Folge 72: Gendering und Anglizismen

Sonntagsfrühstück Folge 72. Hier kann darüber diskutiert werden!

Huih, bei diesem Thema geht derzeit ein Riss durch die Gesellschaft: Wie viel Gendern und wie viele englische Begriffe in der deutschen Sprache dürfen es sein? Lars immerhin bemüht sich darum, irgendwie politisch korrekt zu sprechen - während Holger und Olli nur bis zu einer gewissen Grenze mitgehen.

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  1. Ich bin ein Fan vom y: Liebe Abonnentys. Das ist kurz und eindeutig gegendert.
  2. Lars vorzuwerfen, eine links-grüne Ideologie zu puschen, ist absolut gerechtfertigt. Das beginnt und endet aber nicht beim gendern.
  3. Ich bin tief enttäuscht von Olli, der sich damit einverstanden erklärt, wenn nur noch die weibliche Form erwähnt wird. Fight for your Rights!
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Ich habe so schon manches Mal in irgendwelchen offiziellen Dokumenten gelesen, dass man die männliche Form nutze, jedoch auch damit die weibliche gemeint sei, wie z.B. im offiziellen Regeltext des Deutschen Handballbundes. Dort heißt es: „Um eine sprachliche Vereinfachung zu erreichen, wird in diesem Regelwerk generell […] die männliche Form benutzt.“. Vielleicht sollte man einfach in einem öffentlichen Medium - sofern man in der Öffentlichkeit steht - einmal sagen, dass, wenn man die männliche Form benutze, damit auch die weibliche gemeint sei. Jeder andere, der nicht so in der Öffentlichkeit steht, könnte dies z.B. im Bundesanzeiger als offizielles Verlautbarungsmedium veröffentlichen. Dann kann man immer darauf verweisen. Was die Anglizismen betrifft (vor allem die, die kein Engländer kennt oder anders versteht - ein bekanntes dürfte wohl „public viewing“ sein), könnte ich noch ein viel größeres Fass auf machen. Was da zum Teil mit der Sprache passiert, nur um „hip“ zu wirken, ist schon unglaublich. Jaja, blala, Sprache lebt und so… ne, is klar. Das hat mit lebendiger Sprache nichts zu tun. Diese Begriffe werden aus der Werbung oder der Wissenschaft in die Alltagssprache getragen und dort - wie so vieles - ohne zu hinterfragen einfach übernommen. Ich merke dies zum Teil an meinen Kindern oder deren Freunden, wenn sie Anglizismen verwenden. Wenn ich sie dann frage, was dies denn heißen würde, wissen sie oft keine Antwort. Sagt man eben so, heißt es dann. Wenn ich dann frage, ob es nicht auch so oder so heißen könnte, ist oft die Antwort: „Ja, könnte man auch sagen.“. Bitte nicht falsch verstehen, ich bin nicht generell gegen Anglizismen. Manchmal helfen sie auch, etwas zu vereinfachen. Z.B. das Wort „Handy“. Geht einem einfacher über die Lippen als „Mobiles Telefon“, oder so. Für mich werden sie einfach zu inflationär verwendet. Besser wäre es, zu überlegen, ob sie nun ein jener Stelle erforderlich sind oder nicht. Puh, ich könnte ein Buch darüber schreiben. Lass ich jetzt mal. Tobt Euch jetzt aus. CU :wink:

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Schade, dass die obligatorischen Bürger* innenmeister* innenkanditat* innen nicht erwähnt wurden :wink:

Wenn man in Rechtstexte zur Frage der geschlechtlichen Bezeichnung schaut, muss man nicht immer in die Vergangenheit gehen. In §183 Abs. 1 StGB heißt es auch heute noch:
„Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Frauen werden nicht direkt belangt und es wird auch nicht analog auf Frauen angewandt, da es im Strafrecht ein explizites Analogieverbot gibt (nur was konkret bezeichnet wird, ist strafbar). Schauspielerin Antje Mönning, die nach „um Himmels Willen“ auch explizitere Inhalte bietet, konnte deshalb nicht belangt werden:
Artikel aus der LTO zum Fall Mönning

Ich schalte tatsächlich ab, wenn es akustisch durch massenhaftes gendern unschön klingt. Dazu kommen andere Forderungen aus der linken Filterblase wie z. B. „man“ zu vermeiden. Statt „Man macht das so“ soll es „Mensch macht das so“ heißen - sonnst könnte sich ja wieder jemand ausgeschlossen fühlen. Ebenso gibt es aus besagtem Dunstkreis die Forderung des Wort „Mutter“ durch „austragendes (oder gebärendes) Elternteil“ zu ersetzen, damit sich Transsexuelle nicht ausgeschlossen fühlen.

Und hier kommen wir zum Grundproblem für mich: Da (hier beliebiges Wort einsetzen) eventuell, vielleicht, möglicherweise unter Umständen als diskriminierend empfunden werden könnte (!), müssen wir es aus aus vorauseilender Rücksichtnahme unterlassen - verbunden mit „und wenn du das nicht machst, bist du ein scheiß rückständiges altes, weißes, männliches Arschloch“. Geringfügig überspitzt gesagt :wink:

Es geht selten um Überzeugung, sondern viel zu oft um eigene Deutungshoheit verbunden mit der Stigmatisierung der Anderssprechenden.

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Mal zum Begriff Studierende: Ich musste mich da auch erst dran gewöhnen, als ich begonnen habe zu studieren, weil ich es umständlich fand, wenn z.B. vom Studierendensekretariat die Rede ist.
Falsch finde ich den Begriff aber nicht, anders als Holger und Olli das meinten.
Wenn mich jemand fragt, was ich (beruflich) mache, (also nicht, was ich im Moment der Frage mache), antworte ich mit: „Ich studiere.“ (Eventuell noch mit meinem Studienfach angehängt.) Dabei sitze ich in diesem Moment weder in einer Uni noch lerne ich zu Hause für die Uni. Ich unterhalte mich mit dieser Person und kann trotzdem sagen, dass ich studiere. „Ich studiere“ ist also im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit „Ich bin Student.“
Auf der anderen Seite verwendet (nach meinem Eindruck) kaum jemand das Wort „studieren“ ausschließlich für Vorgänge, die direkt mit dem Studium in Verbindung stehen. Wenn ich in meiner Hochschule bin und mich jemand fragt, was ich momentan gerade mache, würde ich nicht antworten, dass ich studiere, sondern, dass ich gerade Vorlesungen habe. Wenn ich zu Hause etwas fürs Studium mache, würde ich sagen, ich lerne fürs Studium (oder ähnliches), aber nicht: „Ich studiere.“
Mag sein, dass das früher anders war oder anders verwendet wurde, aber aus meiner Sicht ist das der allgemein übliche Sprachgebrauch und zwar unabhängig vom Gendern.
Wenn studieren und Student sein im entsprechenden Kontext also fast gleichbedeutend verwendet werden, sind auch Studierender und Student gleichbedeutend.
(Natürlich kann das Wort studieren auch in anderen Kontexten andere Bedeutungen haben, aber da es in der Diskussion um Studierende / Studenten an einer Uni / Hochschule geht, ist auch nur dieser Kontext relevant.)

Bei anderen Begriffen ist das anders. Wenn ich koche, bin ich zwar Koch dieses speziellen Essens und im Moment des Kochens Kochender, aber dadurch nicht generell Koch, da ich das nicht beruflich mache. Andersherum ist ein beruflicher Koch auch Koch, wenn ich ihn auf der Straße anspreche, was er arbeitet, aber in diesem Moment kein Kochender, weil er sich mit mir unterhält.

In den meisten Fällen teile ich die Kritik also durchaus, speziell bei Studierende kann ich mich nach meinem Sprachgefühl dem aber nicht anschließen.

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Eine Aktion im Brandenburgischen Landtag hat die Frage der korrekten Anrede mal ad absurdum geführt.

Bevor der Sturm der Entrüstung (um Shitsorm mal zu vermeiden :wink:) kommt: Es geht mir um den Inhalt, nicht um die Person oder dessen Partei:

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Man findet diese Verwendung des Wortes Studierende übrigens bereits im Wörterbuch der Brüder Grimm:

www.woerterbuchnetz.de/DWB/studierend

Das ist also keine neue Erfindung irgendwelcher „Genderideologen“.

Edit: Bevor es daran Kritik gibt: Der entsprechende Eintrag stammt nicht mehr von den Grimms selbst, sondern erschien laut Angabe auf der zitierten Seite 1932.

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Vorstandsvorsitzende würden da sicher ähnlich antworten.

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Für mich klingt es rein vom Sprachgefühl falsch.

Ein Studierender (oder die Studierende, da haben wir den Salat ja schon wieder…) ist für mich jemand, der jetzt gerade studiert.
Weder muss das ein Student sein, noch muss ein Student ein Studierender sein.

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Darauf bin ich doch in meinem ersten Beitrag ausführlich eingegangen. Studieren gebraucht man allgemein im Sinne von an einer Hochschule eingeschrieben sein, Student sein. Von daher ist ein Studierender dasselbe wie ein Student.
Es gibt natürlich auch andere Bedeutungen von studieren, aber das ergibt sich aus dem Kontext.
Wenn du sagen kannst: „Ich studiere“ und damit meinst „Ich bin Student“, dann kannst du auch sagen „Ich bin Studierender“ und damit dasselbe meinen. Das schließt nicht aus, dass du mit beiden Sätzen auch etwas anderes meinen kannst.

In meinem Freundeskreis, der zwischen 25 und 30 Jahren alt ist und zum Großteil aus studierten Personen besteht, sind mehr Frauen als Männer. Ich habe noch nie bemerkt, dass jemand von meinen Freunden Gendersprache (damit meine ich die Form mit Stern, Unterstrich, Doppelpunkt, Binnen-I) verwendet. Eine Freundin sagt sogar, dass sie das gar nicht abkann. Bei meinen Kollegen (zwischen 20 und 40 Jahren alt, studiert, überwiegend männlich) gibt es auch keinen, der Gendersprache verwendet. Ich kann mich nur an eine einzige Person erinnern, der ich begegnet bin, die in Gesprächen eine solche Form verwendet. Daher geht das völlig an mir vorbei.

Mein Wunsch wäre, dass sich die Sprache so entwickelt, dass nicht mehr und immer kompliziertere Endungen verwendet werden, um alle Personengruppen (männlich, weiblich, divers, cis oder trans) anzusprechen. In den meisten Fällen ist es völlig unwichtig, welches Geschlecht jemand hat. Ich finde Nele Pollatscheks Ansatz interessant: Sie bezeichnet sich als Schriftsteller und vermeidet die Endung „in“. Sie stellt gern die Frage, warum die Weiblichkeit als einziges Attribut über eine Endung angezeigt wird, obwohl sie nicht wichtig ist, wenn die Person in der Tätigkeit oder Funktion Schriftsteller, Koch oder Lehrer auftritt. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass man beispielsweise die Religion über eine Endung anzeigen sollte: Schriftstellerjude (sie ist Schriftsteller und jüdisch) würde als diskriminierend empfunden werden.

Irgendwie ist vielen nicht klar, was Partizip Präsens Aktiv ist und wann man ihn gebraucht: Partizip Präsens Aktiv – Wikipedia

Und zu deinem Screenshot: Da steht doch ganz deutlich, dass „Studierender“ als snobistische Abgrenzung zum „Pöbel“ genutzt wurde!

gegenüber Student bleibt Studierender mehr im intellektuellen Bereich […], doch gilt es häufig als das „edlere“ Wort, weil jenes [Student] „durch den häufigen Gebrauch etwas alltägliches bekommen“ habe.

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Im Alltag ist es nach meinem Empfinden auch kein Thema - politisch seeeehr weit linke Kreise mal ausgenommen.

Im Alltag ist es auch unsinnig, da wir 2 Dinge haben: Kontext zur Situation und Wissen über den Anderen. Ich weiß, wie mein Gegenüber etwas meint, da ich ihn in vielen Situationen erlebt habe und daher alles einordnen kann. Zudem weiß ich konkret, über welche Person(engruppen) er spricht.

Im ÖR-Fernsehen spricht man über Kollektive (die Arbeitslosen, die Beschäftigten…) und richtet die Aussage an eine diffuse Vielzahl von Menschen, die zufällig gerade eingeschaltet haben. Und da kommt oft die Angst „Was, wenn es missverständlich ist?“, „Was, wenn es einen Shitsorm gibt?“, „Was, wenn uns Sexismus vorgeworfen wird?“. In vorauseilendem Gehorsam wird dann gegendert. Auch mit dem Anspruch, dass es „progressiv“ ist. Wer das anders sieht, „hat es eben nicht verstanden“.

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Schöne Sendung. Bin grade in der Mitte angekommen und muss Holger und Olli ggü Lars zustimmen. Es ist unbestritten, sprachlich formal, nicht möglich Studierender außerhalb des Lernens etc zu sein, denn das bezeichnet die aktuelle Tätigkeit. Will man den status bezeichnen so ist dieser Student bzw Studentin. Bei Mieter ist der Unterschied, dass man da ein Dauerschuldverhältnis vorliegt die ganze Zeit “Mietender” ist, unabhängig ob man sich in der Wohnung befindet oder nicht

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Meine Meinung hat immer noch Herr Kunze ganz wunderbar auf den Punkt gebracht.

Der Knaller ist wieder Lars. Er sagt es wird keine Sprache zerstört. 10 Minuten soäter schlägt er vor einen Großteil von Worten einfach zu vermeiden. Bravo!

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Dir ist aber schon klar dass dies Anpassungen wegen des Gendern sind? In meinen älteren Dudys steht das anders.

Ich habe mich an keiner Stelle auf den Duden bezogen, sondern nur auf meinen eigenen Sprachgebrauch / mein eigenes Sprachgefühl und auf ein Wörterbuch von 1932.

Hoffentlich ruft da nicht mal jemand einen RTW weil man glaubt du hättest einen Schlaganfall.

Ich aber!

Und darunter steht, dass es auch als Begriff in der Amtssprache verwendet wurde als Ersatz für Studenten und Studentinnen. Schon 1932.
Das war das einzige, was ich damit ausdrücken wollte.
Und dein „Einwand“ zeigt ja sogar, dass diese Wortform - auch wenn sie später so verwendet wurde - nicht zum Gendern erfunden wurde, sondern aus anderen Gründen.

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