Ich erinnere mich schmerzlich an einen Gastbeitrag von einem CDU-Mitglied, der fk.tv für einen ziemlich unfairen Rant gegen Charlotte Roche und ihre angeblich “linksgrünen” Ansichten missbrauchte.
Ich fürchte, das gleiche ist hier passiert.
Zwei selbsternannte Christen, die sich darüber beklagen, dass irgendwelche dubiosen christlichen Vereinigungen im Fernsehn kritisch berachtet werden? Nicht sehr glaubhaft…
Ich bin katholisch und ich habe mich jahrelang für verschiedene Organisationen der Kirche engagiert. Jetzt waren wir zufällig eine recht liberale Gruppe, ohne irgendwelche ideologischen Vorbehalte oder Moralvorstellungen. Eigentlich waren wir ein sehr weltlicher Verein, der ein bisschen Wohltätigkeitsarbeit für die Kirche gemacht hat. (Außerdem hatten wir einen coolen Pastor, der offen damit umging, dass er eine Freundin hatte, mit der er zusammenlebte…)
Aber wenn wir in Kontakt mit anderen Gemeinden und Jugendorganisationen kamen, war es doch sehr seltsam, was da für Typen plötzlich auftauchten.
Kein Sex vor der Ehe, Homosexualität=bäh… solche Sachen waren bei uns nie Thema. Aber in anderen Gemeinden machte man sich darüber tatsächlich einen Kopf. Und das fand ich beängstigend!
Es gibt dieses Gehirnwäsche-Ding. Und es funktioniert sehr subtil.
Was ich von den Freikirchen weiß, ist, dass die umso offensiver auf junge Leute zugehen, und ihnen einreden, dass all ihre Probleme im Leben durch Gottvertrauen gelöst werden können. Das ist schön einfach und gerade Jugendliche mit einem labilen Gemüt fallen leicht darauf herein.
Ich halte das für brandgefährlich!
Nichts gegen eine Religion. Nichts gegen Gläubigkeit. Und nichts gegen das Christentum.
Problematisch wird die Sache jedoch, wenn eine selbsternannte Glaubensgemeinschaft anfängt zu missionieren und ihre eigenen Vorstellungen auf alle anderen Menschen überträgt - in vermeintlich besten Absichten.
Wenn Glaubensgemeinschaften anfangen, sich anzubiedern mit pseudo-hipper Musik und Jugendsprache hat das eindeutig was vom Rattenfänger. Mit coolen Accessoirs werden da ultrakonservative Ansichten unter die Leute gebracht. Das hat nichts mit Erziehung zu einem mündigen Bürger oder geistlichem Beistand zu tun. Das ist fast schon als aggressiv zu bezeichnen. Da wird ein Druck aufgebaut, der an Sekten erinnert.
Und dieses Gospel Forum halte ich persönlich für höchst suspekt. “Charismatische” Glaubensgemeinschaft sagt in dem Zusammenhang meines Erachtens schon alles.
Gerade in Deutschland hat man ja mit charismatischen Führungsfiguren so seine Erfahrungen… Charisma wird allzu oft dazu missbraucht, um den Leuten Sachen unterzujubeln, die am Ende zu einer Radikalisierung führen - unter dem Deckmantel von Moral, Struktur und Vorbildlichkeit.
Es ist wichtig, diese Praktiken zu kritisieren - auch und vor allem in den Medien.
Würde die katholische Kirche nicht so fortwährend kritisiert, würden denen auch mehr Leute auf den Leim gehen. Mir ist das, was die derzeit noch an Macht ausüben - und glauben zurecht ausüben zu dürfen - schon ein Dorn im Auge.
Dass es diese NDR-Doku gab, war richtig.
Ob man da diese komischen Typen von dem Gospel Forum nochmal extra zu Wort kommen lassen muss, bezweifle ich. Die haben doch als Plattform ihre Bühnen, ihre Gesänge und ihre Predigten. Reicht das nicht? Können die sich da nicht richtig ausdrücken? Kommt es da zu so vielen Missverständnissen, dass die sich nochmal in einem Extra-Interview rechtfertigen müssen?
Zu der Sache mit den Zwangsprostituierten und diesem ominösen Video: Für mich ist nicht schlüssig, was da jetzt die Kritik des NDR entkräften sollte. Es wurden Fehler bei der Produktion gemacht. Soll man die verzeihen, weil es sich um eine junge Organisation handelt? Es gehört zur Professionalität, dass man nicht per Schnellschuss irgendwas in die Öffentlichkeit entläd, was man nicht 100% nachgeprüft hat.
Die ganze Organisation wirkt auf mich wie eine Art Feigenblatt: “Seht her, wir tun was für arme, versklavte Frauen! Was sind wir doch für tolle Christen! Wir ekeln uns noch nicht mal vor solchem Abschaum!”
Ich weiß nicht, ob es nötig war, einen solchen Gastbeitrag zu machen. Ich finde auch nicht, dass er in irgendeiner Form zur Erhellung des Sachverhaltes beigetragen hat. Vor allem der Mann, der meinte, die evangelische Allianz könne nicht für die Ansichten all ihrer Mitglieder sprechen, macht sich lächerlich. Was kann die evangelische Allianz denn, wenn sie nicht ihre Mitglieder vertreten will?
Was allerdings interessant gewesen wäre, wären die Interviewfragen und die -antworten, die angeblich nicht in die Doku eingeflossen sind, aber sehr wohl angeblich beantwortet wurden. Leider wurde uns das - im Rahmen des “ganzen Bildes” - vorenthalten…
Der ganze Beitrag wirkt also auf mich weniger wie ein Beitrag zur Aufklärung irgendwelcher unseriösen Praktikern des NDR, sondern eher wie ein Versuch, ein zurecht rampuniertes Image wieder gerade zu rücken.
Eine Gegendarstellung hätte man von Seiten der evangelischen Allianz oder dem Gospel Forum oder sonstwem, der sich falsch dargestellt fühlt, auch publikumswirksamer im NDR erwirken können. Wieso also gerade bei fk.tv? Weil hier nicht so viele Fragen gestellt werden? Weil man hier weniger Gegenwind erwartet?
Man merkt, dass die Gastautoren gewissermaßen auf Seiten der Kirche stehen. Gerade bei einer solchen Positionierung wäre es journaistisch sauberer gewesen, die Verantwortlichen von NDR zu interviewen und dort kritische Fragen zu stellen, statt die Leute zu umgarnen, denen man eh nicht widersprechen will… Man kann die ja auch meinetwegen zu Wort kommen lassen, aber wenn man schon die Kritik an gewissen Aussagen kritisiert, dann muss man auch der Kritik an der Kritik stellen.
Ich finde das alles sehr suspekt… Wirklich.