Du sagst das so, als würdest du mich einer Schandtat gezichtigen. „Beweisführung abgeschlossen!“ DU bist das Unheil, DU, DU, DU!!!
Meine Güte, reg dich ab.
Öhm, ich bin die Ruhe selbst. Ich hatte extra geschrieben:
…ich hoffe, du fühlst dich von mir nicht angegriffen, das ist nicht meine Absicht
aber anscheinend tust du das dennoch. Sorry.
Also: du sitzt auf keiner Anklagebank, und ich bin auch kein Richter und habe auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen (soweit kommt’s noch…). Worüber ich gestolpert bin, sind Sätze wie diese:
Warum sollte ich meiner dreijährigen Tochter jetzt Angst machen[…]?
Sollst du nicht, verlangt kein Mensch. Der Punkt ist, dass du dir in DEINEM Kopf alles schon vorher zurecht legst, wie ein anderer reagiert oder welche Emotionen er haben wird und das tust du auf Basis deiner eigenen Haltung, wenngleich das auch eine von vor 16 Jahren ist. DAS meine ich. Das ist überhaupt kein Vorwurf, sondern ich wollte dich darauf aufmerksam machen.
Grundsätzlich aber mal ab von meiner persönlichen Angst und hin zu deiner prinzipiellen Aussage:
Ist es denn nicht normal, Angst zu haben, dass sehr wichtige Menschen sterben, bzw. Angst zu haben, dass diese Menschen irgendwann nicht mehr um mich sein könnten? Ist es nicht ein Zeichen von Liebe, dass mir gerade jetzt, bei der Vorstellung, Tränen in die Augen steigen, bei dem Gedanken, dass sie nicht mehr sein könnten, weil sie mir so unheimlich wichtig sind?
Naja, ich glaube, dass das ein Thema für sich ist. Verlustangst kennen wir alle, aber ehrlich gesagt mache ich mich nicht verrückt damit, dass ich meine Frau oder meine Kinder verlieren könnte. Wieso sollte ich das tun? Warum soll ich mir das Leben schwer machen? Mein Sohn hat mich auch gefragt, ob ich sterben muss. Ja, klar, muss ich das, habe ich ihm gesagt, aber dann bist du schon groß und ich ein alter Opi (jedenfalls wenn’s gut läuft, was ich mir zu sagen verkniffen habe). Er hat mich auch gefragt, ob ich Angst davor habe, und da hab ich ihm gesagt, dass ich glaube, dass man, wenn man alt ist, ja vielleicht auch ganz froh ist, wenn man stirbt. So wie wenn man nach einem langen, anstrengenden Tag müde ist und sich einfach nur noch in die Koje legen und die Augen zu machen will. Nur eben für immer. Das Gefühl der Müdigkeit kennt mein Sohn, damit kann er was anfangen. Und ich glaube, über dies Vergleiche kann er vielleicht auch etwas mit dem Tod anfangen.
Das nimmt ihm nicht die Verlustangst, die er TROTZDEM manchmal hat. Ich muss manchmal beruflich mit dem Heli fliegen und werde dann mit so einer Winde ab- oder hochgeseilt. Ich habe meinem Sohn einen Film davon gezeigt, weil ich dachte, dass er das bestimmt toll findet. Er schaute sich den Film wortlos an, und das einzige, was er danach gefragt war nur: „Papa, überlebst du das?“ Also, die von dir beschriebenen Ängste hat er auch, und die sind bei Kindern wohl auch normal. Ich sage ihm immer, dass ich so lange für ihn da bin, bis er groß ist und allein für sich sorgen kann. Und das glaubt er mir auch. Über den Tod können wir trotzdem reden.
Aber was mag wohl ein Kind eventuell denken, wenn die Mutter erzählt, es kann passieren, dass von einem Tag auf den anderen das Elternteil weg ist, eine existenzielle Konstante? Du vergisst, dass das Kind vollständig von dir abhängig, das ist sogar eine Sache des Instinkts.
Ich hingegen kann nicht verstehen, wieso du bei diesem Thema immer wieder meinst, den Tod der Eltern unbedingt ins Spiel bringen zu müssen. Es ist doch vollkommen unnötig, den Kindern so was zu erzählen. Wenn sie danach fragen, ob man sterben könnte, dann würde ich das wahrheitsgemäß beantworten: ja, kann passieren, ist aber waaaaaaahnsinnig unwahrscheinlich und kommt so gut wie nie vor. Ich glaube, dass es Kinder auch stark macht, wenn sie solche Erkenntnisse verarbeiten und auch die damit möglicherweise einhergehenden Ängste durchleben müssen.
Ehrlich gesagt, je mehr ich über deine Worte nachdenke, umso weniger kann ich verstehen, wie du zu deiner Meinung kommst, der Tod etwas, das jedes Kind, welches Sonntags Morgens einfach mal stumpf damit konfrontiert wird, wegstecken kann und dass das daher eine super Möglichkeit ist, ein Kind damit mal eben in einer Sendung zu konfrontieren.
Der Tod ist ja nicht ohne Grund eine Sache, die etwas tabuisiert wird. Weil es eben ein Thema mit einer so starken Bedeutung sein kann (ganz wichtig: ich sage bewusst „kann“), mit der man nicht achtlos umgehen darf.
Also, man darf mit GAR KEINEM THEMA achtlos umgehen, wenn es um Kinder geht. Man sollte sich schon vorher ein paar Gedanken gemacht haben, wenn man mit seinem Kind über ein Thema spricht. Dass du den Tod als ein so wahnsinnig außergewöhnlich monströses Thema betrachtest und es als normal erachtest, dass dieses Thema tabuisiert wird, macht mir einfach nur deutlich, dass diese Themenwoche bitter nötig war und hoffentlich wiederholt wird.
Finde ich auch.