Veto Folge 118. Hier kann darüber diskutiert werden!
Marek Fis, Comedian mit polnischen Wurzeln, war früher oft im Fernsehen präsent - egal ob „Nightwash“ oder „Quatsch Comedy Club“ oder andere Formate. Doch seit ein paar Jahren hat er sich massiv zurückgezogen. Denn Marek sagt: Comedy ist nicht mehr frei, es wird jede Menge zensiert und gecancelt. Ist das tatsächlich so?
Ich habe im Gefühl, Marek Fis spricht viel aus, was auch Marcel Mann belastet hat. Die Doppelmoral in diesem Land ist für gesunde Menschen wirklich unerträglich.
In einer Welt, die von Krieg, Klimakatastrophen und wachsender sozialer Ungleichheit geprägt ist, wird das Lachen für viele Menschen zur Herausforderung.
Ich muss zuerst sagen: Holger hat hier wirklich stark performt – das war deutlich besser als bei Fair Talk, wo mir einfach zu wenig kritische Distanz vorhanden war.
Was mir bei Herrn Fis und anderen auffällt, die sich aus Frust der AfD zuwenden: Sie verkennen meiner Meinung nach eine zentrale Ursache. Das eigentliche Problem ist nicht in erster Linie ein sogenannter „linker, grüner Zeitgeist“, sondern der Neoliberalismus – insbesondere, wie er durch betriebswirtschaftlich geprägte Managementebenen in Politik, Medien und Institutionen propagiert und vorangetrieben wird.
Diese Entwicklung sorgt dann für das Gefühl, die AfD sei der große Gegenspieler, der „Heiland“, der all das aufhält. In Wahrheit aber ist sie mit dem bestehenden kapitalistischen System mindestens genauso eng verzahnt wie alle anderen Parteien – wenn nicht sogar noch stärker.
Ja, wir leben aktuell in einer Zeit, die teils stark auf Empfindlichkeit und moralische Korrektheit achtet. Ich glaube aber, dass sich das auch wieder ändern wird. Rudi Carrell soll sich mal darüber beschwert haben, wie prüde die 70er waren – auch damals durfte man im Fernsehen „nichts mehr sagen“. Solche gesellschaftlichen Phasen kommen und gehen. Was bleibt, ist ein auf Wachstum und Profit ausgerichtetes System, das sich durch eine Partei wie die AfD garantiert nicht grundlegend ändern lässt.
Deshalb halte ich die Analyse von Herrn Fis und anderen für fehlgeleitet – auch wenn ich den Frust nachvollziehen kann. Aber er richtet sich meiner Meinung nach an die falschen Adressaten.
Danke
ein paar Wenige haben es immerhin noch kapiert! Leider ist Kritik am Neoliberalismus überhaupt nicht mehr „angesagt“, oder besser gesagt ist sie fast tot. Dabei ist es wie du sagst eine der zentralen Ursachen für so viele Missstände. Während Corona haben viele gelitten - nicht die Superreichen. Mehr Geld für Multimillionäre und Milliardäre als je zuvor, aber geht mal einkaufen im Supermarkt und guckt auf die Rechnung, oder guckt euch den Mindestlohn an.
Geld regiert die Welt sagt man, und man könnte meinen, dass das Geld mittlerweile soviel Einfluss auf Medien und Politik hat, das keiner mehr ein wirkliches Interesse hat, das Geld noch zu kritisieren. Man geht lieber auf Nebenschauplätze, warum soll man sich auch das Leben schwer machen.
Und bei dem overkill an Meldungen und Themen kann ich es auch Leuten wie Fis gar nicht verdenken, dass sie den Wald vor lauter Bäumen gar nicht mehr sehen. Da wurde propagandatechnisch gute Arbeit geleistet über viele Jahre hinweg.
Warum so wenige das Problem im Neoliberalismus erkennen, liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass er als alternativlos gilt. Viele können sich schlicht nicht vorstellen, wie ein anderes System überhaupt funktionieren könnte – diese Vorstellung wirkt auf viele so unrealistisch wie die Idee, dass morgen Aliens landen.
Der Glaube an den „freien Markt“, der alles regelt, ist längst zu einer Art säkularer Religion geworden. Und ja, der Markt funktioniert – aber nur solange, bis er unkontrolliert und destruktiv wird. Genau das erleben wir heute in vielen Bereichen.
Aber er gilt als alternativlos, weil uns das ständig eingetrichtert wird, genau wie der freie Markt, der schon alles regelt. Die immer gleichen Argumente kommen wenn man das anzweifelt: Wohlstand gefährdet, Reiche wandern aus, Arbeitsplätze weg, usw.
Und man darf auch nicht den Fehler machen und einen radikalen Wandel zu verfolgen oder eine Revolution des Systems. Sinnvolle Dinge wie Verantwortungseigentum, höhere Besteuerung von Finanzgeschäften als von Arbeit, ein gesunder Protekionismus in gewissem Rahmen, usw. kann man nach und nach einführen, aber dazu bräuchte es erst ein Verständnis dafür bei Wählern, Unternehmern und Politik.
Aber wie du sagst: erwähnt man selbst diese einfachen, einleuchtenden Dinge etwa in einer dt. talkshow, wird das abgekanzelt, weil es als alternativlos gilt. Man hat gewisse Denkmuster im Kopf, regelrechte Denkbarrieren. Alles was neu oder anders ist ist in diesem Sinne wohlstandsfeindlich. Wir sind ja erst so weit gekommen durch die „soziale“ Marktwirtschaft - also was soll denn der neumodische Kram? Unser Wohlstand ist doch der existierende Beweis, dass das bestehende System schon seine Richtigkeit hat.
Ich sehe wirklich nicht, wie man da etwas in den Köpfen ändern könnte (bevor es zu spät ist)
Klar, eine Revolution klingt romantisch, aber historisch gesehen hat sie meistens mehr Leid als Fortschritt gebracht. Was wir wirklich brauchen, ist ein kollektives Umdenken – ein gesellschaftlicher Wandel, der nicht durch Gewalt, sondern durch Bewusstseinsveränderung entsteht.
Denn: Wenn einzelne Staaten versuchen, alternative Wege zu gehen, werden sie schnell wirtschaftlich und politisch unter Druck gesetzt – siehe das Beispiel Salvador Allende in Chile. Der Neoliberalismus verteidigt sich mit allen Mitteln.
Was meiner Meinung nach nötig ist, wäre eine Rückkehr zu einer ordoliberalen Marktwirtschaft, in der der Staat klare Regeln setzt, aber nicht alles dem Profit unterordnet. Fleiß, Handwerk, das „etwas mit den Händen schaffen“ – all das müsste wieder an gesellschaftlichem Wert gewinnen. Stattdessen wird alles dem Dogma der Gewinnmaximierung geopfert.
Ich bin sogar überzeugt: Selbst der härteste CDU-Betonkopf denkt im Privaten oft ähnlich. Viele spüren, dass das System in Schieflage ist. Aber die politische Maschinerie läuft – und wer mitläuft, läuft eben mit. Das zu durchbrechen, wird die eigentliche Herausforderung sein.
Mit „Neoliberalismus“ - das ist ohnehin ein Kampfbegriff Linksradikaler - hat das nichts zu tun.
Rudi Carell lebte zu einer Zeit, in der das „alte Spießertum“ noch die moralische Deutungshoheit besaß. Dann gab es eine Periode, in der man sich davon befreite. Die 80er und 90er, vielleicht noch Anfang der 2000er.
Die Aufbruchsstimmung und der Optimismus aus dieser Zeit, in der man mit ein paar Tutti-Frutti-Brüsten oder einer Transfrau-Comedy (Lilo) irgendwann eben niemanden mehr schocken konnte, sind vorbei.
Jetzt sind es nicht mehr die braven, die im Bushäuschen Rosenkranz beten, sondern die in gesprochener Sprache gendern. Natürlich immer so, dass es alle mitkriegen.
Das endet zum Glück gerade. Wobei ich Dir Recht gebe, diese Identitätspolitik, die ich das „neue Spießertum“ nennen würde, hat klassische linke Themen überlagert.
Das macht deren Lösungsvorschläge natürlich nicht brauchbar.
An echter Liberalität fehlt es im Moment. Wirtschaftlich wie gesellschaftlich.
Und ich bin fest davon überzeugt, dass genau jene noch vor 60 Jahren diejenigen gewesen, die im Bushäuschen Rosenkranz gebetet hätten.
Die Konstante sind hier glaube ich nicht die Werte an sich, sondern Menschen die die Werte des aktuellen Zeitgeistes in übersteigerter Form leben um damit am Ende als besonders Fromm zu wirken in dem sie Tätigkeiten ritualhaft durchführen.
Die waren in den 70ern noch eine ziemliche Grenzüberschreitung. Das war „Tutti Frutti“ ja ganz am Anfang auch noch.
Der „Cage aux folles“-Originalfilm ist von 1978, da lockerte es sich langsam aber sicher, allerdings war er noch Mitte der 80er ab 12.
Ich bin da sehr bei @Bossmang , der Typ Mensch, der so etwas forciert, obwohl es legal nicht verpflichtend / verboten ist, hat eher einen Egotrip. Viele oppressiven Mechanismen, die deshalb früher von konservativen Parteien verteidigt wurden, werden heute von ihnen bekämpft.
Unis waren ja meistens die Horte der Freigeister, heute sind sie das Gegenteil.
Viele Dinge, die heute Todesdrohungen nach sich zögen, waren aber gar nicht rassistisch gemeint. Etwa das N-Wort; das habe ich noch absolut neutral benutzt (Mitte 80er). Ich erinnere mich auch an Münzeinwurf-Solarien im Schwimmbad, dort waren die verschiedenen Hauttypen erklärt.
Der dunkelste stand als „N-ger / Nubier“ und daneben entsprechend, dass man wohl keine Veränderung im Teint sehen würde.
Vielleicht möchtest du mir erklären, warum genau der Begriff „Neoliberalismus“ deiner Meinung nach nur ein Kampfbegriff sein soll – und weshalb die Identitätspolitik von links und rechts dem Neoliberalismus angeblich nicht in die Karten spielt?
Denn aus meiner Sicht sieht es eher so aus, dass Identitätsfragen inzwischen hervorragend dafür taugen, von ökonomischen und machtpolitischen Fragen abzulenken. Wer sich mit Symbolik und Zugehörigkeit beschäftigt, diskutiert nicht über Eigentum, Ausbeutung oder Umverteilung. Und genau das ist im Interesse neoliberaler Machtstrukturen. Viele Leute würden das unterschreiben wenn sie es wüssten davon bin ich überzeugt.
Seit 20 Jahren höre ich den Begriff kaum noch bis gar nicht im Kontext einer sachlichen Annäherung. Dort verwendet man zur Unterscheidung Termini wie „Ordoliberalismus“, „Libertäre“, „Marktliberalisnus“ usw.
Sich links Empfindende, die von staatlicher Umverteilung träumen und Eigentum über Trabi hinaus verachten, nutzen den Begriff synonym mit „Marktradikalismus“. Und der beginnt für sie schon, wenn jemand ein freistehendes Einfamilienhaus haben will, während irgendwer nicht für 100€ warm am Stachus 20qm² bekommt, der nach abgebrochenem Studiengang „Angstfrei Töpfern“ eben nicht den Job im Topmanagement per Quote bekommt.
Klar, das ist überzeichnet, es gibt Leute, die unverschuldet von relativer Armut bedroht sind oder dort landen. Da würde ich auch noch mitgehen, dass sie zumindest ein Auskommen haben, wenn sie es aus eigener Kraft nicht schaffen.
Aber wenn sich schon Jugendliche an Bahnhaltestellen in Pidgin-Slang über Tiktok-Videos von „Deutsch“-Rappern unterhalten und sich wundern, dass sie mit 4kg Piercings keine Banklehre bekommen… Nunja, selbst schuld!
Linke Phantasien laufen immer auf einen Staatsapparat mit Verteilungsfunktionären hinaus. Und diese Leute waren immer das Rückgrat der entsprechenden Diktaturen. Wie mein Opa sagte: „Die kleinen Hitlers waren die Schlimmsten!“
Deine Antwort ist ein polemisches Zerrbild was mit dem was ich gesagt habe leider überhaupt Nichts zu tun hat.
Ich habe nicht über „Trabis“ oder TikTok-Jugendliche gesprochen, sondern darüber, wie der Neoliberalismus seit Jahrzehnten bewusst in Gesellschaft und Institutionen getragen wurde – etwa durch die Mont Pèlerin Society oder politische Vorreiter wie Thatcher. Das lässt sich historisch sehr gut belegen und hat mit irgendeiner Sehnsucht nach „Verteilungsfunktionären“ erstmal gar nichts zu tun.
Du musst meine Position nicht teilen – aber ein ernsthafter Austausch fängt dort an, wo man auf Argumente eingeht, nicht auf Karikaturen.