Nach der Schule wusste ich, was ich studieren möchte. Ein soziales Dienstjahr hätte mich eher davon abgehalten. Einen Dienst für die Gesellschaft leiste ich auch freiwillig. Ich verstehe, dass anderen ein FSJ viel bringt und würde es durch einen höheren Lohn fördern, aber niemandem aufzwingen wollen.
Interessant finde ich die Frage, wie ein soziales Dienstjahr juristisch möglich ist. Was oft vergessen wird, ist, dass eine Pflicht auch eine Strafe für Verweigerung benötigt. Möchte man eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe einführen? Wie setzt man die Pflicht um, ohne gegen das Verbot von Zwangsarbeit zu verstoßen?
Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK):
(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
(3) Nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels gilt
a) eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
b) eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
c) eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
d) eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.
Unter c) fällt z.B. so etwas wie Arbeit bei Naturkatastrophen oder die Verpflichtung von Ärzten und LKW-Fahrern, unter d) fällt z.B. die Pflichtfeuerwehr.
Ein soziales Dienstjahr wäre wohl nur möglich, wenn man die Wehrpflicht wiedereinsetzt und das soziale Dienstjahr als Ersatzdienst definiert.
Diese Einschätzung vertritt zum Beispiel auch der Rechtsanwalt Niko Härting, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, auf Legal Tribune Online:
Warum in einem „Gesellschaftsjahr“ nicht möglich sein soll, was bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Zivildienst alltäglich war, leuchtet manchen nicht ein. Dabei wird vergessen, dass der Zivildienst eine Ausnahme war vom Wehrdienst für junge Menschen, die sich aus Gewissensgründen gehindert sahen, Dienst an der Waffe zu leisten. Entsprechend sind auch Art. 4 Abs. 3 lit. b EMRK und Art. 12a Abs. 2 GG formuliert: Der zivile „Gesellschaftsdienst“ ist nicht mehr als ein möglicher „Ersatz“ für die Wehrpflicht und setzt daher die – in Deutschland ausgesetzte – Wehrpflicht voraus.
Zum derzeitigen CDU-Vorschlag äußert er:
Der CDU-Vorschlag für ein „Gesellschaftsjahr“ ist nicht nur mit dem Grundgesetz unvereinbar, sondern auch menschenrechtswidrig.
Wie gesagt, bei einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht mit Ersatzdienst wäre das kein Problem. Allerdings sollte man das dann auch so fordern. Von einer Hinwegsetzung über die EMRK halte ich nichts. Die würde wohl auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheitern.
Den Artikel von Niko Härting kann ich nur jedem empfehlen. Darin geht er auch auf die Durchsetzung einer Pflicht ein: