Was ich persönlich für eine Charakterschwäche halte. Wenn dich jemand beschimpfst, denkst du also nach, wenn jemand dir was logisch erklärt, machst du zu?
Ja! Wenn er versucht, mich logisch vom Sinn und Zweck von etwas zu überzeugen, oder mir darlegt, warum er aus Gründen, die für mich irrelevant sind, etwas anders sieht, ja! Meist hat das mit den echten Grund seiner Meinung sowieso nichts zu tun.
Lars könnte jetzt, würde er sich wirklich darauf einlassen (was fast niemand jemals tun würde!), seine wahren Motive dafür, die Frau zu beschimpfen, darlegen. Im ersten Schritt würde dann vielleicht begründet, warum es sich nicht um Häme handelt. Mit ein wenig mehr Druck (und da geht es nicht um die Stärke des Arguments, sondern um den Druck!) würde er dann (hallo Salamitaktik!) Stück für Stück zugeben, woher es kommt. Irgendwann sind wir dann bei einer halben Psychoanalyse im Einzelnen und einer Diskussion über Selbstwertgefühl, soziale Normen und Ethik im besonderen.
Reine Zeitverschwendung. Mir geht es darum, meinem Ärger Luft zu machen. „Aber halt“, sagt Lars, „denk doch mal logisch: Die Frau ist wirklich hässlich, daher ist es berechtigt, so über sie zu reden.“ „Moment Lars, da vergisst du aber, dass…“
Und so gingen die Jahre ins Land, und nichts kam dabei heraus.
Wir leben aber heutzutage in einer komplexen Welt.
Von der uns 99 Prozent im alltäglichen Leben egal sein kann. Ich kann mich immer nur um eine Sache gleichzeitig kümmern, und es reicht ein Minimum an Information, um gut durchs Leben zu kommen. Ich selbst bin leidenschaftlicher, planloser Leser, der sich gerne mit Fakten vollmüllt und sehr gerne argumentiert… und es hat mich im Leben nur behindert.
Ich brauche für mein Leben kein Wissen über das Leben der Seegurke in 4000 Metern Tiefe, außer es interessiert mich.
Fachchinesisch kann man nachlesen. Dann lernt man noch was.
Nennt man auch ausbremsen. In einem streng wissenschaftlichen Diskurs mag das noch alles Sinn ergeben, um eine gemeinsame Sprache zu finden und sich miteinander austauschen zu können. Die falsche Verwendung von wissenschaftlichen Begriffen macht eine Aussage allerdings noch lange nicht falsch. Sich an Ausdrucksform und Semantik (einer Person) zu orientieren, ist reiner Unsinn und Zeitverschwendung.
Zeitungsartikel führen zum Beispiel einen unendlich langen Diskurs. Sie greifen Äußerungen von vorherigen Artikeln auf, bauen Argumente, ergänzen alte und Tatsachen, bauen eine Struktur auf und äußern eine Interpretation dieser.
Und trotzdem kann ich mir durch Zeitungen keine eigene Meinung bilden. Und trotzdem kommen ellenlange Argumentationsketten hervor, die zwar toll aussehen, und dennoch Blödsinn wiedergeben.
Überhaupt: Das erinnert mich an die Sache mit der Jasminrevolution: Ich war jung und Spiegelleser. Alle Artikel fanden die Revolution toll. Dann kam einer, der eine andere Meinung vertrat. Auf einmal vertrat ich auch eine andere Meinung. Es war erschreckend festzustellen, wie „meine Meinung“ innerhalb von Sekunden durch eine simple Überschrift kippen konnte. Im Grunde wissen wir alle herzlich wenig, egal für wie „informiert“ und „gebildet“ wir uns halten.
Das Fuck-You sagt eben nicht alles, es sagt fast absolut nichts.
Doch. Es drückt a) eine Meinung aus, und b) sollte allgemein verständlich sein, welchen Hintergrund meine Aussage hat. Vor allem in einem fernsehkritischen Forum drückt „Sind wir hier bei RTL2? Fuck you, Lars!“ exakt alles aus, was dazu zu sagen ist. Ohne gleich Platon zitieren zu müssen.
Meine instinktive Reaktion ist: „Ach, daher weht also der Wind …“ Etwas sachlicher aber: "Wir wissen nicht, was Trump denkt. Er spielt erstmal damit nur eine Rolle, die am Ende mehr Lüge sein kann als die „fadenscheinigen Begründungen“ von Clinton, die mehr Ausdruck davon sind, dass die Welt eben sehr komplex ist. Clinton kann zumindest potentiell durch rationale Argumente auch besiegt werden. Bei Trump hat man jeden Anspruch darauf wohl aufgegeben.
Du hast schon recht und ich habe mich vielleicht falsch ausgedrückt. Was Trump denkt, wissen wir tatsächlich nicht. Immerhin weiß ich da aber, was ich wähle. Was ich davon halte, ist etwas anderes.
Clinton, Berufspolitiker, auch generell so ziemlich jeder da draußen wird dagegen wird so tun, als ob sie sich durch Argumente überzeugen lässt, und eigentlich doch aus anderen Motiven handelt. Klarheit bedeutet immerhin zu wissen, was man hat. Hinter vermeintlicher Komplexität verstecken sich auch so manche vermeintlich „rationale“ Menschen. Was nicht heißt, dass die simple Lösung richtig sein muss… aber wenn ich mich z.B. wirklich kompetent über Flüchtlinge informieren möchte, dann nützt mir der nächste polemisierende Hochjubelartikel einen Scheiß. Ein anderer mit Zahlen und Fakten geringfügig mehr, denn auch diese können selektiv und manipulativ rübergebracht werden. Der nächste Artikel von PI-News vielleicht ein wenig mehr, da teilweise mehr an reellen Erfahrungen orientiert, allerdings hochgradig selektiv, einseitig, ebenso meinungsbehaftet und polemisierend.
Um dagegen wirklich eine Ahnung zu haben, muss ich mich schon selbst in der Flüchtlingshilfe engagieren, Statistiken recherchieren, lange Zeit mit den Leuten verbringen.
Dann habe ich allerdings keineswegs Stoff für Argumente! Ich habe lediglich eine etwas andere Basis, um sogenannte „Argumentationen“ entwickeln zu können, auf deren Basis ich Menschen ummanipulieren kann, zu glauben, was ich sage. Damit kann ich Menschen überzeugen, ob ich Recht habe, ist eine ganz andere Sache.