Diskussion über den Blog-Artikel: “Kaum Identifikationspotenziale”
Gäbe es einen Award für die abstoßendste Sendung des Jahres, dann würde diesen vermutlich locker die RTL2-Sendung “Villa Germania” bekommen. Die Dokusoap über notgeile deutsche Rentner in Thailand (Fernsehkritik-TV berichtete in Folge 93) hat viele Zuschauer verärgert. Denn es ist schon schlimm genug, dass sich deutsche Männer so über Thai-Mädchen her machen - gesteigert wird dies eben nur noch dadurch, dass man dies quasi kritiklos im Fernsehen zeigt.
Nun haben sich damals im Mai 2012 diverse Zuschauer bei der Medienaufsicht beschwert - und bekamen über Monate keine Antwort. Erst heute, also gut ein halbes Jahr später, erfolgte endlich eine Stellungnahme seitens der zuständigen Hessischen Landesmedienanstalt. Vielen Dank an Carlos, Marc und Andreas für die sofortige Weiterleitung. Sie alle erhielten die wortgleiche Antwort von der LMA - und man weiß nicht, ob man nun das RTL2-Format selbst oder die Stellungnahme schlimmer finden soll. Auffallend jedenfalls, dass die Medienaufsicht so lange gebraucht hat, um sich zu dem umstrittenen Format zu äußern. Aber lesen Sie selbst (die aus meiner Sicht bemerkenswertesten Stellen habe ich mal eingefettet):
Sehr geehrter Herr XY,
Sie hatten sich bei den Landesmedienanstalten über die Ausstrahlung der Sendung „Villa Germania“ im Programm von RTL 2 beschwert. Die Beschwerde wurde an uns, die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), weitergeleitet, da wir die Federführung über die Aufsicht des Programms von RTL 2 innehaben.
Zu der genannten Doku-Serie erreichten uns eine Reihe von Beschwerden, in denen unter anderem sexistische und frauenverachtende Äußerungen gegenüber Thailänderinnen, eine Verharmlosung von Sextourismus sowie eine Degradierung thailändischer Frauen zu reinen Sexobjekten kritisiert wurde. Außerdem verwiesen sie auf rassistische Äußerungen gegenüber Urlaubern aus anderen Ländern. Nach einer ersten Prüfung durch die LPR Hessen haben wir die erste Episode der Sendung, ausgestrahlt am 23.05.2012 um 22:15 Uhr, zur abschließenden Bewertung der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) vorgelegt, die diese unter Würdigung aller rundfunkrechtlichen Aspekte abschließend geprüft hat. Im Ergebnis lässt sich durch die Ausstrahlung der Sendung kein Verstoß gegen rundfunkrechtliche Bestimmungen feststellen. Weder konnte eine Unzulässigkeit der Sendung hinsichtlich einer Verletzung der Menschenwürde oder hinsichtlich sonstiger Gründe festgestellt werden noch ist eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Jugendliche zu erwarten.
Für Jugendliche bietet die Sendung „Villa Germania“, in der ältere deutsche Auswanderer in Thailand gezeigt werden, kaum Identifikationspotenziale. Die Männer werden nicht als Vorbilder stilisiert oder deren Verhalten als nachahmenswert dargestellt. Dies ermöglicht eine Einordnung der gezeigten Verhaltensweisen und Aussagen als Einzelansichten der Protagonisten. Eine Verallgemeinerung der kritisierten Denk- und Verhaltensweisen wird nicht vermittelt.
Die Männer legen gegenüber den Thailänderinnen zwar Denk- und Verhaltensweisen an den Tag, die – wie die Beschwerden zeigen – durchaus auf breite Kritik stoßen, doch findet hiermit weder eine Herabwürdigung statt noch ist eine solche beabsichtigt. Die Thailänderinnen werden in ihrer Subjektqualität nicht prinzipiell in Frage gestellt, im Gegenteil werden sie von den Deutschen geschätzt. Anhaltspunkte, dass die Thailänderinnen in der Sendung nicht selbstbestimmt handeln oder in missliche Lagen gebracht werden, konnten nicht festgestellt werden. Auch Prostitution wird weder positiv dargestellt noch befürwortet. Sie wird in der Sendung nicht ausführlich thematisiert und auch nicht als Grund der Männer angegeben, nach Thailand zu gehen. Hinsichtlich der Kommentare über die thailändischen Frauen wird innerhalb der Sendung deutlich, dass hiermit nicht unbedingt eine Beleidigung oder eine geringe Wertschätzung verbunden ist. Auch ermöglichen kritische Kommentare weiterer Protagonisten und die Off-Kommentierung eine Distanzierung und Einordnung.
Die Kommentare über andere Ausländer, insbesondere Russen, befinden sich ebenfalls im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Zwar sind sie nicht gerade das, was allgemein unter diskriminierungsfreiem Miteinander verstanden wird, doch verdeutlichen diese Aussagen allein die Meinung der Protagonisten Horst und Ingo. Weder ist diskriminierendes Verhalten zu beobachten noch wird dazu aufgerufen oder dieses positiv dargestellt.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass auch Jugendliche aufgrund ihrer Erfahrungen mit der deutschen Medienrealität und der Präsentation in der Sendung in der Lage sind einzuschätzen, dass es sich bei dieser Sendung um eine Dokumentation handelt, die das Leben einzelner deutscher Rentner beleuchtet, die nach Thailand ausgewandet sind. Über die Qualität dieser Sendung kann man dabei sicher verschiedener Ansicht sein, doch sind weder eine Beurteilung von Geschmacksfragen noch die Bewertung der Qualität Aufgabe der Landesmedienanstalten.
Auch die übrigen Episoden der Sendereihe „Villa Germania“ wurden unter Würdigung aller rundfunkrechtlichen Aspekte geprüft. Im Ergebnis konnten jedoch auch hier keine Anhaltspunkte festgestellt werden, die einen Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen begründen.
Ich möchte Ihnen in jedem Fall für Ihren Hinweis danken. Durch Ihre aufmerksame Beobachtung unterstützen Sie die Landesmedienanstalten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, ein den medienrechtlichen Bestimmungen entsprechendes Programm zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
Die Argumentation der LMA geht also durchweg nur von einer Blickweise aus: ob ein Jugendlicher die alten Böcke als Vorbild betrachten könnte. Da bleibt die Frage: Werden sonst keine Faktoren zur Bewertung herangezogen? Ist Diskriminierung von Menschen, und diese liegt hier zweifelsohne vor, also dann in Ordnung, so lange der Diskriminierende nicht zum Vorbild wird? Interessant auch, dass eingangs zwar die Verharmlosung von Sextourismus als Beschwerdepunkt seitens der Zuschauer erwähnt, dann aber in der weiteren Erklärung nicht mehr zum Thema gemacht wird. RTL 2 hat sich durch Ausstrahlung dieser Sendung eindeutig zum Förderer und Komplizen von dieser Art des Menschenhandels gemacht. Die Landesmedienanstalt war aber offenbar nicht bereit, sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern rezitiert lediglich die Stellungnahme der KJM (die ja eben eine Sendung nur unter Jugendschutz-Gesichtspunkten bewertet).
Bemerkenswert übrigens, dass die KJM ja Ausgaben der “Super Nanny” zweimal (zu Recht) als “menschenverachtend” eingestuft hat. Wir halten also fest: Die “Super Nanny” ist menschenverachtender als “Villa Germania”. Das wird gleich mal dem Gericht mitgeteilt!