„Linker Patriotismus… geht da was?“ Nö.
„Links“ nehm ich jetzt mal als Chiffre für ein humanistisches Ideal; „Patriotismus“ als ein Wertesystem (Ideologie) auf dem „Vaterland“ basierend. Wieso sollte da „was gehen“? Was wäre daran erstrebenswert? Ausser den über-rechten einen Hebel zu nehmen. („über-rechts“: rechter als unsere geschätzten rechten Forums-Kollegen. )
Wenn wir uns einen -ismus aussuchen/gestalten können, denk’ ich an sowas wie Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Demokratie, Partizipation etc… Ich könnt mich auch für ein europäisches Projekt (der Regionen) begeistern, aber halt nur, wenn die Verträge anders wären, das Parlament ein echtes Haushaltsrecht hätte etc…
Für mich ist „Deutschland“ eine existierende Verwaltungseinheit. Ich agiere reell lokal (= wesentlich kleinere Verw.-Einh.), virtuell im inet ist das mit den Grenzen sowieso anders, und ich beurteile Menschen nicht danach, wo sie herkommen, sondern ob sie sympathisch sind, mich belügen, beklauen, etc. Ich glaube an einen Utilitarismus (oder auch den kategorischen Imperativ), das fängt im kleinen, alltäglichen an und endet in der persönlichen Verantwortung den Möglichkeiten entsprechend (sprich auf wie großer Bühne); die Nation als Bezugsrahmen erschließt sich mir da nicht als Leitgröße/-motiv.
Übrigens: Da patria = Vaterland, und Nation = Vaterland, glaube ich - auch nach diversen Definitionen hier im Forum - nicht, dass eine klare Trennung von Nationalismus und Patriotismus möglich ist.
Ich & der Patriotismus[spoiler]Nö.
Ich bin deutscher, aber ich liebe Deutschland nicht; vielleicht ist mir das zu abstrakt einerseits, zu widersprüchlich andererseits. Deutschland ist ein überdurchschnittlich angenehmes Land um darin zu leben; trotzdem könnte vieles besser sein. Wenn ich zB (als linker) sage, dass ich unseren Bildungsföderalismus für Murks halte, hasse ich Deutschland nicht und möchte dann auch nicht „verpiss dich aus diesem Land“ als Antwort hören. Früher hatte ich so etwas wie Schuldgefühle wegen dem dritten Reich, das hat sich zu einem Gefühl von Verantwortung und etwas Scham gewandelt; den von rechten postulierten (oktroyierten) Hass/Selbst-Hass/Hass auf Deutschland kenne ich nicht.
Patriotismus habe ich persönlich überwiegend als abtörnend erlebt.
Positive Beispiele?
- Japan wurde mehrmals im Forum genannt; die haben eine ähnlich kriegsverbrecherische Vergangenheit wie wir, patriotischerweise wird das nicht so erwähnt… (Kennt ihr die Berichte über Nazi-Bars in Japan?)
- Die USA? Nein, ich habe den amerikanischen Patriotismus betrachtet und erlebt, der hat viele negative Aspekte, und ja, auch der geht mit rechter Gesinnung und Kriegsverbrechen einher; für mich sind ohne Zweifel die Mehrheit der US-Amerikaner „Supremacists“ http://en.wikipedia.org/wiki/Supremacist
- Lokal-Patriotismus? Nö, find ich auch scheisse. Ja gut, Lokal-Patriotismus kann ok sein, bewahren von Bräuchen, Spezialitäten, Sprache, hab ich nix gegen. Auch Frotzeleien, zB gegen mich als Fischkopf/Muschelschubser sind ok, verstärken aber auch meine norddeutsche Identität.
Ich bin nicht überzeugt, dass mein Leben als Franzose oder Schwede per se schlechter wäre; Teile dieser Stadt und Umgebung waren dänisch, französisch, schwedisch, preussisch, whatever; die meisten der Bürger dieser Stadt wären es nicht ohne die Nazis (Groß-Hamburg-Gesetz, wissen die meisten nicht). Und dann dieser ekelhafte „Lokal-Patriotismus“! „Iiieh, du kommst von südlich der Elbe/aus Pinneberg“, „du bist nur ein geborener Hamburger, ich ein gebürtiger“. Selbst der ansonsten von mir sehr geschätzte Harry Rowohlt; hab ihn u.a. „als Walddörfer“ in den Walddörfern (richtig, kleiner Teil von Hamburg) erlebt. Soooooooooo’n Dünkel und auf der anderen Seite zB politisch sooo erbärmlich; ich sach nur Schill inne Regierung wählen (die Hamburger, nicht der Rowohlt persönlich, glaub ich). Sorry, musste raus.
Um den Bogen zu schlagen: Ich habe zuviele Parallelen zwischen US-lokalpatriotischer Propaganda (Highschool Football, inkl. „racial slurs“, Lügen, „Pep-Rallies“ statt Parteitagen…), zeitgenössischer US- und NS-Kriegspropaganda erkannt, den heimatlichen Lokalpatriotismus als zu unangenehm erlebt, die selbst-ernannten Patrioten denen ich begegnet bin waren auch eher unangenehm (Rechts-/Arsch-offen), als dass ich in Patriotismus etwas positives sehen würde.
„Patriotismus ist die letzte Zuflucht der Schurken“.[/spoiler]
Deutschland ist schön!