Vorhin habe ich in meine Blog folgenden Text veröffentlicht und stelle ihn hier zur Diskussion frei.
Mal schauen was für Reaktionen kommen.
Die Fragen gehen eigentlich eindeutig aus dem Text hervor, hier aber nochmal ein paar Einleitungsfragen für ne Diskussion:
- Lässt sich Kunst überhaupt in Zahlen bewerten?
- Wie sinnvoll sind traditionelle Musikreviews? Sollten nicht mehr Interviews geführt werden?
- Ist eine objektive Bewertung von Musik möglich, wenn ja: wird diese angewendet?
http://anchantia.wordpress.com/2013/01/ … ikbereich/
Ich bin‘s schon wieder. Und wieder muss ich mich mit der Musikjournaille anlegen. Mag jetzt pathetischer und aggressiver klingen, als es im Endeffekt gemeint ist. Aber ich denke, dass man diese Diskussion einfach mal starten sollte. Es geht um Bewertungssysteme im Musikjournalismus und warum ich diese einfach nur bescheuert finde…
Ihr kennt das sicherlich: fast immer werden Veröffentlichungen rezensiert und am Schluss mit irgendeiner Art von Bewertungssystem benotet. Das kann das klassische Schulnotensystem sein, häufig gibt es ein System von 1 bis 10 (übrigens noch mit Kommastellen. Kann mir mal jemand erklären wo der Unterschied zwischen 7,0 und 7,5 ist? Danke!) oder auch Sternchen. Es gibt da die vielfältigsten Systeme und ich frage mich und an dieser Stelle auch Euch: warum?
Eine Antwort kann ich mir natürlich zusammenreimen. Wobei das Wort „zusammenreimen“ falsch gewählt ist, seit Jahren kenne ich die Weise wie Onlinemagazine arbeiten und habe in der Vergangenheit durchaus in mehreren Redaktionen Einblick erhalten. Solche Art von System hat einen Zweck: Objektivität vorgaukeln. Es wirkt auf den Leser objektiver wenn am Ende eine wild ausgewürfelte Zahl steht und manch einer springt sogar sofort zu dieser Zahl und interessiert sich nicht für den darüberstehenden Text. Die Folge: diverse Kollegen beklagen sich, dass ihre Reviews nicht gelesen werden und gestalten diese dann kürzer. Wie kommt man denn bitteschön auf solch einen Schluss, möchte ich Euch fragen? Auf jeden Fall: solch ein Review soll auf diese Weise objektiv wirken, dabei wissen wir doch alle: Musik und das Empfinden dieser ist etwas zutiefst subjektives.
Auf der einen Seite haben wir den Musiker oder eine Band. Ein Song ist etwas zutiefst individuelles und vor allem intimes. Die Entstehung eines Songs ist ein intimer Vorgang. Wir klammern jetzt einfach mal den Kommerzsektor aus, wo Songs eben nur wegen Geld entstehen. Ich rede von dem wirklichen Musiker, der überall Zettel und Stift dabei hat um Ideen, die ihm gerade kommen, aufzuschreiben um diese später auszuarbeiten. Ich spreche von Songs, die in einem Prozess entstehen, welcher manchmal sogar einen spirituellen Zug haben kann. Kurz gesagt: mit jedem Song zeigt uns der Musiker ein Stück aus seinem Seelenleben und seiner Gedankenwelt.
An dieser Stelle möchte ich fragen: ist es überhaupt fair Musik einer Band ständig mit der Musik anderer Bands zu vergleichen? Gleicht denn einer Intention der anderen? Schubladendenken ist der Tod einer jeden Kunstform, denn sie versucht Kunst greifbar zu machen. Doch gerade etwas wie Musik kann gar nicht greifbar werden, weil jeder diese Musik anders empfindet. Ein Album was ich gut finde kann für den nächsten geradezu schrecklich sein und umgekehrt. Genrebezeichnungen machen zwar Sinn um das ganze ein wenig zu katalogisieren, aber das war es dann auch. Um es deutlich zu machen: ich finde es hochgradig unfair einer Band gegenüber Musik mit anderen Bands zu vergleichen und am Ende noch mit einer Zahl zu degradieren. Ihr tut damit den Gefühlswelten der Musiker einfach unrecht, es ist für mich respektlos. Ihr glaubt mir nicht? Nehmt Euch ein Review irgendeines Onlinemagazins. Irgendein Review. Wie ist dieses Review aufgebaut? Richtig. Am Anfang wird sicher darauf eingegangen wie lange die Band schon nichts mehr veröffentlicht hat. Die Einleitung besteht häufig aus Infos die man dem Pressetext oder der Bandhomepage entnehmen kann. Kleiner Einwurf: warum überlässt man dies denn nicht dem Leser? Dann kommt der Hauptteil, in dem jeder Song mit der Musik einer anderen Band verglichen wird. „Sängerin XY klingt wie Sänger ZY…“ oder: „Die Gitarrenriffs sind sehr geil, fast so wie die von Band soundso…“ – es sind immer wieder die gleichen langweiligen Bausteine. Am Ende wird dann noch ganz kurz darauf eingegangen wir dem Rezipienten diese Musik gefallen hat und schon kommt die Zahl oder das Sternchen oder was auch immer.
Ich finde diese Art von Fließbandreviews, wie sie häufig betrieben werden, einfach unbrauchbar. Denn diese Form von Reviews fehlt es einer ganz entscheidenden Information: „Wie habe ich mich beim Hören gefühlt?“ Musik ist nicht umsonst das Tor zur Seele und das Emotionalste was ein Mensch künstlerisch erschaffen kann. Warum wird also so wenig auf die Gefühle des Hörers eingegangen? Nur so lernt man doch den Reviewschreiber wirklich kennen und kann so auch abschätzen, ob die Musik etwas für einen ist oder nicht. Im Videospielbereich ist man gerade dabei sich immer mehr und mehr vom traditionellen Zahlensystem zu verabschieden. Dort zeigen die Reviewschreiber immer häufiger ihr Gesicht und man lernt diese mit der Zeit kennen. Selbstdarstellung? Mitnichten. Es ist notwendig, dass der Reviewschreiber nach außen hin Ecken und Kanten zeigt, Meinungen vertritt und für sein geschriebenes Wort einsteht. Nur so kann eine Bindung zum Leser entstehen und nur so schafft man es auch Musik näher zu bringen. Wie gesagt: Musik ist etwas zutiefst subjektives und intimes, auf Seiten der Musiker und Bands und auf Seiten der Hörer. Warum wird sich also so verkrampft an das Zahlensystem festgehalten und beschränkt Reviews auf unsinnige Vergleiche? Was hat der Hörer von solchen Vergleichen, wenn doch jeder etwas anderes empfindet beim Hören?
Und ganz am Ende kommt eigentlich die Frage aller Fragen: „Warum betreibe ich dieses Hobby?“ Sicher aus Spaß und weil ich anderen Menschen an meine Freude für Musik teilhaben lassen möchte. Doch warum gibt es dann negative Reviews? Sowie es keine objektive Bewertung von guter Musik gibt, gibt es auch keine objektive Bewertung von schlechter Musik. Es gibt nämlich kein gut und kein schlecht: sondern lediglich ein „gefällt mir“ und „gefällt mir nicht“ und dies sollte ein Review aussagen. Und dies erreicht man natürlich am besten, wenn man die eigenen Gefühle einbezieht. Dann wird der Text eben auch mal 2-3 Word Seiten lang, aber als Leser erfahre ich so wie ein anderer Mensch dieses Album empfunden hat. Und wenn man auf ausgewürfelte Zahlen am Ende verzichtet, dann lesen den Text auch mehr Menschen durch.
Ich kann an dieser Stelle nur aufrufen: lasst die Bandvergleiche sein und bewertet Musik nach Euren Gefühl. Lasst mehr die Bands zu Wort kommen und führt mehr Interviews! Dann aber bitte ohne Copy & Paste Fragen aus Euren vorgefertigten Fragenkatalogen. Denn wer Copy & Paste Fragen stellt, bekommt auch Copy & Paste Antworten zurück und man kann sich das alles auch gleich sparen. Aus Erfahrung kann ich Euch sagen: viele Bands sind verdammt froh darüber, wenn sie individuelle und auch mal außergewöhnliche Fragen bekommen. Die Fragen können durchaus auch die Gefühlswelt betreffen oder ganz andere Themen haben. Ihr werdet feststellen wie viele Themen mit ihrer Musik verbunden sind und was für faszinierende Ansichten so zu Tage gefördert werden als mit den immer gleichen „Wann habt Ihr Euch gegründet?“ oder „Was sind Eure Inspirationen?“ Fragen. Die eine Information steht auf der Homepage und die andere Information kommt auch ganz von allein.
Diese Gedanken musste ich jetzt einfach mal aufschreiben. Wie immer gilt: wer sich nicht angesprochen fühlt, ist auch nicht angesprochen! Alle anderen, die sich den Schuh jetzt anziehen, sollten durchaus mal überdenken was Kunst eigentlich ist und das man diese nicht in scheinbar objektiven Schubladengrenzen zwängen kann…