@ Danzig: Über das Thema im Speziellen nicht, denn das würde zu weit ins Off-Topic driften. Aber solche Nachrichten sind es eben, die das Wasser auf den Mühlen der EU-Gegner darstellen. Und das Schlimme ist letztendlich, dass man dem gar nicht groß etwas entgegensetzen kann. Die Menschen bekommen eben immer öfter das Gefühl, dass die EU nicht für die Menschen, sondern für die Wirtschaft da ist. Und solange die Menschen immer nur vom wirtschaftlichen Aufschwung ihres Landes in einer Zeitung lesen, davon aber nichts in der Tasche spüren, wird sich daran auch nichts großartig ändern.
Wenn mich an dieser Debatte also eines ärgert, dann sind es Politiker wie unsere feinen Damen & Herren aus Berlin und Brüssel & Co., die durch das Einpreschen auf die schweizer Bevölkerung nur für noch mehr Unwohlsein in Deutschland und anderen EU-Ländern sorgen. Das Ganze scheint mir aus der Sicht der Bevölkerung der EU wie eine Art Neid-Debatte. Man selbst muss hilflos zusehen, wie die EU sich ein ums andere Mal in die Belange der Menschen einmischt oder Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg trifft und dann kommt da die Schweiz und haut mal ordentlich auf den Putz.
Die EU hat viele gute Ansätze, die Freizügigkeit gehört zum Beispiel dazu, die leider irgendwo in der Planung steckengeblieben sind. Ich selbst z.B. bin auch Nutznießer der Freizügigkeit, ich studiere und arbeite im EU-Ausland, nicht in der Schweiz, sondern in den Niederlanden. Aber wenn die einzige Motivation in ein anderes Land zu ziehen bloß noch das liebe Geld ist, dann stimmt da etwas nicht. Europa ist reich an Kulturen. Es gibt so viele gute Gründe sich für ein anderes Land zu entscheiden; Die Sprache, die Kultur, das Leben der Menschen dort. Aber all das geht in den aktuellen Diskussionen unter. Anscheinend ist man heutzutage nur noch dann ein guter Einwanderer, wenn man dem Land wirtschaftlich schon etwas zurückgegeben hat, noch bevor man überhaupt richtig angekommen ist. Die Idee der Freizügigkeit sollte fernab von jeden wirtschaftlichen Interessen stehen. Erst, wenn wirklich alle EU-Länder es schaffen den Nachwuchs im eigenen Land zu fördern oder den Menschen den finanziellen Anreiz des Wechselns ins Ausland zu nehmen, dann ist die Freizügigkeit ein Gewinn für alle Menschen und Länder.
Es heißt immer die Länder würden Fachkräfte dringend benötigen. Natürlich benötigen alle Länder gut ausgebildete Fachkräfte, aber wieso nimmt man hier nicht die heimische Wirtschaft oder das Bildungssystem in die Pflicht? Sondern schimpft lieber auf die Menschen, die von den Rechten Gebrauch machen, die die beste finanzielle Absicherung für sie bedeuten. Und nur weil ein Einwanderer für weniger Geld arbeiten (Wobei er so in vielen Fällen trotzdem noch mehr Geld zur Verfügung stehen hätte als zuvor) möchte (würde ist wohl eher das passende Wort) als ein langjähriger Mitarbeiter, heißt das ja noch lange nicht, dass die Unternehmen diesen dann einstellen müssen. Wer ist in dieser Hinsicht also “der Übeltäter”?
Fachkräfte wiederrum, die wir aus anderen Ländern abwerben, fehlen dort vor Ort, aber das scheint den ganzen Politikerheinos ja egal. Ist ja auch viel einfacher. Dann muss man wenigstens nicht in das eigene Bildungssystem investieren und kann mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Länder wie Spanien, Rumänien und Bulgarien zeigen, deren Entwicklung auf der Stelle bleibt. Wie eine gute wirtschaftliche Entwicklung ohne Fachkräfte möglich ist, das wissen dann wohl nur die Götter. Fakt ist, erst wenn Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Spanien Anreize für das Bleiben der Fachkräfte in diesen Ländern schaffen können, erst dann geht es mit diesen Ländern wieder bergauf. Das zeigt sich auf kommunaler Ebene im Übrigen auch bei der Ansiedlung von Industrie und Wirtschaft. Regionen die die Firmen mit finanziell interessanten Angeboten locken können, sind in der Regel ohnehin finanziell besser aufgestellt als Regionen die das nicht können und so beginnt er, der Teufelskreislauf. Wenn die EU für irgendwas gut sein sollte, dann für das Schaffen von fairen (Start-)Verhältnissen in allen Regionen (Ländern) und nicht für die Krümmung von Gurken oder EU-Standards bei Duschköpfen.
Und die Freizügigkeit? Die würden dann Menschen beanspruchen, die wegen oben genannter Gründe auswandern. Auch ich möchte später mal in ein anderes EU-Land auswandern. Sollte mir das irgendwann nicht mehr möglich sein, nur weil die Menschen aus Angst vor Mohammed und Vitali, die ihnen die “Arbeitsplätze wegnehmen und in die Sozialsysteme einwandern”, nicht mehr möglich sein, dann ist das ein Schritt in die völlig falsche Richtung.
So falsch viele Aspekte der zu früh eingeführten Freizügigkeit auch sein mögen, sie jetzt innerhalb der EU-Grenzen, wie es Populisten wie die AfD ins Spiel bringen, wieder zu beschränken, wäre ebenfalls ein Schritt in die falsche Richtung. Ein Rückschritt.
Nichtsdestotrotz. Die Schweiz ist kein EU-Mitglied, sie ist erwachsen und kann machen was sie für richtig hält. Wie die Politik das umsetzt und wie die EU darauf reagieren wird, das wird sich zeigen. Alles andere ist nichts weiter als bloße Kaffeesatzleserei.
Volksentscheide auf europäischer Ebene lehne ich aktuell noch ab, weil ich eben glaube, dass viele Menschen (mich natürlich eingeschlossen) einfach kein Gespür für das große Ganze, das hinter der EU steckt, haben. Was ich aber gerne sehen würde, wäre das Wahren von Interessen der Bevölkerung durch unsere Volksvertreter. Das “Nein!” zum Genmais-Anbau z.B., hätte niemanden sozial benachteiligt, außer vielleicht Pioneer Dupont, aber die können sich spätestens beim Inkrafttreten des Freihandelsabkommens sowieso in unsere Kühlschränke klagen.