Wir haben hier in Deutschland sicher auch Situationen, in denen Gewerkschaften eine gute Position haben und etwas erreichen können. Das will ich ja gar nicht bestreiten, genauso wenig wie Du (laut Deiner Aussage) behauptest, dass der Markt stets ausgeglichen sei. Ich glaube in diesem Punkt sind wir uns grundsätzlich durchaus einig, wenn ich das richtig einschätze.
Der andere Punkt ist, wie wir die Verhandlungspositionen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beurteilen. Da führst Du an, dass aufgrund des Fachkräftemangels aktuell durchaus auch die Arbeitgeber Probleme haben, geeigenetes Personal zu finden, was die Position der Arbeitgeber schwächt und in der Konsequenz Löhne nach oben treibt. Das mag zwar sein, aber es ist eben auch nur ein Aspekt der Marktsituation. Z.b. können viele Einfacharbeitsplätze vergleichsweise gut ins Ausland verlegt werden, z.B. im Textilbereich. Oder denk an die Praxis in vielen Branchen, Subunternehmen mit Aufgaben zu betrauen und dadurch Haftung und Arbeitnehmerstandards zum umgehen.
Unabhängig davon, wie es in Deutschland momentan um die Position von Arbeitnehmern bestellt ist, ist mir eigentlich vor allem wichtig, zu betonen, dass OHNE die vielen Eingriffe in den Markt, die wir haben, das Marktverhältnis viel stärker auf Seiten der Unternehmer ausschlagen würde. Man muss dafür doch nur in andere kapitalistische Länder schauen, in denen es eine größere Marktliberalität gibt, als in Deutschland. Dabei denke ich natürlich vor allem an die USA und möchte jetzt nur mal die Hire-and-Fire-Mentalität erwähnen, die wir ja gerade bei Amazon hautnah miterleben. Oder man kann auch den Blick in die Historie wagen: Zur Zeit der Industrialisierung (in der der Markt ja noch nicht so stark reguliert war), gab es grausige Bedingungen für Arbeitnehmer, 60-Stunden-Wochen und Kinderarbeit - und ohne jetzt persönlich werden zu wollen, hatten Unternehmen in dieser Zeit natürlch einiges dagegen, dass diese Zustände aufgehoben wurden.
Der Kasten Oettinger mit Deutschland-Schirmchen klingt verlockend, aber ganz drauf einsteigen kann ich nicht, denn ich glaube nicht, dass das für meine Argumentation der passende Vergleich ist, denn meine Überzeugung ist es ja nicht, die Marktwirtschaft abzuschaffen. Der Vergleich, der mir liegt wäre er, die Arbeitnehmerstandards in marktliberalen Ländern und weniger marktliberalen Ländern zu vergleichen. Und wenn man da dann die Standards vergleicht, tun sich doch recht große Lücken auf …