Mit fremden Federn

Diskussion über den Blog-Artikel: Mit fremden Federn

Christian Bartsch ist sauer. Der bekennende TV-Freak hat sich kurz vor Jahreswechsel eine Dokumentation im WDR über die Kult-Serie “Ein Herz und eine Seele” angeschaut - und musste dabei am eigenen Leibe spüren, wie sehr der WDR sich mit fremden Federn schmückt. Dabei war Bartsch extra für die Dokumentation “Lachgeschichten” interviewt worden.

Aber der Reihe nach: Von der TV-Serie mit dem berühmten Ekel Alfred gibt es insgesamt 25 Folgen, die zwischen 1973 und 1976 entstanden. Dazu gehören einige Folgen, die in schwarz-weiß gedreht wurden und dann später ein zweites Mal in Farbe (teilweise mit anderen Schauspielern und anderen Dialogen). Als im Jahr 2005 zum ersten Mal die Serie auf DVD erschien, veröffentlichte das zum NDR gehörende Studio Hamburg eine Edition mit 21 Folgen und verkündete sogar noch dreist, es handle sich um die “komplette Serie”. Fans waren erzürnt, denn natürlich gehört zu einer “kompletten Serie” auch, dass man beide Fassungen einer Folge, Schwarz-weiß-Original und das später gedrehte farbige Remake, veröffentlicht. Studio Hamburg hatte nach zahlreichen Beschwerden immerhin ein Einsehen und kündigte eine ergänzende DVD-Edition mit den fehlenden Folgen an. Diese ergänzende Edition sollte jedoch nur drei Folgen beinhalten, eine Episode fehlte also nach wie vor.

Christian Bartsch und seine Mitstreiter erfuhren von den halbherzigen Plänen und baten Studio Hamburg, die bereits geplante Veröffentlichung der ergänzenden Edition zu stoppen, damit die noch fehlende 25. Folge auch mit in den Schuber könne. Dabei handelte es sich um das Farb-Remake der Episode “Der Sittenstrolch”. Doch das Anliegen stieß sowohl bei Studio Hamburg (die für DVD-Veröffentlichungen von ARD-Serien federführend sind) als auch beim damaligen Produzenten der Serie, dem WDR, auf taube Ohren. Immer wieder schrieb man den Serien-Fans zurück, die Farb-Version von “Der Sittenstrolch” sei ein Mythos, es gäbe diese Folge nicht. Selbst als man eine Original-Kopie einer Hörzu-Ausgabe von 1974 vorlegte, um die Existenz der Farbfolge zu belegen, stritt der WDR dies vehement ab. Schließlich recherchierte Bartsch weiter, sah sich alte Sendepläne an und stieß plötzlich darauf, dass ausnahmsweise der damalige SDR Produzent dieser Folge war - und siehe da: Im Archiv des heutigen SWR schlummerte tatsächlich die fehlende Farb-Ausgabe von “Der Sittenstrolch”. Doch selbst bei diesem Stand der Recherchen reagierte Studio Hamburg noch ungehalten und fühlte sich offenbar eher gestört von nervigen Fans. Das gesamte Drama hat Bartsch bereits 2005 ausführlich in einem Blogtext niedergeschrieben - lohnt sich zu lesen. Immerhin nahm alles ein gutes Ende: Letztendlich erschien tatsächlich eine Ergänzungs-Edition mit vier Folgen, inzwischen gibt es längst auch eine Komplett-Edition mit allen existenten 25 Folgen auf DVD.

Nun also zurück in die Gegenwart. Am vergangenen Freitag sendete der WDR einen “Ekel Alfred”-Abend - inklusive einer 90-minütigen Dokumentation und, erstmals seit 37 Jahren wieder im TV, der Farb-Folge von “Der Sittenstrolch”. Dieses lang verschollene Schmankerl wurde auch in der Dokumentation thematisiert. Zwar kommt auch Christian Bartsch in zwei O-Tönen zu Wort, als der eigentliche Held der ganzen Story wird aber der WDR-Programmplaner Klaus Kunde-Neimöth dargestellt. Bartsch, so wird suggeriert, habe lediglich einen Hinweis gegeben, dass es die Farb-Folge von “Der Sittenstrolch” gibt. Klaus Kunde-Neimöth äußert sich daraufhin im O-Ton folgendermaßen: “Der Sache sind wir dann einfach nachgegangen und in der Tat: Viele Recherchen später haben wir dann eine Folge in Stuttgart gefunden. Ich meine, alle anderen Folgen stehen hier in Köln beim WDR, aber diese Folge stand in Stuttgart: ‘Der Sittenstrolch’ in Farbe - einmal ausgestrahlt im November 1974.”

“Viele Recherchen später” haben “wir” dann die Folge gefunden? Welch eine Dreistigkeit. Hätten Bartsch & Co. damals nicht so intensiv gearbeitet, würde “Der Sittenstrolch” in Farbe vermutlich heute noch im SWR-Archiv schlummern. “Der WDR war so selbstgefällig, als ich 2005 die Antwort bekam, dass es nun schon sehr dreist ist, das als eigenen Erfolg zu verkaufen”, beschwert sich Christian Bartsch zu Recht. Und es kommt ja noch besser: In einem Interview auf wdr.de wird erneut Kunde-Neimöth als Urheber der Recherche gefeiert. Es sei seinen “hartnäckigen Recherchen” zu verdanken, dass “Der Sittenstrolch” nun in Farbe im TV laufen konnte:

In dem Interview behauptet Kunde-Neimöth nun, er sei im Internet zufällig auf ein Forum gestoßen und habe dabei erfahren, dass es eine Farb-Fassung von “Der Sittenstrolch” gebe. Ach? Um das zu erfahren, hätte es der “hartnäckigen Recherchen” nun wirklich nicht bedurft, denn, wie bereits erwähnt, gibt es seit Jahren ja diese Folge auf DVD im Handel zu kaufen - und zwar dank Christian Bartsch. So blind kann selbst ein WDR-Angestellter nicht sein.

Es leuchtet mir nicht ein, was das WDR mit dieser selten-dummen Aktion bezwecken will.

Okay, klar werden sie nicht aussagen “Wir sind ein Haufen seniler, anti-progressiver, geldgeiler alter Säcke, die keinen Respekt für die Wünsche des Kunden haben und das Auftauchen der Folge habt ihr einem erbitterten Fan zu verdanken.”

Is schon klar - aber wieso denkt man sich diesen hanebüchenen Blödsinn aus?

Man hätte den eigentlichen Entdecker ja wenigstens benennen können auch ohne Lobpreisung. :smt017

MfG Forger

Anders gefragt: Warum sollen sie sich das nicht ausdenken. Es wird sowieso nur gelogen und beschönigt, die paar Fälle die an die Öffentlichkeit kommen, sind die absolute Ausnahme und quasi irrelevant, da es außerhalb dieses Forums sowieso keiner erfahren wird.

So fatalistisch kann man das natürlich auch betrachten :smt025

Christian Bartsch ist weiterhin nicht nur irgendein Film-Fan, sondern Chef des Labels Turbine, welches erst vor kurzem deutsche Filmgeschichte geschrieben hat, indem sie den beschlagnahmten Film The Texas Chainsaw Massacre wieder rehabilitiert und vom Index geboxt haben.

Nein, der Chef ist Phil Friederichs - aber dass er bei Turbine arbeitet ist korrekt :wink:

Ich schließe mich Forger an, möchte aber ergänzen, dass das Wort “Original-Kopie” ein sehr schönes Oxymoron ist. :mrgreen:

Danke fürs Aufdecken!

Bin mal gespannt, ob sich Christian Bartsch in diesen forum auch mal dazu äussert.
Falls nicht, werde ich ihn einfach mal bei Cinefacts ein bisschen nerven. :mrgreen:
http://forum.cinefacts.de/189123-die-kettensaege-knattert-bei-turbine.html

Das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen: Ihre Gebühren für unsere Sicht der Wahrheit :smiley: !

Klaus Kunde-Neimöth: Das war wirklich ein absoluter Zufall. Ich bin im Internet auf ein Forum gestoßen blablabla

Das ist nicht wirklich ein absoluter Zufall, Kollege Neimöth, sondern unglaublich dreist, was Sie und der WDR da veranstaltet haben!
Wie sich das so genannte Forum nennt, sagt er nicht? Schade, muss wohl auch erst noch erlogen werden. :smt019
Sehr gut, Herr Bartsch, für die Mühe! Schade, dass Sie so gelinkt wurden.

Wow.
Mich hat das ZDF schon mit dem Webungsabhängigen ZDF-heute aufgeregt. Aber die ARD schafft es, das auch noch zu toppen. :?
In dieser Welt gehen einem die Feindbilder nicht aus… :smiley:

Bin mal gespannt, ob sich Christian Bartsch in diesen forum auch mal dazu äussert.
Falls nicht, werde ich ihn einfach mal bei Cinefacts ein bisschen nerven. :mrgreen:

Rumgenerve erfüllt. :mrgreen:
http://forum.cinefacts.de/189123-die-kettensaege-knattert-bei-turbine-177.html#post7453883
Wollen wir mal sehen, ob er sich dazu äussert.
Antwort kam auch prompt.

Ich denke, dass man dazu nix mehr sagen muss. Das hat hier tatsächlich nicht viel verloren, und ist eine Recherche von mir von 2005… also sechs Jahre alt. Zwei Jahre später war ich fest bei Turbine um es in jedem Fall besser zu machen. Bisher glaube ich auch recht erfolgreich.

http://forum.cinefacts.de/189123-die-kettensaege-knattert-bei-turbine-177.html#post7453909

Was soll ich dazu sagen? Ich dachte, der WDR wollte das Thema endlich mal gebührend beleuchten, ein bißchen über das eigene Versagen 2005 schmunzeln… aber Pustekuchen.

Ich hab das Material dann mal an Holger geschickt. Ich war mir nicht sicher, ob ich da zu subjektiv war. Hab dann heute morgen mit viel Erstaunen Holgers Text gelesen. Mir war mein Name dabei nicht wichtig, mir war nur wichtig, dass sich nicht jemand anders damit brüstet.

Bin gespannt, ob und wie sich der WDR bzw. Klaus Kunde-Neimöth dazu äußert.

@Christian Bartsch: Verdammt, du warst schneller. :smt023

Tja, so ist das bei Profis. Sieh mal… ich brauchte nur einige Tage, bis ich den Sittenstrolch gefunden hatte. Der WDR brauchte sechs lange Jahre, bis er gemerkt hat, dass da was auf DVD ist, was man seit Ewigkeiten nicht mehr ausgestrahlt hat.

An diesem „schönen“ Beispiel bemerkt man mal wieder diese ganz besondere Arroganz, die man schon bei Jungredakteuren vom lokalen Klatschblatt regelmäßig antrifft: Wir senden — ihr empfangt! So herum und nicht anders! Basta!

Schön, daß einem das hier mal so richtig um die Ohren gehauen werden kann. Und dann auch noch vom WDR, herrlich.

Wenn das eigene Archiv ausreichend groß wird kann man recht einfach den Blick für kleine Juwele darin verlieren.
Es wird dann außerdem sehr verführerisch manches zu ignorieren, weil es schwierig ist mit der eigenen Unordnung konfrontiert zu werden.
(Was zwangsweise passiert, wenn man etwas sucht bei dem man mal ausnahmsweise nicht direkten Platz kennt. Und die eigene Unordnung will man nun meist gar nicht wahr haben, weil man viel Zeit investiert hat, damit es sie eben nicht gibt.)
Zumal die Suche selbst auch deswegen gern vermieden wird, weil sie nicht nur anstrengend, aufreibend und vor allem sehr zeitaufwendig sein kann,
(und Zeit hat man ja sowieso nie genug, denn wer Zeit über hat wird schnell als Faulpelz identifiziert.)
sondern weil außerdem nicht immer ein Erfolg
(Also das Finden vom Gesuchten)
am Ende stehen muss.

Von der andren Seite, sprich von jemandem, der nach eben dem Juwel sucht, lässt sich die Ignoranz dann kaum nachvollziehen, da der Archivinhaber zumindest deutlich effizienter suchen könnte als ein Außenstehender.

Dass soll die senilen alten Säcke jetzt nicht verteidigen, ich wollte nur ausführen, dass ich die Handlungsweise irgendwo nachvollziehen kann und der Hinweis von Rhasta hat natürlich auch was.

Eine kleine Sache, die mich am Text irritiert: Studio Hamburg gehört zum NDR? Bist du dir da sicher?
Ich dachte immer die sind in Privathand. Danach siehts auch nach kurzer, oberflächlicher Internetrecherche auch aus.
Oder gibt es da irgendwelche dunklen Geschäftsbeziehungen?

ist eine 100%-ige Tochter des NDR!

Ich hab mich nun eigens für diesen Artikel im Forum angemeldet, weil es mir ehrlich gesagt tierisch auf die Eier geht wie man aus so einer unglaublichen Nichtigkeit einen Fluch auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen allgemein hochstilisieren kann.

99% aller Zuschauer kennen weder die Sendung noch irgendwelche vermeintlichen “Skandale” darum, dass ein paar Folgen mehr oder weniger nicht auf der DVD Edition enthalten sind. Oh mein Gott, die Welt geht unter.

Tut mir leid, aber ein viel unbedeutenderes Thema hätte man sich nicht suchen können. Und fast alle hier springen direkt drauf an, Hauptsache “irgendwie gegen ARD” oder so, selbst wenn es um solch einen Kleinscheiß geht.

In dem Zusammenhang nervt mich auch, dass Holger vor einiger Zeit schockiert darüber war, dass sich die Sendezeit von “heute” nach der Werbung richte. Das ist doch das normalste der Welt bei einem Fernsehsender!? Und wer glaubt, ÖR Fernsehen müsse sichabsolut null nach Quoten oder Werbung richten, der glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann oder daran, dass die USA die Welt schon mehrmals vor dem Untergang gerettet hat.

Ich will hier niemanden beleidigen, aber man sollte sich doch mal bewusst werden um was es in dem Blogartikel geht. Um letztlich ein Thema, nach dem niemand kräht, es niemanden schadet und die Welt nicht untergeht wenn man sich nicht darum schert.