Das neue Frühstücksfernsehen am Samstag ist da und es ist jedes Mal eine Freude, wieder in komprimierter Form in den Sumpf der jüngsten medialen Ergüsse geschoben zu werden.
Putin. Ja, was soll ich dazu sagen? Ich finde diesen Personenkult irgendwie befremdlich. Auf dem YouTube Kanal „VisualPolitik DE“ gab es einen Beitrag, bei dem auf dem Thumbnail zu lesen war „2400 neue F-35 gegen Putin & China“ und das zeigt dieses absurde Bild ganz gut auf.
Und je nachdem, was man gerade aussagen will, ist Putin entweder ein verwirrter, sterbenskranker Mann, der nichts mehr mitbekommt oder ein gefährlicher Irrer, der nach der Ukraine direkt mit dem nächsten Land weitermacht. Was nun?
Dass man mit Putin reden sollte, ja sogar muss, ist richtig und das Interview hätte viele Dinge beleuchten können, doch es wurde zu einem einseitigen Vortrag ohne Gegenrede und damit genauso wertlos, wie die hiesigen „Putin-ist-Hitler-2.0“-Debatten im Netz. Schade. Ich persönlich habe gar keine richtige Meinung, ich sehe nur „Krieg“ und damit „Tod“ und das halte ich schon für falsch. Dass ich alles, was darauf folgt noch weniger nachvollziehen kann, liegt auf der Hand und ich bin froh, nicht politisch entscheiden zu müssen, denn es liegt mir nicht.
Wo ich aber definitiv eine Meinung habe, ist das virtuelle gesellschaftliche Leben. Und immer, wenn mir jemand mit einer Studie kommt, werde ich misstrauisch und das mit Grund, denn es ist erschreckend, wie wenig davon den Kriterien für eine Studie entsprechen. Allein schon an Dokumentation des Studienhergangs wird es oft scheitern und im Grunde handelt es sich häufig um simple Umfragen. Und so schätze ich auch die vorliegende „Studie“ ein.
Und schon die erste und nicht einzige Frage zielt auf ein individuelles Empfinden ab. Wurde ich schon mal im Netz beleidigt? Also 1999 hat mich in Unreal Tournament im Chat mal jemand als Wichser bezeichnet, weil ich in durch campen abgeschossen habe. Und auf YoutTube hat jemand zu einem Kommentar von mir geschrieben, ich solle mich mal besser informieren und mir damit indirekt Dummheit unterstellt. Ist das schon Beleidigung? Also bin ich bei den 37% der gelegentlich beleidigten Menschen. Wenn ich das so sehe. Wenn ich alles größer einmal aber schon als häufig empfinde…
Doch die Frage ist ja, wie oft mich jemand Wichser nennen muss, damit ich zu den 12% gehören darf. Und die Frage nach dem Grund ist ja noch viel interessanter: habe ich vielleicht provoziert? Oder gar selbst beleidigt? Ist Wichser überhaupt eine Beleidigung? Im Schwabenland gilt das halbwegs, aber Arschloch ist bei uns ein völlig normaler Begriff und „Seggl“ (also „kleiner Sack“) ist eine Nettiquette. Muss man auch wissen.
Mir ist natürlich klar, wohin die Frage zielt, aber ich finde den Gehalt der Antworten eben zweifelhaft, denn für den einen ist ein rauer Ton normal, der andere flippt aus, wenn man ihn als ungebildet bezeichnet.
Und konkret wird es lustigerweise dann, wenn man auf männliche Geschlechtsteile abzielt. Unter anekdotischer Evidenz kann ich behaupten, noch nie ein Dickpic bekommen zu haben. Dafür folgten mir auf X (als ich noch Teil davon war) ständig irgendwelche sexy Ladies, die mich auf ihr garantiert echtes Profil locken wollten. Gut, ob das tatsächlich Frauen sind, darf bezweifelt werden, doch auch eine Frau kann ein Dickpic verbreiten.
Soll also nun im großen Stil auf die Kosten der Allgemeinheit geklagt werden dürfen, wenn sich jemand angepisst fühlt? Ich fände es lustig, denn dann sollte sich Böhmermann warm anziehen.
Aber ernsthaft: was soll die Klagerei bringen? „Hey liebes Gericht, Naitan hat unter meinen YouTube Kommentar geschrieben, ich sei ein Schimmel, bitte bestrafen.“ Wir vermischen dann nämlich die echten Hass-Vorfälle mit Lappalien und beschäftigen die Justiz mit diesem Kleinkram. Die einzigen Gewinner sind Anwälte. Und wenn ich sehe - ja, ich führe mal wieder den Drachenlord ins Feld, wie echte Hass-Vorfälle von den Hatern sogar dokumentiert werden und trotzdem auf juristischer Seite nicht passiert oder sogar noch das leider viel einfacher greifbare Opfer angegangen wird, habe ich sowieso Zweifel daran, dass irgendwem geholfen wird.
Im Endeffekt sollte jedem, der sich ins Netz begibt klar sein, dass er die erste Grundregel von Medienkompetenz beherrschen muss: es ist eine algorithmusgesteuerte, werbefinanzierte, anonyme Welt, die dich in Meinungsblasen zieht und dir ehrliche Selbstreflexion schwer macht. Im extremen Fall schürt das den Hass, wenn die Krieger der Bubbles aufeinander gehetzt werden und sich in Reaktionsschlachten befeuern. Und damit ist das Fazit, dass wir im Kampf gegen Hass nur Symptome bekämpfen und keine Ursachen. Und nirgendwo dürfte das schwieriger sein, als im Netz.
Dazu passt der Beitrag von Dunja Hayali ganz gut, denn man sieht deutlich, wie ein banales Erlebnis, das ich in solcher Form in der Tat bereits in den frühen 90ern selber beobachten durfte, zum Skandal hochstilisiert und gleich den Staatssicherheitsapparat aktiveren möchte.
Es scheint davon abzuhängen, ob du ein Teil des Systems bist oder eben nur ein 0815-Bürger, der sich seine Reichweite selber suchen muss, wie intensiv man solchen „Verbrechen“ nachgeht. Und welche Fragen das aufwirft, will ich besser nicht vertiefen, denn da gelangt man schnell zu einigen unbequemen Fragen.
Aber wenn wir schon bei Märchenstunden sind, bleiben wir noch ein bisschen länger dort. Mal abgesehen davon, dass diese kindgerechte Erzählung über schwule Prinzen harmlos ist, frage ich mich halt, worin der Bildungsauftrag liegt.
Es sind doch Beiträge von Erwachsenen für Erwachsene, denn ein Kind kann doch überhaupt nicht einordnen, was das Spektakel bedeuten soll. Es hat was religiöses an sich. Und es ist halt eben nicht neutral. Sollen Kinder danach zu ihren Eltern rennen und verstört fragen, warum Papi eine Frau küsst? Wie eklig.
Lasst die Kinder Kind sein. Bitte. Zeigt ihnen gerne, dass Tausendfüßler keine tausend Füße haben und wie man Nudeln macht, aber lasst bis zu einem gewissen Alter diese ganzen politischen Themen weg.
Durch den Beitrag über Jean Peters habe ich nun eine Formel entwickelt, die man aber noch auf Belastbarkeit prüfen sollte:
Kunst + Journalismus + Aktivismus = Extremismus
Das scheint die Kombination zu sein, die gefährlich wird und zumindest auf einige der Pappnasen in der Medienwelt passt sie ganz gut.
Zum Glück befinden wir uns auf RTL noch in einer Welt, in der voyeuristischer Trash einer Freakshow als Kunst, ja sogar als Super-Kunst angehoben wird.
Dazu passen dann auch Glitzer- und Gambling-Moderatoren und eine Jury aus C-Promis, garniert mit einem gebräunten Totenkopf und einer sprechenden, dauergrinsenden Wachsfigur. Hier ist noch alles in Ordnung und damit kommt diese Mediatheke doch noch zu einem versöhnlichen Ende.
Ich hoffe, ich habe niemanden zu sehr beleidigt. Falls doch: denkt daran, dass ihr die Anwaltskosten im Fall einer Klage erst mal vorstrecken müsst.