Es ist ein interessanter Beitrag von Fernsehkritik.tv, der da zum Böhmermann-Fall gezeigt wurde. Der Fall selbst spaltet sehr und ich kann die geäußerten Kritikpunkte zumindest logisch nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile. Ich möchte nur zu ein paar Aussagen kurz Stellung nehmen:
„Ich möchte (…) das Bashing nicht zu heftig betreiben, denn das (…) würde mir (…) ausgelegt, daß ich in Wahrheit doch nur sauer sei, daß er nicht in meine Sendung kommt“
Möglich. Die Gefahr sehe ich (zumindest bei einem Großteil der zuschauenden Böhmermann-Fans) aber eher nicht, wenn Du die angesprochenen Punkte argumentativ untermauerst. Das tust du größtenteils auch, wenngleich ich mich Deiner Interpretation nicht anschließen kann. Darüberhinaus untergraben Sätze wie
„Böhmermann braucht nur noch zu husten, und schon fallen viele seiner Fans auf die Knie und bedanken sich für diese grandiose Tat“
eine adäquate, themenbezogene Diskussion, indem man einen Großteil der Zustimmung als „vom Klatschvieh kommend“ abstempelt.
„Ich sag jetzt mal, was ich denke: Böhmermann ist einfach nur von Eitelkeit zerfressen. Ihn wurmte es, daß Extra3 (…) so erfolgreich war (…) und deswegen konnte er einfach nicht anders, als unbedingt noch einen draufsetzen zu müssen“ – „Welch hohen Preis Böhmermann dafür jetzt zu zahlen hat, das hatte er offensichtlich vor lauter Egozentrik nicht bedacht.“
Das ist für mich der große Knackpunkt, wo ich dich falsch liegen sehe. Natürlich stellt auch das nachfolgende nur meine Meinung dar, aber: Nach der Auszeichnung mit dem deutschen Fernsehpreis der von Teilen der Produktionsfirma „bildundtonfabrik“ für „Böhmermann und Roche“ war Charlotte Roche vom Neid zerfressen (sie wurde – GENAU WIE JAN BÖHMERMANN – nicht ausgezeichnet) und verlangte daraufhin eine andere Produktionsfirma. Böhmermann widersetzte sich dem und hielt an dem Team fest, da er an es glaubte. Die Sendung war Geschichte und in der ersten Ausgabe des NMR (produziert von der bildundtonfabrik) wurde darauf kurz eingegangen.
Wieso glauben eigentlich alle, daß Böhmermann – der sicherlich sehr viel Input liefert – mit NMR gleichzusetzen ist? Es ist eine Sendung, die von einer Firma konzipiert wird, bei der Böhmermann ein (sicherlich nicht zu unterschätzendes) Mitcomedysprachrecht hat. Aber ist denn echt jemand so naiv, zu glauben, daß Böhmermann das im Keller mal eben gedichtet hat und dann seiner Hauptaufgabe (Schauspiel für Einspielfilme, Moderation, Texte lernen) nachkommt? Vielleicht sehe ich das berufsbedingt etwas anders und sicher gibt es Menschen, die das schaffen (Jerry Seinfeld bspw.) aber zumindest darf man doch nicht automatisch die Präsentation mit dem Autor gleichsetzen! Da kann man ja echt froh sein, daß seinerzeit niemand Larry Hagman erschossen hat. Nicht mal Küppersbusch – von dem ich auch sehr viel halte – schafft es nicht, hier zu trennen.
„(…) in’s Kanzleramt zu dem er offenbar einen guten Draht hat – auch interessant, wie ich finde.“
Was ist daran interessant? Warum dieser bedeutungsschwangere Satz , der nichts aussagt (betrachtet vor dem Hintergrund, daß ja nun die Freigabe für die Ermittlungen erteilt wurde).
„erst den türkischen Präsidenten schwer beleidigen“
Es tut mir leid, wenn ich Dir das hier augenscheinlich unterstelle, aber dieses Satzfragment wirkt, als hättest du tatsächlich nur den bei BILD veröffentlichten Gedichtausschnitt gesehen – ohne jeglichen Kontext. Das hast Du garantiert nicht, aber den Kontext lässt Du trotzdem komplett außer Acht.
„(…) und als absoluten Höhepunkt: Sich als Anwalt ausgerechnet die Kanzlei Schertz-Bergmann zu nehmen, über die er sich selbst zigmal lustig gemacht hat.“
Wo ist denn da das Problem? Es tut mir ja leid, aber das ist herausragend, um jedem das System vor Augen zu führen. Um es mal irgendwie herunterzubrechen: Ich bin ein großer Freund des Strafrechtsverteidigers Udo Vetter, der auch mich bereits (erfolgreich) verteidigt hat. Das ändert aber natürlich nichts daran, daß Anwälte (ähnlich wie Schauspieler, Reinigungskräfte oder Nazan Ekkes) eine Art Hure sind. Sie erbringen Dienstleistungen für den, der sie bezahlt – und machen das im Idealfall gut. Ein Anwalt hat wenig zu hinterfragen - und zwar aus gutem Grund. Es gab und gibt Länder, in denen die Verteidiger des Angeklagten auf die Todesstrafe plädier(t)en. Ein Anwalt ist immer – IMMER – dafür da, das rechtlich einwandfreie Optimum für seinen Mandanten herauszuholen. Das ist sein gottverdammter Job.
„Jan Böhmermann hat keine Prinzipien“
Woran bitte machst du das fest? Ich sehe da durch aus ein Prinzip – nämlich die der freien Satire. Ob man sich der anschließt, ist irrelevant. Ein Prinzip ist es dennoch.
Ansonsten nur eine kurze Überlegung zum Thema, die schon tausendfach angesprochen wurde: Das Gedicht befasst sich NICHT mit Erdogan, sondern mit dem Wischi-Waschi Verteidigen von Satirefreiheit, das F….rauen wie Merkel nach „Charlie Hebdo“ an den Tag legten. Das aufgrund kleinerer medialer Öffentlichkeit bei Juliens Blog versagt hat und das jetzt – im Kontext – zeigt, wie ambivalent wir mit unseren Meinungen haushalten.
Offenlegung: Der Kommentar kann diverse Rechtschreibfehler und Gedankensprünge beinhalten. Ich bitte, die Sendeuhrzeit zu berücksichtigen.