Inklusion - Gemeinsam anders (ARD, 23. Mai 20:15 Uhr)

Moin moin, lieber Fernsehkritiker,
hallo, liebe Gemeinde!

Ich habe gestern Abend den im Betreff genannten Film 0 gesehen und fand ihn derartig grausam, dass ich mich genötigt sah, mich hier zu registrieren und einmal Dampf abzulassen. Falls ich den falschen Bereich erwischt habe, tut es mir leid. Ich bin neu hier :wink:

Zunächst mal das positive: Der Film spricht das Problem „Schulbildung von Behinderten“ an. Es kommen sowohl Befürworter als auch Gegner der Integration von Behinderten in normale Schulen zu Wort, so dass man nicht das Gefühl hat, es mit allzu arger schwarz-weiß-Malerei zu tun zu haben. Es wird ziemlich deutlich, dass die Integration/Inklusion von Behinderten nicht kostenneutral umsetzbar, aber dennoch wichtig ist.

Was mir an dem Film jedoch überhaupt nicht gefallen hat, ist einmal auf den Punkt gebracht: Er ist an vielen Stellen schwachsinnig und unglaubwürdig. Beispiele:
[ul]
[li] Gestellte Behinderte: Vor allem die körperlich Behinderte wirkt unecht[/li][list]
[li] Die Schauspielerin Ist einfach nicht behindert: mir wurde bis zum Ende nicht ganz klar, an welcher Behinderung sie genau leiden soll[/li][list]
[li] O.k., sie sitzt ein bisschen schief und bemüht sich stellenweise, die Hand schief zu halten. Man sieht aber deutlich, dass mit ihr alles o.k. ist, und das wirkt nun mal total hölzern. (Ich musste spontan an den Gorilla aus „Herkules in New York“ denken.)[/][/li][li] Die Form der Behinderung ändert sich ständig: am Anfang kann sie nicht mal wirklich schreiben und nur sehr langsam tippen, an anderer Stelle im Film kann sie jedoch auch Handrollstuhl fahren, eine Getränkeflasche locker aus dem Kühlschrank holen und daraus trinken und sich sogar an einer Sprossenwand hochziehen und stehen (an einer Stelle kann sie sich sogar unbemerkt auf den Treppenlift begeben und auf diesem die Treppe runter fahren)[/][/ul][/][/li][li] ihr Rollstuhl wirkt wie ein Leihwagen:[/li][ul]
[li] Das Teil sieht aus wie geliehen (ist es ja wohl auch). Es scheint nicht an ihren Körper angepasst. Beispielsweise wird ihr Nacken auch gar nicht gestützt.[/
][/li][li] Warum hat sie Überhaupt einen E-Rollstuhl, wenn sie auch mit einem Handrollstuhl zurechtkommt? So verlernt sie noch mehr![/][/li][li] Warum sitzt sie links am Tisch, wenn ihre Steuerung rechts am Rollstuhl ist? Wenn sie rechts sitzen würde, könnte ihre Steuerung neben dem Tisch sein und sie könnte näher an den Tisch fahren.[/][/li][li] Sie kann mit dem Rollstuhl nicht umgehen: Mit einem Rollstuhl, wie sie ihn fährt, kann man problemlos Türen öffnen, indem man sie aufdrückt, wenn man sie denn einen Spalt auf bekommt. Sie bekommt das aber nicht hin, sondern fährt immer dämlich gegen die Tür.[/][/ul][/][/li][li] Wie bereits erwähnt kann sie Türen nicht öffnen (nicht mal die zum Drücken ohne Klinke). An einer Stelle im Film sieht man jedoch, wie sie weinend in die Behindertentoilette fährt, um sich die Tränen mit Klopapier zu trocknen.[/li][ol]
[li] Wie hat sie die Tür auf bekommen? Es scheint mir unwahrscheinlich, dass sie jemanden gefragt hat.[/][/li][li] Wie ist sie da wieder rausgekommen?[/][/ol][/][/li][li] Wieso erst Inklusion in der neunten Klasse? Steffi war ihr Leben lang auf einer Sonderschule. Ich finde es – gelinde gesagt – erstaunlich, dass sie stofflich im Unterricht mitkommt. Immerhin steigt sie in einer neunten Klasse ein.[/li]Normalerweise hätten die Eltern Alarm schlagen müssen, als es um die Einschulung ging: Was sind denn das für Eltern, die ihre geistig normal entwickelte Tochter auf eine Sonderschule schicken, aber eigentlich auf eine normale Schule schicken wollen!? Es gibt Eltern, die es in Kauf nehmen, dass ihr körperlich behindertes Kind geistig total unterfordert wird, aber wenn sie sich um eine normale Schule bemühen, funktioniert das nicht erst in der neunten Klasse![/][/list][/]
[li] Es wird so getan, als ob die einzige Rettung der ominöse Schulhelfer wäre, der krank und deshalb nicht da ist. Es ist nun aber nicht so, dass nur die Schule dafür verantwortlich ist, dass Assistenzkräfte verfügbar sind: Allein bei Steffi geht es ja nicht nur um Eingliederungshilfe, sondern auch um Hilfe zur Pflege (beispielsweise beim Toilettengang). Folglich würde man sich natürlich beim zuständigen Amt melden und da alles beantragen und gegebenenfalls einklagen. (Auch das kann dauern, aber es müsste immerhin thematisiert werden!)[/
][/li][li] Allgemein sind einige Sachen in dem Film für mich sehr cheesy:[/li][ul]
[li] Wieso übernimmt beispielsweise der Lehrer die Aufgabe eines Physiotherapeuten? Nur, weil man ihn nett bittet? Ich bezweifle sogar, dass er das darf…[/][/li][li] Und wieso soll die Behinderte ihr Training alleine machen? Das ist doch Quatsch! Man kann doch nicht ein so schwer behindertes Mädchen, das gerade so mit Ach und Krach an einer Sprossenwand stehen kann, alleine trainieren lassen! Da ist die Verletzungsgefahr doch viel zu groß! Wieso helfen ihm die Eltern dabei nicht?[/][/li][li] Wie ist es zu erklären, dass Steffi in der ersten Stunde kein Notebook dabei hat? Sie sagt, ihre Eltern hätten es vergessen, was mir nicht plausibel erscheint. (Bei dem Trara, das die Eltern um die Einschulung gemacht haben, vergessen die das doch nicht am ersten Tag!) Sie selbst konnte es aber auch nicht verschwinden lassen…[/][/ul][/][/li][li] Auch fragwürdig: das Ende. Die Körperbehinderte Steffi passt sich an und darf bleiben, während der geistig behinderte und aus meiner Sicht sozial hochkompetente Paul der Schule verwiesen wird, weil die Leute überhaupt nicht auf ihn eingehen, ihn provozieren und sich dann wundern, dass ihm der Kragen platzt.[/*][/list][/li]
Ich finde es ja gut, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt und das Leute dafür sensibilisiert werden, allerdings ist der Film offensichtlich von Leuten gemacht, die kaum oder vielleicht sogar nie mit Behinderten zu tun hatten. Schade.

Was denkt ihr über den Film?

Gruß,
Jonny

Erstmal in ruhe anschauen! :smiley: Die kritik ist ja doch recht vielseitig hier! :smiley:

Labby

Zum Ende: das war IMO einfach dramaturgisch bedingt. Damit der Film nicht zum Sozialkitsch verkommt, muss halt auch die Möglichkeit des Scheiterns vorhanden sein.

Die unrealistischen Details, OK, welcher Film ist schon vollkommen realistisch. Vielleicht hätte man besser jemanden hinzuziehen sollen, der sich damit auskennt. Leider verfügen gerade solche Filme meist nur über ein Minimalbudget, wo sowas nicht drin ist.

Was mich an dem Film hauptsächlich stört: wenn man sich seitens des ÖR das Thema Inklusion und Uno-Behindertenrechtskonvention annimmt und es in die Öffentlichkeit tragen möchte, warum dreht man dann nicht auch mit behinderten Darstellern? Das wäre doch nur logisch, oder? Klar, das ist halt etwas teurer, aber da hätte die ARD ja ruhig mal ein paar Groschen drauflegen können. So wirkt es irgendwie verlogen. Der Film möchte sich für mehr Integration von Behinderten engagieren, tut aber selbst genau das Gegenteil.

[li] Wieso erst Inklusion in der neunten Klasse? Steffi war ihr Leben lang auf einer Sonderschule. Ich finde es – gelinde gesagt – erstaunlich, dass sie stofflich im Unterricht mitkommt. Immerhin steigt sie in einer neunten Klasse ein.[/li]> Normalerweise hätten die Eltern Alarm schlagen müssen, als es um die Einschulung ging: Was sind denn das für Eltern, die ihre geistig normal entwickelte Tochter auf eine Sonderschule schicken, aber eigentlich auf eine normale Schule schicken wollen!? Es gibt Eltern, die es in Kauf nehmen, dass ihr körperlich behindertes Kind geistig total unterfordert wird, aber wenn sie sich um eine normale Schule bemühen, funktioniert das nicht erst in der neunten Klasse![/list]

Sie dürfte davor auf einer Schule für körperbehinderte Schüler gewesen sein, keine Sonderschule für Menschen mit geistiger Behinderung oder eine für Schüler mit Lernbehinderung.

[li] Es wird so getan, als ob die einzige Rettung der ominöse Schulhelfer wäre, der krank und deshalb nicht da ist. Es ist nun aber nicht so, dass nur die Schule dafür verantwortlich ist, dass Assistenzkräfte verfügbar sind: Allein bei Steffi geht es ja nicht nur um Eingliederungshilfe, sondern auch um Hilfe zur Pflege (beispielsweise beim Toilettengang). Folglich würde man sich natürlich beim zuständigen Amt melden und da alles beantragen und gegebenenfalls einklagen. (Auch das kann dauern, aber es müsste immerhin thematisiert werden!)[/li]

Damit man in Deutschland als Mensch das Anrecht auf eine inklusive Beschulung hat, muss diese kostenneutral sein. Deutschland interessiert die unterschriebenen UN-Konventionen für dieses Thema aktuell ziemlich wenig.
Mal eben beim Amt melden und die Hilfe bekommen ist auf jeden Fall nicht der Fall. Man könne doch auf die für Behinderte in Deutschland vorgesehenen Schulen gehen.

Also ich habe den Film gerade zu Ende geschaut und ich muss sagen, dass ich diese extreme Kritik nicht unterschreiben würde. Manche deiner aufgeführten Punkte könnten sich sicher irgendwie erklären lassen.

Ich weiß zB nicht, wie du so klar erkennen kannst, dass die Türen locker mit dem Rollstuhl aufzukriegen sind. Da es Feuerschutztüren waren, weiß ich nicht, ob das wirklich so leicht wäre. Außerdem zeigt der Film ja nur, dass Steffi es nicht macht, nicht, dass sie es nicht schafft. Vielleicht tut sie das ja mit Absicht um hilfebedürftig zu wirken?

Genauso beim Laptop, den ihre Eltern vergessen haben. In der Szene hat sie absichtlich die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie schlicht und einfach gelogen hat.

Der Lehrer hat ihr bei den Übungen eher als Privatperson beigestanden und weniger als Lehrer, daher würde ich darin kein so großes Problem sehen, dass man ihm zu viele Kompetenzen zuspricht. Zumal er ja selbst klettert und deswegen wahrscheinlich gar nicht so ungeeignet als Helfer ist.

Nur weil du nicht erkennen kannst, welche Behinderung Steffi hat, heißt das doch nicht, dass es diese Art von Behinderung nicht gibt. Ich denke es wurde bewusst nicht so stark thematisiert, was genau ihr Problem ist, da es mehr um die Interaktion der Charaktere ging.

Und diese ganzen “Logikfehler” sind jetzt nicht so absonderlich, dass der ganze Film verzerrt wird. Wenn in einem Action-Film eine Explosion auftaucht, die im RL anders aussieht/anders entsteht, würde mich das jetzt nicht stören, da ich weiß, dass es nur ein Film ist. Zugegeben, in meinem Beispiel soll der Film unterhalten und hier die “Inklusion” vorstellen, aber nur weil Steffi jetzt an der falschen Seite des Tisches gesessen hat oder durch Türen ging, die sie theoretisch nicht öffnen konnte, ändert das an der Story und Aussage doch recht wenig.

Dass Paul am Ende aus der Schule geworfen wurde, lässt sich sicher auch auf die Eltern von Marie zurückführen, daher ist es für die Entscheidung am Ende irrelevant gewesen, wer an dieser Situation Schuld hatte. Ich denke, die Lehrerschaft hatte viel Druck von außen und hat für sich den leichteren Weg gewählt: Ob sie es aus Überzeugung getan hat, erfährt man im Film nicht wirklich.

Und ok, die Charakterentwicklung von Steffi empfand ich auch etwas sprunghaft, aber es ist eben ein Film, meine Güte.

Was am Ende bleibt, ist dein berechtigter Vorwurf, dass man es hätte realistischer/plausibler aufziehen können, das kann ich verstehen, aber wenn man pedantisch sein will, findet man in fast jedem Film Unstimmigkeiten oder zumindest Stellen, die einem nicht schlüssig oder realistisch vorkommen.

Kiyotakes Vorwurf ist wiederum natürlich entlarvend.

Edit: Achso und Optimus Prime hätte man ruhig beim Namen nennen dürfen :ugly

Die unrealistischen Details, OK, welcher Film ist schon vollkommen realistisch. Vielleicht hätte man besser jemanden hinzuziehen sollen, der sich damit auskennt. Leider verfügen gerade solche Filme meist nur über ein Minimalbudget, wo sowas nicht drin ist.

Ich glaube nicht, dass es teuer wird, einen gemeinnützigen Verein, der sich damit beschäftigt, oder einen Behinderten zu bitten, sich in so ein Projekt mit einzubringen. Gerade in diesem Bereich wird sehr viel ehrenamtliche Arbeit geleistet – wenn in so einem großen Rahmen Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden kann, sind bestimmt diverse Leute bereit, das unentgeltlich zu tun.

[W]arum dreht man dann nicht auch mit behinderten Darstellern? […] So wirkt es irgendwie verlogen. Der Film möchte sich für mehr Integration von Behinderten engagieren, tut aber selbst genau das Gegenteil.

Danke! So treffend habe ich vorhin irgendwie nicht formuliert bekommen :wink:

Sie dürfte davor auf einer Schule für körperbehinderte Schüler gewesen sein, keine Sonderschule für Menschen mit geistiger Behinderung oder eine für Schüler mit Lernbehinderung.

Da sehe ich überhaupt keinen Unterschied. Das ist jetzt nicht provokativ gemeint, aber kennst Du so eine Schule? Ich habe Erfahrung mit mehreren Sonderschulen gemacht und kenne keine.

Damit man in Deutschland als Mensch das Anrecht auf eine inklusive Beschulung hat, muss diese kostenneutral sein. Deutschland interessiert die unterschriebenen UN-Konventionen für dieses Thema aktuell ziemlich wenig.

Meines Wissens nach hast du ein Recht auf eine erste Ausbildung, gegebenenfalls auf eine weiterführende, wenn du schlüssig darlegen kannst, dass das Sinn macht.

Mal eben beim Amt melden und die Hilfe bekommen ist auf jeden Fall nicht der Fall. Man könne doch auf die für Behinderte in Deutschland vorgesehenen Schulen gehen.

Das ist doch gerade der Punkt! Der Normalfall ist ja, dass du diverse Zuständige hast, die alle den Bedarf anerkennen, für ihn aber nicht geradestehen wollen. Dann muss man (die Eltern) eben hartnäckig sein, klagen, was auch immer. Das fehlt für mich komplett, ist aber ein nicht unwesentlicher Teil bei der ganzen Unternehmung.

Ich weiß zB nicht, wie du so klar erkennen kannst, dass die Türen locker mit dem Rollstuhl aufzukriegen sind. Da es Feuerschutztüren waren, weiß ich nicht, ob das wirklich so leicht wäre.

Ich sitze selbst in einem E-Rollstuhl ^^ Die Kraft dazu haben die Teile auf jeden Fall, denn sie müssen ja auch Leute befördern, die teilweise weit über 100 kg wiegen. Und so ein Fußbrett hält das auch locker aus.

Außerdem zeigt der Film ja nur, dass Steffi es nicht macht, nicht, dass sie es nicht schafft. Vielleicht tut sie das ja mit Absicht um hilfebedürftig zu wirken?

Das könnte man am Anfang denken, aber es gibt eine Szene, wo sie von den anderen angemacht wird, die in zwei Reihen um sie herum stehen. Da steht sie ziemlich dumm da, gerade weil sie immer noch total feindselig ist und alleine nicht durch die Tür kommt.

Genauso beim Laptop, den ihre Eltern vergessen haben. […] Ich kann mir gut vorstellen, dass sie schlicht und einfach gelogen hat.

In der Tat, das könnte sein^^ (du Fuchs, du)

Der Lehrer hat ihr bei den Übungen eher als Privatperson beigestanden

Meinetwegen, auch das könnte sein.

Nur weil du nicht erkennen kannst, welche Behinderung Steffi hat, heißt das doch nicht, dass es diese Art von Behinderung nicht gibt.

Natürlich nicht! Das behaupte ich auch nicht! Ich kann mich nur überhaupt nicht mit ihr identifizieren, weil ich nicht weiß, wo ihr Problem ist.

Ich denke es wurde bewusst nicht so stark thematisiert, was genau ihr Problem ist, da es mehr um die Interaktion der Charaktere ging.

Aber gerade davon hängt die Interaktion mit ihren Mitmenschen ja ab!
Ist sie beispielsweise querschnittsgelähmt und nach dem Unfall noch traumatisiert? O.k., vielleicht hat sie sich noch nicht mit ihrer Behinderung abgefunden. Da könnte ich ansatzweise so etwas wie Verständnis für ihr Verhalten aufbringen.
Ich persönlich habe aber das Gefühl, dass sie damit geboren wurde oder zumindest schon sehr lange behindert ist. Das mache ich etwa daran fest, dass sie nie auf einer normalen Schule war oder dass ihr die Eltern einreden, sie sei mindestens so schlau wie die anderen – das macht doch kein Mensch bei jemandem, der nur einen Unfall hatte.

Wenn sie aber sowieso schon ewig mit ihrer Behinderung lebt, kann ich keine Sympathie für sie empfinden. Ich verstehe nicht, wieso sie so ist, wie sie ist, und habe einfach das Gefühl, dass der Regisseur glaubte, Mitleid könne man schon mit vier Rädern erzeugen.

Das finde ich einfach nur platt.

Und diese ganzen „Logikfehler“ sind jetzt nicht so absonderlich, dass […] eine Explosion […] im RL […] entsteht

Ich finde, dass man das nicht vergleichen sollte. Wenn man den reinen Unterhaltungswert sieht, reicht es womöglich, einfach irgendwen in einen Rollstuhl zu setzen und ein bisschen im Kreis fahren zu lassen. Dann kann ich aber auch RTL 2 gucken.

Es gibt nicht allzu viele Filme, die den Alltag von Behinderten thematisieren. Es gibt noch weniger Filme, anhand derer Otto Normalverbraucher sich ein wenig abgucken kann, wie man mit Behinderten umgehen könnte. Da finde ich es wichtig, dass ein solcher Film nicht einfach nur mal so gedreht wird.
Ich persönlich glaube nicht, dass ein nicht-involvierter Zuschauer durch diesen Film wirklich Lust auf mehr bekommt, was Inklusion/Integration angeht. Eher im Gegenteil – und das finde ich schade.

[A]ber es ist eben ein Film, meine Güte.

Richtig. Deshalb poste ich hier :wink:

Da sehe ich überhaupt keinen Unterschied. Das ist jetzt nicht provokativ gemeint, aber kennst Du so eine Schule? Ich habe Erfahrung mit mehreren Sonderschulen gemacht und kenne keine.

In dem Bereich kocht natürlich jedes Bundesland wieder sein eigenes Süppchen - aber prinzipiell gibt es extra Schulen für Menschen mit Körperbehinderungen und ohne (starke) geistige Behinderungen. Siehe z.B. http://www.schulministerium.nrw.de/BP/S … klung.html

Meines Wissens nach hast du ein Recht auf eine erste Ausbildung, gegebenenfalls auf eine weiterführende, wenn du schlüssig darlegen kannst, dass das Sinn macht.

Worum es geht ist der Anspruch auf eine inklusive Beschulung, es geht nicht um den Anspruch irgendeiner Beschulung.
Die inklusive Beschulung muss leider aktuell immer noch kostenneutral sein - die Schule darf keine Kosten haben, damit man diese Beschulung verlangen kann, ansonsten sind die Förderschulen/Sonderschulen erstmal zuständig. Und die Pflegekassen werden auch nicht einfach die Finanzmittel vergeben für eine Hilfskraft - da sie auf die Möglichkeit der Förderschulen verweisen wird.
Das ist der traurige Grund, warum es Inklusion fast nur an privaten und halb-privaten Schulen in Deutschland gibt.

die Schule darf keine Kosten haben, damit man diese Beschulung verlangen kann

Zum einen hat die Schule nicht unbedingt mehr Kosten, da es ja auch andere Kostenträger gibt (im Prinzip vor allem das Amt). Zum Anderen kann man natürlich verlangen, dass jemand mit normalem Verstand auf herkömmliche Schule gehen darf.
Für mich ist es ein Hammer, dass dieser Film etwas anderes suggeriert.

Ich habe darauf mal als PN geantwortet, damit das Thema der realen Inklusion an deutschen Schulen nicht zu weit Off-Topic hier wird.

So ein Film kann mE immer nur eine Diskussion anstoßen, aber keine Fragen beantworten oder politische Lösungswege entwickeln. Dafür wäre es überaus sinnvoll gewesen, wenn man im Anschluss an den Film in der obligatorischen Abendtalkshow bei Anne Will das Thema aufgegriffen hätte, um genau die Sachen zu diskutieren, die Du da ansprichst. Stattdessen lief den Abend bei Anne Will die fünfzigste Talkrunde zum Thema Griechenland mit Lafo, Kramp-Karrenbauer und Mr. Dax - darauf hätte man locker verzichten können.

Mir gefällt der Einwurf von @Kiyotake sehr. Warum spielen “Normale” stets Behinderte?
Ich habe mal einen Beitrag gesehen, wo ein Moderator(?)/Schauspieler sich mit jemandem über die Verteilung der Behinderten im Deutschen Fernsehen unterhielt. Dem Mann fehlte ein halber Arm und es wurde halt gefragt, warum nicht tatsächliche Behinderte genommen werden. Statt einen Behinderten zu nehmen, binden die Leute beim Tatort lieber einem Schauspieler den Arm weg. Das ist doch bekloppt. Der Typ mit dem halben Arm war übrigens sehr smart und cool. Der hätte das auf jeden Fall auch drauf. Aber bei den Öffentlich Rechtlichen heißt es ja: Bloß keine Experimente! :smt011

@Norma_I

Der Gast mit dem halben Arm klingt nach dem Comedian Martin Fromme (http://www.youtube.com/watch?v=Dx7qoHShpqE)


Die Tatsache, dass behinderte Personen von nichtbehinderten gespielt werden finde ich auch etwas unpassend. Verstehen kann ichs, wenn es um die Hauptrolle in größeren Produktionen geht - da braucht man dann die Kombination aus großem Namen und entsprechendem Talent. Aber warum bspw. ne Nebenrolle in einem Tatort von einem nichtbehinderten übernommen werden muss erschließt sich mir nicht.

Spiegel Online schreibt dazu: ‘‘Erst wenn die Hemmschwellen, Schauspieler mit Behinderung zu engagieren, abgebaut sind, dann kann man wirklich anfangen, von Inklusion in einer Gesellschaft zu sprechen.’’

In der Polizeiruf-Folge ‘‘Rosis Baby’’ (tatsächlich die einzige, die ich je gesehen habe), hat die Hauptdarstellerin (Juliana Götze) auch in der Realität das Down-Syndrom und es funktioniert hervorragend.
Gibt also keinen Grund, nicht auch behinderte Schauspieler zu nehmen; solange es genug entsprechende Talente gibt.

Klar, dass keine behinderten Schauspieler genommen wurden, ist irgendwie komisch oder unpassend. Mich wundert nur, dass das für die meisten der zentrale Makel zu sein scheint. Ich finde das gar nicht soooo schlimm. Wenn die Leute ihre Arbeit gut machen würden, wäre so etwas ja o.k.

@MadTV,
danke, genau der war das.
Gut, das Video ist jetzt etwas platt und erinnert mich an Simon Gosejohann, der auch Leute auf der Straße mit einer Salatgurke in der Hose ‘schockt’.
Nichtsdestotrotz hatte der Martin Fromme in dem Interwiev, welches ich gesehen habe, sehr gut argumentiert. Dem traue ich durchaus mehr zu, als diese komische Show. Ein äußerst intelligentes Kerlchen und vielleicht mal Gast bei FKTV? Über den würde ich mich richtig freuen.

Ich habe den FIlm auch gesehen und das hat mich an ein Praktikum erinnert, dass mal eine Schülerin bei uns gemacht hat.

Sie sass im Rollstuhl, war Spastikerin und auch noch mit ihrer rechten Hand (oder linken Hand, weiss nich mehr genau) stark eingeschränkt.
Sie hatten jeden Tag eine Arbeitshilfe dabei. Die ihr schlichtweg die meisten arbeiten abgenommen hat.
Ich fand es damals (und auch heute) total krass, dass man so getan hat als würde sie “sehr geeignet” für diesen Beruf sein. Bei aller Liebe, aber im knallharten Alltag gehts eben anders zu. Ich habe ihr dann gesagt, dass es auch andere Berufbilder gibt, wie medizinische Dokumentationen u.a. und dass der Beruf in der öffentlichen Bibliothek so gesehen nicht für sie geeignet war. Ich kam mir vor wie ein fieser Mensch… aber es entsprach doch der Wahrheit! (also die Aussage, nicht dass ich ein fieser Mensch bin… :mrgreen: )

Ausserdem hatte der freundliche Fahrdienst für diese 2 Wochen der Arbeitshilfe und der Praktikantin, keinen Wagen zu Verfügungen stellen können, der mit Hublift für den Rollstuhl geeignet war. So durfte die Arbeitshilfe und ich, jeden Tag die Praktikantin in einen normalen VW-Bus mit sehr unpraktischen Stufen hinein und auch wieder hinaushiefen.

Ich wollte das alles einfach nicht und da wird einem eben sowas aufgeschwätzt… ja ja soziale Rolle und so… aber wies einem selber dabei geht und wie man mit Menschen umgeht die starke Behinderungen haben, dass muss man auch einfach so können…

Es war ein sehr kontroverses Praktikum. Auf der einen Seite freute es mich, dass wir ihr die Möglichkeit geben konnten, auf der anderen Seite, sah ich es mehr oder weniger als ABM an.

Ausserdem sollte heute jemand was gegen “Inklusion” sagen oder sogar was dagegen haben… der wird gleich als Unmensch dargestellt. Es gibt da so viele Probleme bei der Verwirklichung, dass es eben meist nur schön gewollt, aber extrem schlecht gemacht ist…

Daran, dass es schlecht gemacht ist, sind leider auch oft die Gesetze schuld ? ich bekam eine Woche vor Einschulung in eine weiterführende Schule (ich sollte aufs Gymnasium) die Diagnose einer starken Sehbehinderung (wir dachten, ich sei einfach zu blöd zum laufen). Schnell stand bei mir fest, dass ich auf eine Sonderschule für Sehbehinderte (und ja es gibt auch spezielle Schulen für Körperbehinderte und Gehörlose ganz ohne geistige Behinderungen) gehen soll, wegen des Zeitdrucks. Später kam ich auf ein Gymnasium speziell für Blinde und Sehbehinderte. Um integrativ geschult zu werden, benötigt man Vorlesungskräfte, die bezahlt werden möchten (im Studium nicht anders). Vielen wird dieses vom Amt verwehrt, wie oben auch schon erwähnt wurde, mit Bezug auf vorhandene speziell ausgerichtete Schulen. Zudem kämpfen diese Schulen um jeden einzelnen Schüler!!! Deshalb musste ich auch 2 Jahre auf der Sonderschule versauern, bevor man mich endlich auf das Gymnasium ließ.

Süddeutsche Zeitung TV hat mal zumindest von meiner Schule (Blindenstudienanstalt Marburg) einen sehr guten Film gedreht mMn.

Ich kann meinen Vorredner verstehen, denn ein Behinderter sollte schon wissen, wo seine Grenzen sind und was er alleine im Stande ist zu verrichten. Ich selbst möchte und bekomme auch nichts im Berufsleben geschenkt. So ist das nun einmal ? Man bekommt zwar ggf. Hilfsmittel vom Integrationsamt bezahlt, aber letztlich muss man die Arbeit ja selbst verrichten.

Zum Thema „behinderte Schauspieler“:

Genug Nachwuchs gibt es^^ zumindest gibt es jährlich die „Punktspiele“ bei denen internationale blinde Theaterspieler zusammen treffen und Projekte vorstellen. Ich finde durch „normale“ Schauspieler verliert es an Glaubwürdigkeit, jedoch ist es wie auch schon erwähnt wurde nur ein Film! Im Film „Ziemlich beste Freunde“ hat es dennoch gut funktioniert.

Hi nochmal,
ich habe eben noch eine Filmkritik zu diesem Film gefunden, die ich hier verlinken wollte:


Die Autorin ist eine Gehörlose, die sich vor einigen Wochen schon darüber aufgeregt hatte, dass der Film Inklusion zum Thema hat, aber nicht einmal mit Untertiteln für Gehörlose ausgestrahlt wurde.

Und auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung hat den Film stark kritisiert:
http://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/PM21_ARDFilm_cm.html

Gruß,
Jonny

Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich den Film ebenfalls durchaus schlecht finde.
Wenn der Film gemacht würde um sich für das Thema Inklusion einzusetzen, warum wird dann wie z.B. in der Szene in der Paul mit den Matheaufgaben nicht zurechtkommt suggeriert, dass der Lehrer sich nicht um eine Klasse + eine Behinderte Person kümmern kann?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es für Lehrer durchaus möglich ist sich um behinderte in einer Klasse zu kümmern. So sind für mich z.B. die Arbeitszettel von den Lehrern, aufgrund einer Sehbehinderung vergrößert worden, auch wenn dies mehr (wenn auch wenig) Aufwand bedeutet. Außerdem gibt es durchaus Unterstützung für die Lehrer. In Schleswig Holstein z.B bekommen Sehgeschädigte ein/e Beratungslehrer/in vom Landesförderzentrum Sehen in Schleswig zur Seite gestellt, der/die in Kontakt zur Schule steht. (Wie dies in anderen Bundesländern aussieht kann ich leider nicht sagen.)

Ich vermute hierbei eigentlich keine absichtliche Irreführung, sondern würde die Szene damit erklären, dass sie einfach die Entwicklung des Verlaufs erklären soll. So würde die später aufkeimende Freundschaft zwischen Paul und dieser Streberin (weiß den Namen gerade nicht xD) ohne diese von dir besagte Szene wenig Sinn machen. Manches musste wohl hier und da zurechtgebogen werden, damit der emotionalisierende Plot aufgeht.
Da würde ich dem Film eher vorwerfen, aufgrund von dramaturgischen und unterhaltungstauglichen Elementen den Grad an Realismus zurückgefahren zu haben. Dass dabei gleichzeitig unwahrscheinliche Situationen dargestellt werden ist die logische Konsequenz daraus.