Nun fühle ich mich auch genötigt, etwas zum Thema beizutragen.
Ich war selbst sehr lang in einem Call Center (gemessen an der Fluktuationsrate von CCAs (Call Center Agents)), allerdings nur Inbound (Anrufe entgegennehmen). Viele meiner Kollegen wurden aber mit der Zeit auch auf Outbound (Anrufe tätigen) „ausgebildet“.
Blaze hat schon sehr gut beschrieben, wie es generell jetzt abläuft bzw ablaufen sollte und früher wohl auch abgelaufen ist.
Die brennendste Frage dürfte wohl diese sein: Wer arbeitet freiwillig bei solch dubiosen Call Centern?
Früher waren es (zumindest in Österreich) Freiberufler, die sich etwas dazuverdienten, den Drang verspürten Menschen zu helfen oder einfach einen Job brauchten. Freiberufler sind erstmal nichts schlechtes. Lange Zeit gab es keinen rechtlichen Hintergrund, daß ein CCA angestellt sein muß.
Was sich, in meiner Anfangszeit, zuerst als sehr kompetente und erfolgsorientierte Gemeinschaft zeigte, wurde mit der Zeit immer mehr dem Lechzen nach Kapital verhaftet. Während ich noch eine (in Relation gesehen) umfangreiche Einschulung bekam, wurde später nur noch halb und teilweise falsch geschult.
Natürlich mit dem Gedanken, daß die „Neuen“ doch mehrere Aufgaben übernehmen können. Also Inbound UND Outbound. Allerdings nur mit EINER Telefonanlage.
Mit wachsenden Aufgaben, die das Call Center übernommen hat, sind zusätzlich dazu Arbeitsplätze aufgelöst worden. Das heißt, daß einige alle paar Minuten zwischen Inbound und Outbound wechseln mußten, was weder intelligent noch stimmungsfördernd war.
Wer also verkraftet diese Mischung aus Sklaverei und Sadomaso? Junge Leute. Jugendliche ohne Erfahrung. Jugendliche, die noch von der Schulzeit her im Hinterkopf haben, daß sie einfach machen, was man ihnen sagt.
Es wurde sogar so schlimm, daß Jugendliche vom Arbeitsamt vermittelt wurden, für die das CC selbst kaum etwas hinzuzahlen mußte! Zumindest bis zum Ablauf der 12 Monate, die sie „staatlich gefördert“ ins „Berufsleben eingegliedert“ wurden.
Gut, die Aufgaben, die das Call Center übernahm, waren seriös. Bestellungen, Information über Vertragsänderungen (bei Kunden, also Menschen, die tatsächlich Verträge hatten), Zeitschriftenaboverlängerungen etc.
Aber wie leicht kann man einen Telefonknecht ausnutzen? Das hört man doch im Video!
Der Typ im 3. Anruf hat nicht nur keinen Fernseher laufen, sondern sitzt garantiert in einem US-Standard Call Center (die Bauweise), da seine Kollegen deutlich zu hören sind. Und außerdem macht er auch noch den Fehler (oder vielleicht hatten die auch nur kein Headset für ihn übrig) das Gespräch auf laut zu stellen. Kein Wunder, wenn man ihn dann schwer versteht und umgekehrt.
Die Frau im 4. Anruf macht allerdings den Eindruck, als würde sie den Job wirklich ernst nehmen. Das heißt, sie hinterfragt nicht, warum sie sensible Daten erfassen muß, sie will ihre Arbeit gut machen.
Ich will damit nicht sagen, daß niemand weiß, daß er oder sie gutgläubige Menschen übers Ohr haut. Sie klingt, meiner Meinung nach, aber nach Ehrgeiz, nicht nach dem B-Wort.
Ein CCA „überlebt“ im Durchschnitt auch nur zwei bis drei Monate. Das ist das kalkulierte Risiko, eben die Fluktuationsrate. Theoretisch könnte ein Call Center die Schuld an Betrügereien auf diese Ex-Kollegen abschieben, die nun aber nicht mehr in der Firma arbeiten. (Kommt der Spruch jemandem bekannt vor? g)
Das „Safe Word“ (ja, ist SM-Jargon, Entschuldigung dafür) aus Anruf 6 und 7 ist jedenfalls keine gängige Methode der Verifikation.
Die Aufzeichnungen sind es allerdings ZUMINDEST mal gewesen. Sie dienten in dem Fall der Absicherung, daß die zB Bestellung ernst gemeint ist.
Und zum niederfrequenten Rauschen: Die Telefonanlagen sind oft mehrere Jahre alt und werden nur getauscht, wenn sie absolut unbrauchbar sind. Trotz (teurer) Headsets unterscheidet sich die Voiceübertragung nicht von der normaler Telefone. Die Mikrofone haben nun mal keine Nieren- oder Hypernierencharakteristik, sondern sind bidirektional (Achtercharakteristik). Das sichert, daß man alles hören kann, so auch die Kollegen im Hintergrund oder die Freundin, die auch kurz „Hallo“ ruft.
Natürlich könnte man am Rauschen Manipulationen erkennen. Ich bezweifle jedoch, daß die Justiz über Tontechniker verfügt, die das auch per Expertise belegen dürfen.