plädoyer gegen Abtreibungen an sich - ich bin kein radikaler Pro-Lifer - aber die grundsätzliche Tendenz besteht ja, vor allem, wenn man eine stinknormale Bewerbung erlaubt. „Lassen sie sich noch heute abtreiben und sie bekommen einen McDonaldsgutschein für das Wegfressen des schlechten Gewissens gleich dazu! Jetzt zuschlagen!“ - das ist für mich nicht präferabel.

Und um jetzt mal nicht wieder das Nazi-Beispiel auszuleiern, gehen wir historisch mal noch weiter zurück: Es gab bereits Gesellschaften, in denen sehr radikal gegen unliebsames, schwaches Leben ausgelöscht wurde, auch wenn es noch am Beginn stand. Egal ob behinderung oder zu schwach, es war unerwünscht und wurde vernichtet. Eine dieser Gesellschaften war Sparta, ein Vorbild vieler anderer radikaler Ideologien der Euthnasie. Und genau in eine solche Richtung entwickeln wir uns dort, in die Richtung von Designerbabys, in die Richtung von wünschenswertem und unwünschenswertem Leben, eben nicht propagiert als klare Ausnahme, sondern als Regelfall. Eben als konsequenzlose Beseitigung sexueller Unachtsamkeit. Und das ist genau der Punkt, wo Werte wichtig sind, weil man sonst nämlich Gefahr läuft wie du nur noch technokratisch zu argumentieren. Deiner Argumentation folgend kann man Euthnasie perfekt rechtfertigen. Es ist die Entscheidung der Frau, nur starke Krieger hervorzubringen und auch wenn man sich mal wieder ohne Verhütung hat durchvögeln lassen, ups, macht ja nichts, kratz ich das einfach raus, yolo. Das ist nicht das Werteverständnis von mir und meiner Partei, unsere Partei hat eine Vorstellung des fehlbaren Menschen. Wir alle haben unsere Fehler und unsere Macken, aber sie machen uns einzigartig und das ist etwas, was du mit einer Abtreibung tendenziell als Entscheidung anderen Menschen oder noch zu werdenden Menschen wegnimmst.

Deshalb ist die bisherige Lösung ja auch ein Kompromiss, der auch extrem heftig ausgefochten wurde und an sich so Bestand haben muss. Wie gesagt, über die Informationspolitik - die auf jeden Fall auch nicht befangen sondern neutral sein muss - muss man sprechen. Wichtig ist auch, dass dies immer eine Ausnahmeentscheidung bleibt, die eben auch gut abgewogen werden muss. Weil es eben auch medizinisch und psychologisch nicht so einfach und simpel ist, wie du es dir jetzt zurecht legst.

Ist das hier eigentlich nun eine JOJO reference?

Das Embryo ist eher mit einer Pflanze zu vergleichen. Die Zellen an sich leben zwar, aber das gesamtpaket, folgt nur einen simplen biologischen code und hat noch keine Bewusstsein.

Allerding gibt es dafür ja den Mutter Instinkt und auf Grundlage der Maxime, ist es für die gesellschaft halt besser, wenn die Mutter eben nicht das tut was sie selbr möchte, sondern sich um das Kind kümmert. (oder es garnicht erst bekommt)

ich bin auch kein Vertreter der reinen Lehre, aber ich finde Konsequentes Denken grundsätzlich erstmal gut.

Ja, aber wenn als Konsequenz aus dem konsequenzen Denken konsequentes Handeln wird,
dann wird dieses Konzept konsequent versagen ^^

Das Argument habe ich nie verstanden.
Der reinste Genozid, der da in Taschentüchern landet oder einfach die Toilette heruntergespült wird.
Wer definiert das, ab wo Leben potenziell wird?

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Wenn mal ein Spermium seinen Weg gefunden hat, finde ich kann man dem ja ruhig eine Chance geben. :smiley:

Ernst gemeinte Antwort: Natürlich kannst du das wie Libertas sie führt in dieser technokratischen Diskussion über Biologische Fakten nur verlieren, aber das ist ja eben auch eine ethisch/philosophische Frage. Also Spermien an sich, das solltest auch du wissen, sind weder potentiell noch eventuell entstehende Menschen, wenn keine entsprechende Vereinigung mit dem weiblichen Gegenpart stattfindet. Insoweit kann man da mal eine klare Linie ziehen, wo es dann irgendwie wirklich absurd wird bzw. eine bewusste Absurdität impliziert wird, um das eigentlich valide Argument zu diskreditieren.

Also kannst du deine Taschentücher bedenkenlos weiterbenutzen :stuck_out_tongue:

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korrekt. Aus moralethischer Sicht stimme ich dir uneingeschränkt zu. Nur sehe ich einen Fötus eben nicht als gleichwertigen Menschen, deshalb leite ich es anders ab als du.

Es ist richtig, dass ich das Potential geringer bewerte als tatsächliche Präferenzen.

Die Intention war doch bei der Eugenik eine ganz andere. Es geht bei der Abtreibung um die Abwägung von den Präferenzen zweier Lebewesen. In Nazideutschland ging es um Rassenhygiene. Das widerspricht dem PU in jeder denkbaren Form. Denn es zählt dabei ja nicht nur die Anzahl der gegeneinander aufzuwiegenden Präferenzen, sondern auch deren Tragweite. Einen Menschen zu töten betrifft schließlich nicht nur den getöteten, sondern auch dessen Angehörigen und alle, die ihn kennen. Man schadet also nicht nur einem Individuum, sondern gleich mehreren.

Ab Entstehung eines zentralen Nervensystems (zeitlich nach der gesetzlichen Grenze zur Straffreiheit) ist der Fötus ein bewusstes Wesen, da er Schmerz wahrnimmt und naturgemäß die Präferenz hat, ihn zu vermeiden (ein evolutionärer Zweck um zu Überleben). Für den Zellhaufen davor gilt dies nicht. Wie gesagt, ich bin mir der zeitlichen Willkür bewusst, aber das ist eben die von mir gesetzte Grenze.

Mit dem ich aufgrund meiner ZNS-Defintion auch leben kann. ich möchte keine Abtreibung im achten Monat außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten. Ich finde, aber, dass der Staat, wenn er dieses Recht zugesteht, auch eine freie Information durch Ärzte zulassen muss. ich verlange keine kommerzielle Werbung, sondern wie im Fall der Gießener Ärztin, dass Fachinformationen zum Ablauf des Eingriffs auf der Website ersichtlich sein dürfen müssen.

Da sich die Diskussion in Richtung Präintamplationsdiagnostik entwickelt hat, melde ich mich wieder zu Wort: Für mich ist die Frage zentral, welchen Wert man Menschen beimessen möchte. Meiner Meinung nach sind alle Menschen gleich viel wert, gerade Behinderte. Das Existenzrecht von Behinderten wird aber zunehmend bestritten, was mir grosse Sorge bereitet. Wenn bereits vor der Geburt entschieden wird, ob ein Mensch zu leben hat oder nicht, dann ist für mich definitiv eine rote Linie überschritten.

Ich finde das nicht absurder als deine Argumentation. Wirklich nicht.
Jede Eizelle kann potenziell befruchtet werden, jedes Spermium kann potenziell eine befruchten.

Nun sie sind ein halbes Leben, das in verbindung mit einen anderen halben Leben, zu einen kompletten Leben führen können. Jedes mal wenn Du also ein Taschentuch benutzt, verschwendest du grob gesagt millionen Chancen auf ein Leben^^
Wenn man es rein Logisch betrachtet.

Kurze Unterbrechung, das hier ist an dieser Stelle obligatorisch:

Weitermachen.

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Nun also werden Die neuegeboren dann nach der Geburt abgegeben, da Mutter Sie nicht will… Das ist für mich eine sehr kalte einstellung. (wenn es glück hat.)
Deswegen ist abtreibung ein sinnvolles Mittel.

Und das ist ohne Betrachtung einer temporalen Dimension einfach fraktal falsch.

Wo ist der Unterschied? Das Leben war nicht gewünscht. Die Begründung ist doch irrelevant.

Aber aus einer Eizelle kann allein kein menschliches Leben entstehen und aus einem Spermium auch nicht. Das steht doch überhaupt nicht zur Disposition. Was soll das hier?

Ihr könnt gerne weiter versuchen mit dieser böswilligen Verlachung eines validen Argumentes irgendwie zu verschleiern, dass ihr komplett am Thema vorbeiredet.

Wenn man es rein logisch betrachtet, schreibst du wieder logisch gesehen reinen Unsinn.

Ich weiss nicht, worauf du hinausmöchtest.

Das ist die Konzequent, wenn man abtreibung verbietet. Dann werden die Kinder endweder misshandelt von den Eltern, welche sie nicht wollen oder landet direkt im Heim.

bist du dir des semantischen Widerspruchs bewusst? gleicher als gleich?

von wem? Es wäre mir neu, dass das ein gesellschaftlicher Trend wäre. Du meinst vermutlich nicht behinderte Menschen, sondern behinderte Föten. Das Gesetz trennt dies seit Bestehen der Bundesrepublik, insofern sehe ich da keinen vermeintlichen Werteverfall.

Okay, da haben wir’s doch. Das ist also ein Kriterium. Faszinierend.