Folge 180 - Die Akte Böhmermann

[QUOTE=HerrRossi;450047]Wie definierst du verletzten? Worte per se können nicht verletzen, es sei denn du setzt als Definition dafür an, dass ein gekränktes Ego / ein verletztes Ehrgefühl oder auch nur ein Gefühl von Traurigkeit bereits Verletzungen sind. Damit bist du dann aber direkt drin in der Willkür des Verbietens und Erlaubens und hast damit faktisch ein Verbot des Sagens/Aussprechens für einen Haufen Gedanken ausgesprochen. Meine Vorstellung von Meinungsfreiheit sieht anders aus.

Und nicht dass du mich falsch verstehst: Ich spreche mich nicht dafür aus, dass alle wie wilde Beserker ihre Mitmenschen angehen sollen, aber wenn es passiert, dann muss man es eben aushalten. So ist das eben mit vielen Freiheitsrechten und eigentlich auch echt kein Drama. Auch wenn ich kein Fan der USA bin, aber in dem Punkt sind die echt mal deutlich entspannter als wir.[/QUOTE]

Ich glaube, wir beide denken relativ ähnlich. Ich gehe ja sogar soweit, dass jeder sich mit seinen Gedanken öffentlich lächerlich machen kann, wenn sie denn dazu taugen. Aber, so einfach ist das nicht. Ich spreche aus eigener, persönlicher Erfahrung: Ich bin als einziges farbiges Kind in einem Kaff aufgewachsen, da kamen Worte nur geflogen. Ich weiss nicht ob man nun (ich werfe dir das nicht vor!) erwarten soll, dass mich Worte wie “gekauftes Negerkind”, “Buschneger”, etc. nicht verletzen. Mich haben sie verletzt - und mir ist auch bewusst, dass durch ein Äusserungsverbot die Gedanken nicht weg sind. Aber es stellt sich dann halt trotzdem die Frage, warum sowas erlaubt ist. Wenn hingegen jmd. seine Meinung “Die Erde ist eine Scheibe” kundtut, dann darf er das doch. Das verletzt doch niemanden. Damit habe ich auch keine Probleme.

Insofern denke ich schon, dass man eine gewisse Verantwortung hat, was man sagt, wie man es sagt. Klar, man kann Worte nicht immer kontrollieren, aber man sollte Hetze, etc. nicht Tür und Tor unter dem Deckmantel der Meinungsäusserungsfreiheit geben. Damit ist letztlich niemandem geholfen, finde ich. Auch wenn mir ein Verbot zutiefst widerstrebt.

[QUOTE=abi;450049]Ich glaube, wir beide denken relativ ähnlich. Ich gehe ja sogar soweit, dass jeder sich mit seinen Gedanken öffentlich lächerlich machen kann, wenn sie denn dazu taugen. Aber, so einfach ist das nicht. Ich spreche aus eigener, persönlicher Erfahrung: Ich bin als einziges farbiges Kind in einem Kaff aufgewachsen, da kamen Worte nur geflogen. Ich weiss nicht ob man nun (ich werfe dir das nicht vor!) erwarten soll, dass mich Worte wie “gekauftes Negerkind”, “Buschneger”, etc. nicht verletzen. Mich haben sie verletzt - und mir ist auch bewusst, dass durch ein Äusserungsverbot die Gedanken nicht weg sind. Aber es stellt sich dann halt trotzdem die Frage, warum sowas erlaubt ist. Wenn hingegen jmd. seine Meinung “Die Erde ist eine Scheibe” kundtut, dann darf er das doch. Das verletzt doch niemanden. Damit habe ich auch keine Probleme.

Insofern denke ich schon, dass man eine gewisse Verantwortung hat, was man sagt, wie man es sagt. Klar, man kann Worte nicht immer kontrollieren, aber man sollte Hetze, etc. nicht Tür und Tor unter dem Deckmantel der Meinungsäusserungsfreiheit geben. Damit ist letztlich niemandem geholfen, finde ich. Auch wenn mir ein Verbot zutiefst widerstrebt.[/QUOTE]

Wieso stellt sich die Frage, warum sowas erlaubt ist? Mir stellt sich die eigentlich nicht. Fakt ist, dass du da von einem Haufen Idioten umgeben warst und sie es dir offenkundig auch entsprechend deutlich mitgeteilt haben. Wo ist der Vorteil, wenn man es ihnen verbietet? Sie sagen es dann vielleicht nicht mehr direkt vor dir, aber hinter deinem Rücken sicher noch und ihre Meinung werden sie dadurch ganz sicher auch nicht ändern, vielmehr sich in ihrem Weltbild vielleicht noch mehr einigeln. Du hast dann zwar Ruhe, aber die Nummer ist dann halt auch ziemlich gefaked und du wärst in deiner Kindheit vielleicht sogar mit dem Irrglauben aufgewachsen, dass die Menschen um dich herum gar keine Rassisten waren, sondern dich einfach nur so scheiße behandelt haben. Es muss jeder selbst wissen, aber mir ist es lieber, wenn ich weiss wo die Leute stehen und warum und die Entscheidung darüber soll schon mal ganz sicher nicht der Staat treffen.

Übrigens lohnt sich der Wikipedia Artikel zu dem Thema mal recht gut, da dort auch der Weg der Rechtsfindung in Deutschland aufgeführt ist.
Besonders aussagekräftig finde ich dabei das Bundesverfassungsgericht 1958: “Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend.”

Da stellt sich mir dann ernsthaft die Frage: Wenn unser oberstes Gericht bereits die außerordentliche Wichtigkeit dieses Grundrechts erkannt hat, es sogar als eins der wichtigsten Fundamente unserer Gesellschaft betrachtet, wie kann dann so ein Schwachsinn wie z.B. Ehrverletzung dafür herhalten dieses Recht einzuschränken? Und wie konnte angesichts dessen dieser schwachsinnige “Majestätsbeleidigungsparagraph” überhaupt so lange überleben???

[QUOTE=HerrRossi;450052]Wieso stellt sich die Frage, warum sowas erlaubt ist? Mir stellt sich die eigentlich nicht. Fakt ist, dass du da von einem Haufen Idioten umgeben warst und sie es dir offenkundig auch entsprechend deutlich mitgeteilt haben. Wo ist der Vorteil, wenn man es ihnen verbietet? Sie sagen es dann vielleicht nicht mehr direkt vor dir, aber hinter deinem Rücken sicher noch und ihre Meinung werden sie dadurch ganz sicher auch nicht ändern, vielmehr sich in ihrem Weltbild vielleicht noch mehr einigeln. Du hast dann zwar Ruhe, aber die Nummer ist dann halt auch ziemlich gefaked und du wärst in deiner Kindheit vielleicht sogar mit dem Irrglauben aufgewachsen, dass die Menschen um dich herum gar keine Rassisten waren, sondern dich einfach nur so scheiße behandelt haben. Es muss jeder selbst wissen, aber mir ist es lieber, wenn ich weiss wo die Leute stehen und warum und die Entscheidung darüber soll schon mal ganz sicher nicht der Staat treffen.

Übrigens lohnt sich der Wikipedia Artikel zu dem Thema mal recht gut, da dort auch der Weg der Rechtsfindung in Deutschland aufgeführt ist.
Besonders aussagekräftig finde ich dabei das Bundesverfassungsgericht 1958: „Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend.“

Da stellt sich mir dann ernsthaft die Frage: Wenn unser oberstes Gericht bereits die außerordentliche Wichtigkeit dieses Grundrechts erkannt hat, es sogar als eins der wichtigsten Fundamente unserer Gesellschaft betrachtet, wie kann dann so ein Schwachsinn wie z.B. Ehrverletzung dafür herhalten dieses Recht einzuschränken? Und wie konnte angesichts dessen dieser schwachsinnige „Majestätsbeleidigungsparagraph“ überhaupt so lange überleben???[/QUOTE]

Die Majestätsbeleidigung halte ich auch für Quark. Ich gebe dir sogar Recht bzgl. „gefakter“ Umwelt. Sehe ich relativ ähnlich.
Aber, und darauf beziehe ich mich halt immer auf Artikel 1 der Menschenrechte bzgl. Würde (AEMR Artikel 1 - humanrights.ch). Artikel 19 übrigens, um den es hier geht, wird übrigens in den Erläuterungen relativiert:

„Allerdings darf das Recht der Meinungsäusserung nicht absolut verstanden werden und seine Ausübung unterliegt einer besonderen Verantwortung: Eine Schranke findet das Recht etwa bei der Achtung des Rufes anderer Personen, bei der rassistischen Hetze oder beim Aufruf zu Gewalthandlungen.“

Das finde ich halt noch wichtig…

[QUOTE=abi;450055]Die Majestätsbeleidigung halte ich auch für Quark. Ich gebe dir sogar Recht bzgl. „gefakter“ Umwelt. Sehe ich relativ ähnlich.
Aber, und darauf beziehe ich mich halt immer auf Artikel 1 der Menschenrechte bzgl. Würde (AEMR Artikel 1 - humanrights.ch). Artikel 19 übrigens, um den es hier geht, wird übrigens in den Erläuterungen relativiert:

Das finde ich halt noch wichtig…[/QUOTE]

Kannst du mir den Kontext der Erläuterungen erklären? Mir ist nicht ganz klar wo die herkommen btw. wer die erstellt hat.

Aber egal, nehmen wir die mal in Gänze:

Alle Menschen sind frei geboren und haben ein gleiches Recht auf Freiheit. Die Freiheit des einen kann allerdings nicht zu Lasten der Freiheit anderer gehen. «Gleich» heisst nicht, dass die individuelle Situation der Menschen oder ihre Fähigkeiten identisch wären. Aber die Staaten sind verpflichtet, alles zu unternehmen, damit die Menschen gleiche Entwicklungsmöglichkeiten haben. Wir alle sind verpflichtet, mit anderen Menschen «im Geiste der Brüderlichkeit» umzugehen, das heisst, jeden Menschen als gleichberechtigte Person zu respektieren.

Ich sehe da kein Widerspruch zu meinen Äußerungen. Auch wenn ich jemanden auf das übelste Beschimpfe so ergibt sich daraus nicht automatisch, dass ich ihn nicht als gleichberechtigte Person respektiere. Das wäre erst dann gegeben, wenn ich ihm Dinge oder ganz allgemein Rechte abspreche, die ich selbst in Anspruch nehme. Das wäre z.B. dann gegeben, wenn ich im das Recht absprechen würde auf meine Beleidigungen etwas erwidern zu dürfen. Und „Brüderlichkeit“ ist eigentlich ein recht schöner Begriff. Das klingt zwar etwas altbacken, aber wenn man es mal zu Ende denkt, dann bedeutet das eben auch geschwisterlichen Streit (und da habe ich bisher noch keinen mit eingebauter Zurückhaltung bei der Wortwahl erlebt :P) und in der Regel bleibt man sich halt dennoch verbunden.

[QUOTE=HerrRossi;450059]Kannst du mir den Kontext der Erläuterungen erklären? Mir ist nicht ganz klar wo die herkommen btw. wer die erstellt hat.

Aber egal, nehmen wir die mal in Gänze:

Ich sehe da kein Widerspruch zu meinen Äußerungen. Auch wenn ich jemanden auf das übelste Beschimpfe so ergibt sich daraus nicht automatisch, dass ich ihn nicht als gleichberechtigte Person respektiere. Das wäre erst dann gegeben, wenn ich ihm Dinge oder ganz allgemein Rechte abspreche, die ich selbst in Anspruch nehme. Das wäre z.B. dann gegeben, wenn ich im das Recht absprechen würde auf meine Beleidigungen etwas erwidern zu dürfen. Und „Brüderlichkeit“ ist eigentlich ein recht schöner Begriff. Das klingt zwar etwas altbacken, aber wenn man es mal zu Ende denkt, dann bedeutet das eben auch geschwisterlichen Streit (und da habe ich bisher noch keinen mit eingebauter Zurückhaltung bei der Wortwahl erlebt :P) und in der Regel bleibt man sich halt dennoch verbunden.[/QUOTE]

Bin schon wieder mit dir einverstanden: Unter Geschwistern wirds auch mal lauter :stuck_out_tongue: Aber, die kennen einander ja auch und wissen, wie sie einander nehmen müssen. Unbeteiligte wissen das in den meisten Fällen halt nicht.
Nun, für dich mag es sich daraus nicht ergeben, aber bspw. für einen Antisemiten oder einen Neonazi, oder was weiss ich was da noch rumläuft.

Ich habe den Begriff Menschenwürde nochmals nachgeschlagen. Bei euch steht der ja an erster Stelle (Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Wikipedia). Auf einer anderen Seite (http://droits-de-lhomme.ch/menschenwurde/) habe ich folgende Definition gefunden:

Würde bedeutet im weitläufigen Sinne Wertigkeit, Erhabenheit. Mit der Menschenwürde meint man, dass jeder Mensch einen bestimmten Wert allein durch seine Existenz besitzt und er nicht wie eine Sache behandelt werden darf. Aufgrund diesen Wertes darf mit ihm nicht unmenschlich umgegangen oder er erniedrigt werden, genauso wenig wie er ein lebensunwertes Leben aufgrund äußerer Einflüsse führen darf. Dadurch erhält der Mensch auch natürliche Menschenrechte, unabhängig von seiner Stellung in Staat, Gesellschaft, Beruf, Religion, Geschlecht, Kultur und Familie.Der Mensch hat somit nach dem deutschen Gesetz Anspruch auf Achtung als Mensch und das muss auch respektiert werden.
In persönlichen Angelegenheiten sollte man sich immer vor Augen führen, dass man das, was einem nicht selbst angetan werden soll, niemals jemanden anderen antun sollte.

Das scheint es mir sehr gut zu auszudrücken.

Jep, dem kann ich zustimmen, allerdings gehts da halt auch eher ums „tun“. :wink:

Davon ab merke ich gerade, dass wir uns gerade in Regionen bewegen wo man eigentlich von Satire sprechen muss. Wenn auch nur irgend einer dieser Paragraphen von der Politik ernst genommen werden würde, dann müsste unser Land wahrlich komplett anders aussehen…

@ Stardogg:

Weil der gegebene Spielraum gegen die Gewaltenteilung verstoesst und man als Regierung davon nicht profitieren moechte? Ich mein wir sind uns ja alle darueber einig, dass der Paragraph ein riesiger Haufen Scheisse ist.

Deinen Punkt verstehe ich schon. Wenn die Regierung nach politischer Opportunität entscheiden kann, ob sie ein Strafverfahren zulässt oder nicht, dann ist das sehr schlecht. Ich würde solche Regelungen generell abschaffen. (Ausnahme: Straftaten, die keine anderen Opfer haben als den „Staat selbst“; also beispielsweise, wenn ein ausländischer Agent die Bundesregierung ausspäht, sich dann aber stellt und wichtige Informationen liefert. Das entspräche dann der Regelung bei Antragsdelikten.)

Da es nun mal den entsprechende Paragrafen noch gibt, existieren drei Möglichkeiten, mit ihm umzugehen:
a) Die Regierung entscheidet von Fall zu Fall und nach politischem Interesse, ob sie ihr Einverständnis zur Strafverfolgung gibt oder nicht.
b) Die Regierung gibt bis zur Abschaffung des Paragrafen immer ihr Einverständnis, unabhängig vom Einzelfall.
c) Sie gibt es grundsätzlich nie und arbeitet an der schnellstmöglichen Abschaffung.

Die Option a) ist schlecht; da sind wir uns, denke ich, einig. Du bist für die Option b), ich für Option c). Wenn der Paragraf einigermaßen vernünftig oder wenigstens rechtsstaatlich vertretbar wäre, wäre ich vielleicht auch für b). So aber bin ich für c).

Option c) gewährleistet genau so wie b), dass der Paragraf nicht nach „politischen“ Gesichtspunkten angewandt wird. c) bedeutet, dass eine im Grunde unrechtsstaatliche Handlungsweise unterlassen wird. (Und niemand wird dadurch um sein Recht gebracht.)

Klar, „mitreden“ tut die Regierung in gewissem Sinne auch hier. Aber das tut sie auch im Fall b). Wenn alles von ihrer Entscheidung abhängt, ist sie immer irgendwie involviert.
Im Fall c) (es gibt nie eine Ermächtigung) verhält sie sich aber sogar passiv. Sie muss gar nichts tun. Sie muss noch nicht einmal einen Antrag ablehnen, sondern kann ihn einfach ruhen lassen. Im Fall b) (Ermächtigungen werden immer erteilt) hingegen muss sie jedes mal aktiv eine Entscheidung treffen und dann aktiv eine Ermächtigung aussprechen. Sie muss einen rechtlichen Akt vollziehen. Das muss sie bei c) nicht. Auch deswegen ist c) m.E. besser.

Eine „Gewaltenteilung“ ist also sowohl unter b) wie unter c) gegeben, wenn auch nur sehr unvollkommen. Allerdings halte ich es für problematisch, mit Berufung auf die Gewaltenteilung für ein eklatantes Unrecht zu plädieren. Denn die Gewaltenteilung ist zwar gut und wichtig ist, aber auch nur Mittel zum Zweck; und der Zweck ist insbesondere, Unrecht zu verhindern. Ein erhebliches Unrecht darf m.E. nicht begangen werden, auch nicht unter Berufung auf ein an und für sich gutes Prinzip.

Noch etwas: Der entsprechende Paragraf beinhaltet ja, dass eine Strafverfolgung nur dann stattfinden, wenn das Ausland ähnliche Gesetze hat und diplomatische Beziehungen bestehen:

Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Das macht die ganze Sache noch schlimmer. Denn in einem Rechtsstaat sollte (von Spezialfällen vielleicht abgesehen) eben gerade NICHT das Prinzip der Gegenseitigkeit bestehen. Wenn in Saudi-Arabien deutsche Touristen (im Prinzip) ausgepeitscht werden können, heißt das nicht, dass wir nun saudische Besucher in Deutschland auspeitschen sollten. Wie wir das Recht auf körperliche Unversehrtheit achten, muss von unseren eigenen Werten abhängen, nicht von dem, wie andere sich verhalten.
Wenn die Regierung bis zur Abschaffung von § 103 nicht Ermächtigungen generell verweigert, heißt das, dass ein Staatsoberhaupt aus einem Land mit vernünftigen Gesetzten (wo es KEINE Gegenseitigkeit gibt) weniger Möglichkeiten hat, gegen „Beleidiger“ vorzugehen als das Staatsoberhaupt eines rückständigen Landes, wo die Beleidigung ausländischer Majestäten (noch) vorgesehen ist. Wenn die Regierung also immer einer eine Ermächtigung erteilt, trägt sie zur Ungleichbehandlung bei. Verweigert sie eine Ermächtigung immer, so sorgt das hingegen für mehr Gleichheit. Denn dann haben alle ausländischen Staatsoberhäupter dieselben Rechte.

Selbst der Anwalt von Erdogan meinte doch, dass er von einer Geldstrafe ausgeht, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Er hat das wohl nicht direkt gesagt, aberindirekt bestätigt.
Aber: Das war noch zu dem Zeitpunkt, BEVOR die Bundesregierung am 15.04. mitteilen ließ, dass sie die Ermächtigung gibt (das Interview mit dem Anwalt stammt vom 13).
Da ging es darum, dass Erdogan als Privatmann ganz normal Strafanzeige gestellt hatte, und zwar offenbar über jenen deutschen Anwalt. Denn Erdogan hat in der Tat ganz eine normale Strafanzeige wegen (normaler) Beleidigung gestellt (was m.E. auch sein gutes und schützenswertes Recht ist).

Seit dem 15. aber geht es nicht mehr (nur) um normale Beleidigung, sondern (auch) um Majestätsbeleidigung. Und da sehen die Dinge etwas anders aus. Das sind also zwei Paar Stiefel. Die Strafe dürfte hier auf jeden Fall höher ausfallen als bei „normaler“ Beleidigung.

Es ist ein interessanter Beitrag von Fernsehkritik.tv, der da zum Böhmermann-Fall gezeigt wurde. Der Fall selbst spaltet sehr und ich kann die geäußerten Kritikpunkte zumindest logisch nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile. Ich möchte nur zu ein paar Aussagen kurz Stellung nehmen:

„Ich möchte (…) das Bashing nicht zu heftig betreiben, denn das (…) würde mir (…) ausgelegt, daß ich in Wahrheit doch nur sauer sei, daß er nicht in meine Sendung kommt“

Möglich. Die Gefahr sehe ich (zumindest bei einem Großteil der zuschauenden Böhmermann-Fans) aber eher nicht, wenn Du die angesprochenen Punkte argumentativ untermauerst. Das tust du größtenteils auch, wenngleich ich mich Deiner Interpretation nicht anschließen kann. Darüberhinaus untergraben Sätze wie

„Böhmermann braucht nur noch zu husten, und schon fallen viele seiner Fans auf die Knie und bedanken sich für diese grandiose Tat“

eine adäquate, themenbezogene Diskussion, indem man einen Großteil der Zustimmung als „vom Klatschvieh kommend“ abstempelt.

„Ich sag jetzt mal, was ich denke: Böhmermann ist einfach nur von Eitelkeit zerfressen. Ihn wurmte es, daß Extra3 (…) so erfolgreich war (…) und deswegen konnte er einfach nicht anders, als unbedingt noch einen draufsetzen zu müssen“ – „Welch hohen Preis Böhmermann dafür jetzt zu zahlen hat, das hatte er offensichtlich vor lauter Egozentrik nicht bedacht.“

Das ist für mich der große Knackpunkt, wo ich dich falsch liegen sehe. Natürlich stellt auch das nachfolgende nur meine Meinung dar, aber: Nach der Auszeichnung mit dem deutschen Fernsehpreis der von Teilen der Produktionsfirma „bildundtonfabrik“ für „Böhmermann und Roche“ war Charlotte Roche vom Neid zerfressen (sie wurde – GENAU WIE JAN BÖHMERMANN – nicht ausgezeichnet) und verlangte daraufhin eine andere Produktionsfirma. Böhmermann widersetzte sich dem und hielt an dem Team fest, da er an es glaubte. Die Sendung war Geschichte und in der ersten Ausgabe des NMR (produziert von der bildundtonfabrik) wurde darauf kurz eingegangen.

Wieso glauben eigentlich alle, daß Böhmermann – der sicherlich sehr viel Input liefert – mit NMR gleichzusetzen ist? Es ist eine Sendung, die von einer Firma konzipiert wird, bei der Böhmermann ein (sicherlich nicht zu unterschätzendes) Mitcomedysprachrecht hat. Aber ist denn echt jemand so naiv, zu glauben, daß Böhmermann das im Keller mal eben gedichtet hat und dann seiner Hauptaufgabe (Schauspiel für Einspielfilme, Moderation, Texte lernen) nachkommt? Vielleicht sehe ich das berufsbedingt etwas anders und sicher gibt es Menschen, die das schaffen (Jerry Seinfeld bspw.) aber zumindest darf man doch nicht automatisch die Präsentation mit dem Autor gleichsetzen! Da kann man ja echt froh sein, daß seinerzeit niemand Larry Hagman erschossen hat. Nicht mal Küppersbusch – von dem ich auch sehr viel halte – schafft es nicht, hier zu trennen.

„(…) in’s Kanzleramt zu dem er offenbar einen guten Draht hat – auch interessant, wie ich finde.“

Was ist daran interessant? Warum dieser bedeutungsschwangere Satz , der nichts aussagt (betrachtet vor dem Hintergrund, daß ja nun die Freigabe für die Ermittlungen erteilt wurde).

„erst den türkischen Präsidenten schwer beleidigen“

Es tut mir leid, wenn ich Dir das hier augenscheinlich unterstelle, aber dieses Satzfragment wirkt, als hättest du tatsächlich nur den bei BILD veröffentlichten Gedichtausschnitt gesehen – ohne jeglichen Kontext. Das hast Du garantiert nicht, aber den Kontext lässt Du trotzdem komplett außer Acht.

„(…) und als absoluten Höhepunkt: Sich als Anwalt ausgerechnet die Kanzlei Schertz-Bergmann zu nehmen, über die er sich selbst zigmal lustig gemacht hat.“

Wo ist denn da das Problem? Es tut mir ja leid, aber das ist herausragend, um jedem das System vor Augen zu führen. Um es mal irgendwie herunterzubrechen: Ich bin ein großer Freund des Strafrechtsverteidigers Udo Vetter, der auch mich bereits (erfolgreich) verteidigt hat. Das ändert aber natürlich nichts daran, daß Anwälte (ähnlich wie Schauspieler, Reinigungskräfte oder Nazan Ekkes) eine Art Hure sind. Sie erbringen Dienstleistungen für den, der sie bezahlt – und machen das im Idealfall gut. Ein Anwalt hat wenig zu hinterfragen - und zwar aus gutem Grund. Es gab und gibt Länder, in denen die Verteidiger des Angeklagten auf die Todesstrafe plädier(t)en. Ein Anwalt ist immer – IMMER – dafür da, das rechtlich einwandfreie Optimum für seinen Mandanten herauszuholen. Das ist sein gottverdammter Job.

„Jan Böhmermann hat keine Prinzipien“

Woran bitte machst du das fest? Ich sehe da durch aus ein Prinzip – nämlich die der freien Satire. Ob man sich der anschließt, ist irrelevant. Ein Prinzip ist es dennoch.

Ansonsten nur eine kurze Überlegung zum Thema, die schon tausendfach angesprochen wurde: Das Gedicht befasst sich NICHT mit Erdogan, sondern mit dem Wischi-Waschi Verteidigen von Satirefreiheit, das F….rauen wie Merkel nach „Charlie Hebdo“ an den Tag legten. Das aufgrund kleinerer medialer Öffentlichkeit bei Juliens Blog versagt hat und das jetzt – im Kontext – zeigt, wie ambivalent wir mit unseren Meinungen haushalten.

Offenlegung: Der Kommentar kann diverse Rechtschreibfehler und Gedankensprünge beinhalten. Ich bitte, die Sendeuhrzeit zu berücksichtigen.

[QUOTE=RaoulDuke;450120] Böhmermann widersetzte sich dem und hielt an dem Team fest, da er an es glaubte. Die Sendung war Geschichte und in der ersten Ausgabe des NMR (produziert von der bildundtonfabrik) wurde darauf kurz eingegangen.[/QUOTE]

Loyalität und Neid sind aber zwei verschiedene Dinge. Natürlich kann er den feinen Charakterzug haben, loyal seinen Mitstreitern gegenüber zu sein. Das sagt aber nichts darüber aus, ob er nicht Neid gegenüber extra3 hatte. Und auch das Betteln um einen besseren Sendeplatz geht bestimmt nicht nur von ihm aus. Wenn die eine eingeschworene Gemeinde sind (was ich glaube), dann haben die sich natürlich alle zusammen Gedanken gemacht, wie sie die Aufmerksamkeit von extra3 auf sich lenken können.

[QUOTE=RaoulDuke;450120]Aber ist denn echt jemand so naiv, zu glauben, daß Böhmermann das im Keller mal eben gedichtet hat und dann seiner Hauptaufgabe (Schauspiel für Einspielfilme, Moderation, Texte lernen) nachkommt?[/QUOTE]

Das ist eine Sache, die ich nie verstanden habe. Denn auch unter den Fans wird Böhmermann teilweise wie ein Gott verehrt, ohne Bezug auf seine Redaktion zu nehmen, die einen ganz großen Anteil an dem hat, was in der Sendung passiert. Wer übrigens mal in Periscope reingeschaut hat, der merkt aber dennoch, dass Böhmermann ein großer Selbstdarsteller ist. Gerade bei den Hashtagkonferenzen sitzt sein Team still da und Böhmermann plappert unentwegt. Das ist eine ganz seltsame Atmosphäre.

Natürlich kann das einvernehmlich sein, dass immer dann, wenn es in die Öffentlichkeit geht, er den Hannes macht und die anderen, die die Öffentlichkeit eher meiden wollen, sich hinter ihm verstecken können. Jedoch wirkt es dennoch seltsam.

[QUOTE=RaoulDuke;450120] Das Gedicht befasst sich NICHT mit Erdogan, sondern mit dem Wischi-Waschi Verteidigen von Satirefreiheit, das F….rauen wie Merkel nach „Charlie Hebdo“ an den Tag legten. [/QUOTE]

Das ist eine Interpretation anderer. So wurde das in der Sendung nicht gesagt. Es mag zwar die Intention gewesen sein, aber keiner weiß, ob es stimmt. Deswegen ja auch der Vorwurf, dass unzählige Interpretationen als Fakt dargestellt werden.

Versteh mich nicht falsch. Deine Meinung möchte ich eigentlich so als weitere Perspektive stehen lassen. Ich biete nur meine Meinung feil. Ob du damit was anfangen kannst, bleibt aber dir überlassen. Immerhin hast du dich als vernünftiger Gesprächspartner in anderen Threads erwiesen.

[QUOTE=DeeperSight;450155]Versteh mich nicht falsch. Deine Meinung möchte ich eigentlich so als weitere Perspektive stehen lassen. .[/QUOTE]
Ui, wie jovial! Aber warum nur eigentlich? Bist Du neuerdings hier der Schiedsrichter?

[QUOTE=Effe;450164]Bist Du neuerdings hier der Schiedsrichter? [/QUOTE]

Nach der Logik hast du dich mit deinem Beitrag zum Schiedsrichter gemacht. Denk mal drüber nach.

Oh Holger gegen jan. Ich bin schockiert! Nicht.

Du hast schon mitgekriegt, dass es einen gewissen Anlass gab, oder? :slight_smile:

Hi,

Den Böhmermann-Kommentar hätte man wohl besser als Gastbeitrag gemacht. Hatte für mich einen verbitterten Unterton. Das passt überhaupt nicht zu FKTV.

Atti

Worüber sollte ich verbittert sein? Ich nehme eher amüsiert zur Kenntnis, dass Jan Böhmermann nicht in der Lage ist, sich jetzt einem Diskurs zu stellen und stattdessen untertaucht. Was ist denn das für ein Satiriker, der erst so eine politische Welle lostritt und dann sich jammernd wundert, was er da angerichtet hat :roll:

Interessant auch ein neues Interview mit Hallervorden: http://www1.wdr.de/fernsehen/aktuelle-stunde/hallervorden-interview-zu-boehmermann-100.html - ganz zum Schluss berichtet dieser, dass Böhmermann sich bei ihm für das Lied bedankt habe. In seinem gestrigen Statement schoss Böhmermann noch gegen Didi und dessen Song.

Ich finde das alles bigott, anders kann ich das nicht nennen.

[QUOTE=Fernsehkritiker;450242]
Interessant auch ein neues Interview mit Hallervorden: http://www1.wdr.de/fernsehen/aktuelle-stunde/hallervorden-interview-zu-boehmermann-100.html - ganz zum Schluss berichtet dieser, dass Böhmermann sich bei ihm für das Lied bedankt habe. In seinem gestrigen Statement schoss Böhmermann noch gegen Didi und dessen Song.[/QUOTE]

Ich glaube ja eher, das war ironisch gemeint… Aber ja, der Song von Didi war wirklich keine Glanzleistung.

[QUOTE=Fernsehkritiker;450242]In seinem gestrigen Statement schoss Böhmermann noch gegen Didi und dessen Song.[/QUOTE]
Dein Ernst?

[QUOTE=STaRDoGG;450247]Dein Ernst?[/QUOTE]

http://forum.massengeschmack.tv/showthread.php?13404-Neo-Magazin-Royale-(ZDF)&p=449991#post449991

“Darüber hinaus ist die Redaktion davon überzeugt, dass ein weiterer Song von Dieter „Didi“ Hallervorden zum Thema unbedingt zu verhindern ist. Das, und darin sind sich hier alle einig, MUSS oberste Priorität haben!”

Ich kenn’ das Statement. Aber es ist doch offensichtlich, dass das ironisch gemeint ist.

Wo hat sich Jan Böhmermann denn „gewundert“? Der hält sich doch bedeckt.

An seiner Stelle hätte ich mich auch nicht zu Illner, Lanz und Maischberger gesetzt damit alle auf mir rumhacken. Die Diskussion lief doch auch ohne ihn ganz gut - und ein Interview mit ihm gabs auch, ganz ohne ihn. :stuck_out_tongue:

Dass er sich nach Morddrohungen zurückzieht um seine Familie zu schützen, willst du ihm jetzt nicht negativ auslegen, oder?