So nun meldet sich der „Alex“ auch mal zu Wort. Der „Experte“:shock:
Ich gebe ja zu, als ich mich vorgestellt habe ist nicht wirklich rübergekommen was ich den jetzt genau in der RFID Industrie gemacht habe. Nun ich habe die verschiedensten RFID Projekte in Europa, Mittlerer Osten, Asien und Südamerika realisiert in ganz unterschiedlichen Branchen wie Automotiv, Einzelhandel, Energiesektor, Schienenverkehr, puhh und noch weitere die mir gerade nicht einfallen. Dabei hatte ich am Anfang mit Chip/Reader-Antennen Programmierung und später Prozessanalyse, Projektleitung und vieles mehr zu schaffen. Ich habe dabei immer mit den führenden Unternehmen in der Transponder- und Reader-Technik zusammengearbeitet.
Nun ich wollte nochmal was zu dem Thema Identifikation von Personen mittels RFID im Einzelhandel schreiben. Da kann ich vielleicht noch was, mit meinem Erfahrungsschatz, beitragen.
Die Idee den Kunden beim Betreten des Geschäftes mit Namen zu begrüßen ist nicht sonderlich neu. Vor 6 Jahren ist ein Autovermieter an die Firma bei der ich gearbeitet habe herangetreten, mit dem Wunsch Kunden die eine Reservierung online getätigt hatten per Namen anzusprechen. Die ganze Sache wäre nicht sehr günstig geworden. Reader und Antennen für jeden Counter, RFID Kundenkarten für Mieter, etc…
Nun mit dem Auftrag ein Pilotsystem zu entwickeln ging es los. Wir haben einen nackten Counter mit Innenbeleuchtung geliefert bekommen und haben angefangen mit LF eine Antenne zu entwickeln die oben und seitlich mit dem jeweiligen maximalen Leseabstand arbeiten sollte. Wir waren ganz stolz auf 30 bis 40cm Reichweite. Das haben wir dann im Labor dem Kunden gezeigt. Er war ganz entzückt nur war die LF Karte zu teuer und wir mussten auf HF umsteigen. Übrigens die RFID Chips in der EC/Master Card sind auch HF Karten. Nun da wir keinen HF Reader hatten sowie keine HF Antenne, musste von vorne Entwickelt werden. Viele entnervende Monate gingen ins Land bis wir endlich eine im Labor funktionierende Lösung hatten. Dann ging es auf zur Filiale beim Kunden vor Ort. Den Reader mit der Antenne im Counter einbauen. Leider ging da das Drama los. In dem nackten Counter den wir hatten fehlte leider die ganze weitere Technik wie Terminal Computer, Bildschirm für diesen, ein kleines Tablet zum Unterschreiben und ein kleiner digitaler Bilderrahmen mit aktuellen Angeboten. Das alles war nun auch im Antennenfeld. Es ging nix mehr, das Netzteil des Terminal PCs hat so doll geschwungen und leider ins Antennenfeld gesaut. Schlimmer noch, die Störungen waren leider nicht harmonisch. Also konnten diese nicht rausgerechnet werden. Da standen wir nun, mit theoretischer Reichweite von 1-Meter und waren bemüht das Antennenfeld kleiner zumachen damit wir überhaupt was lesen konnten. Dabei sind wir noch nicht mal zum Punkt gekommen wie gut den die Kundenkarte überhaupt zu lesen gewesen wäre. Denn mehrere Karten im Feld machen die Sache schon schwieriger, Metall ist auch nicht dein Freund. Also Kunden mit viel Kleingeld in der Tasche ist auch schlecht. Ein Handy je nach Modell beeinflusst unter Umständen auch dein Antennenfeld. Ach und übrigens wie oft habe ich in meinen 11 Jahren den Spruch gehört irgendeinen Transponder werden wir schon lesen können. Dieser ist leider Praxisfremd. Kurzum zu teuer im Verhältnis zur Zuverlässigkeit. Heute arbeitet das Unternehmen mit Barcode. Was ich persönlich auch viel sinnvoller halte. Jeder Kunde kann seine Reservierung beliebig oft Ausdrucken, sollte diese mal verloren gehen.
Den Vorschlag von Terz eine Videokamera mit RFID zu koppeln finde ich gar nicht schlecht. Ich würde nur aus Kostengründen die RFID-Technik weglassen und einen Studenten vor den Bildschirm setzten. Das ist meiner Meinung nach effektiver. Zum dem mit HF-Technik (MasterCard, EC-Card, etc…) Reichweitentechnisch nix großes zu reißen ist. Bitte bedenken die Reichweitenangaben von Herstellern sind immer mit Luft dazwischen und keine Störer in der Nähe. Zudem nimmt die Reichweite bei Störeinflüssen nicht linear ab. Vielleicht lässt sich mit UHF ja ein Kleidungsstück erfassen. Allerdings möchte ich in dem Fall zu bedenken geben, dass dann wohl diese Kleidung geklaut sein müsste. Denn mit UHF Technik für Kleidung hatte ich auch schon das Vergnügen. Kleidung ist toll! Nicht viel Metall, die Stücke liegen recht Luftig, auch in der Einkaufstüte später beim Rausgehen. Da macht RFID echt Sinn. Allerdings muss der Einzelhandel sparen, somit ist dort ziemlich billiges Zeug verbaut. Ein Waschgang macht den Transponder kaputt. Wobei er vorher schon bei der Kasse entweder entfernt oder durch ein Funkbefehl für immer zum Schweigen gebracht wird. Denn sonst würde es ja beim Rausgehen piepsen.
Natürlich verspricht die RFID Industrie den feuchten Traum vom gläsernen Kunden. Habe ich ja auch gemacht. Allerdings sieht die Praxis anders aus. Und wenn es schon fast ein Ding der Unmöglichkeit ist einen Kunden vor einem Counter zu erfassen ist der Supermarkt nochmal ein Level Up. Ich bin mir sicher das schnell eine Firma gefunden ist die verspricht ein super RTLS(Real Time Location System) für einen Supermarkt zu bauen, kosten ca. 150.000 € plus X (gibt es für Messen, Krankenhäuser, etc…, Ich weiß im Interview sagte ich mir wäre sowas nur für Gabelstapler bekannt, war aufgeregt;))Allerdings wird die Praxis sie schneller einholen als denen liebt ist. Bei Krankenhäusern zum Beispiel in England, wird nicht etwa der Patient verfolgt sondern bewegliche teure medizinische Geräte wie ein Ultraschall zum Beispiel. Dabei geht es auch nicht um den Zentimeter sondern nur in welchem Raum sich das Gerät befindet. Wir hatten auch mal eine Anfrage für den Medikamentenschrank aber das hat sich einfach nicht als praktikabel herausgestellt.
Vielleicht habe ich etwas Wichtiges vergessen zu erwähnen. Nämlich warum ich die Branche gewechselt hab. Weil ich von RFID ziemlich frustriert bin. 11 Jahre die wunder der Technik versprechen und immer wieder an der Technik selbst mit Ihren Beschränkungen scheitern. Glaubt mir, wenn der gläserne Kunde mit RFID schnell und kostengünstig zu machen gewesen wäre, wäre es schon vor 6 Jahren losgegangen und ich wäre ganz vorne dabei gewesen. Würde jetzt auf einer Südseeinsel sitzen und Pina Coladas trinken. Aber die Realität sieht leider anders aus, ich kennen nun mannigfaltige Wege wie es mit RFID sicher nicht funktionierten wird.
Ich hoffe ich konnte noch ein wenig erhellendes beitragen. Ob ich nun Experte bin oder nicht, ist mir ehrlichgesagt schnuppe. Ich kann nur jedem, wenn er will, tagelang über RFID ein Ohr abkauen, weil ich über eine Dekade lang nix anderes gemacht hab. Was NFC-Payment angeht ist es übrigens korrekt das aktuell eine Sicherheitslücke besteht, die unterumständen 25€ kosten könnte. Somit könnte es sein, dass auch da Funktechnik allein wieder nicht die Lösung ist. Aber was NFC (übrigens auch eine Asbach Uralttechnik) angeht … hui ich muss mich selbst bremsen sonst sitze ich hier noch bis morgen früh …