Diskussion über den Blog-Artikel: Diese Zwei sind nicht zu fassen
Immer wieder liest man in bürgerlichen Feuilletons von “Ekel TV”. Dabei wird der Begriff zumeist falsch verwendet. Was im Dschungelcamp und anderswo vonstatten geht, ist geradezu appetitlich im Vergleich zu dem, was man jeden Tag von früh bis spät auf einem selbsternannten Lebensberatungssender für asoziale Widerwärtigkeiten zu sehen bekommt.
Astro live (AstroTV; täglich 08:00 - 03:00 Uhr)
Bei AstroTV dürfen Leute (ich sträube mich dagegen, an dieser Stelle “Menschen” zu schreiben) vor die Kamera, bei denen man sich fragt ob im Neanderthal-Museum ein paar Exponate fehlen.
Mein absoluter Liebling ist ein blonder Wonneproppen namens Hilli Hotan. Hilli ist nicht nur ein fleischgewordener Männertraum, sie verfügt auch über sensationelle Talente. So ist es ihr möglich allein anhand der Festnetzvorwahl in der Rufnummernübermittlung den Anrufern mitzuteilen, in welcher Stadt sie wohnen. Ist das nicht phantastisch? Dabei spricht Gundel Gaukelei aber niemals plump den Namen der Stadt aus. In Hillisprech wohnt niemand schnöde in Hamburg. Nein, nein! Die Menschen leben “in einer norddeutschen Großstadt, wo Wasser in der Nähe ist.”
Als sei das nicht schon eine übersinnliche Fähigkeit, die ihresgleichen sucht, vermag es die Humbughexe sogar, dass sich in jedem Fall das Leben der Anrufer, die naiv genug waren, sie anzurufen, zum Besten wendet. Ohne Lottogewinn geht hier niemand nach Hause. Dabei kann man die beackerten Themenfelder in drei Kategorien einteilen:
- Frauen in den sogenannten “besten Jahren”, also leicht angewelkte, die auf dem Heiratsmarkt nur mehr schwer vermittelbar sind und denen das Elitepartner-Abo gekündigt wurde, die aber dringend einen Mann brauchen. Und zwar ein bisschen zackig, wenn man bitten darf.
Hier weiß Hilli Rat. Vollkommen egal, wen sie da gerade an der Strippe hat, die Tante bekommt todsicher einen reichen Kerl, in der Regel einen Arzt, der am Wasser wohnt. Wahlweise kann es auch der Vorstandsvorsitzende eines DAX-Konzerns sein, oder wie Hilli sagt “ein hohes Tier”. Nun gut, in dem Fall zieht die Dame dann wohl mit einer Giraffe zusammen. Hauptsache, die hat ordentlich Knete!
- Besorgte Muttis oder Omis, die sich um die schulische Laufbahn ihrer Nachkommen sorgen, weil die nämlich nach der dritten Ehrenrunde drohen von der Hauptschule zu fliegen.
Macht nix! Das geht vorbei, weiß Hilli. Das Balg wird garantiert studieren, Nobelpreisträger werden und ein Mittel gegen Krebs entwickeln. Mindestens. Ein wirksames Mittel gegen den Mumpitz hier wäre mir zwar lieber, aber mich fragt ja niemand.
- Senioren, bei denen das Krematorium schon mal den Ofen vorheizt und die Erbschleicher im Garten zelten. Die wollen dann wissen, wann sie in die Grube fahren.
Auch in diesem Fall, man ahnt es bereits, wird alles töfte. Die älteren Herrschaften erreichen samt und sonders frohgemut und pumperlgsund wie der Mops im Bohnenstroh ein biblisches Alter. Dabei bleiben sie dank Galama und Naturjod S11-Körnchen topfit und gleiten mit 153 Jahren beim Möhrchen schälen sanft vom Schemel. Ins Heim muss freilich niemand. (Hillisprech: “Du bleibst da wohnen, wo Du bist”)
Da diese grässliche Frau pausenlos dasselbe Garn spinnt, müsste eigentlich jedem nach Betrachten einer halben Stunde klar geworden sein, wie hier der Hase läuft. Trotzdem finden sich immer wieder genug Leichtgläubige, die auf sie hereinfallen. Wie leider auch bei all ihren Kollegen.
Heute Mittag zum Beispiel ist Kneipenphilosophin Michaela Gellisch die diensthabende Hexe, die ihr Teufelswerk an den Theken des Ruhrgebiets gelernt hat. Die Einblendung verheißt ein “SPEZIAL: Frage, Highlight, Aufgabe, Warnung, Krafttier”. Was hat man sich denn darunter vorzustellen? Mit “Krafttier” kann eigentlich nur der Muskelkater gemeint sein, denn man unweigerlich nach 50 vergeblichen Einwahlversuchen (zu je 50 Cent) bekommt.
Die erste Anruferin soll sich einen Granat zulegen, denn “existenzielle Wege” werden eröffnet. Aha! Was die Frau jetzt mit der nebulösen Auskunft anfängt, wird nicht erklärt. Ein bisschen mitdenken müssen die Leute schon. Und den Granat gibt es bestimmt für supergünstige 200 Euro im Astro TV-Shop zu erwerben.
Dabei ist Zirkuspferd Michaela weiß Gott kein One Trick Pony, Jetzt gibt das Textlaufband richtig Gas. Außer Krafttieren darf man auch nach dem Sternzeichen des Traumpartners fragen, oder auch was der Partner denkt. Das ist nicht schwer. Die Frage beantworte ich: "Die Alte ruft schon wieder bei den Abzockern an. Ich lass mich scheiden!"
Außerdem gibt es Hinweise zu “der Farbe des Kinderzimmers”. Das bedeutet, ob das nächste Kind ein Junge (blau) oder ein Mädchen (rosa) wird. Solche Auskünfte sind der verwitterten Eso-Else zwar nicht erlaubt, aber was soll’s? Lügen ist ja auch nicht erlaubt.
Eine Österreicherin will eine Warnung haben. Frau Gellisch kann zwar nix erkennen, aber ich habe eine Warnung an die Dame: Es droht eine sehr schlechte Botschaft, wenn die Telefonrechnung kommt.
Eine andere, Christina möchte wissen, wie sich ihre finanzielle Lage entwickelt. Die geistige Welt und ich sind diesmal einer Meinung. Christinas angespannte Lage wird andauern. Für weitere Details sollte sie unbedingt später auf der Hotline anrufen, die € 2,99 pro Minute kostet, damit man das in aller Ruhe besprechen kann.
Es ist mir unbegreiflich, aber trotz der halbgaren Weissagungen von Mama Orakuli, brennt der Baum. Pausenlos werden die zu 90 Prozent weiblichen Anrufer ins Studio gestellt und ebenso schnell abgefrühstückt.
Nach einer knappen Stunde bin ich bedient. Das hält man ja im Kopf nicht aus! Madeleine soll sich einen Aquamarin kaufen, damit ihr drittes Auge aufgeht. So, so! Vielen Dank für die wertvolle Information! Ich persönlich erwerbe jetzt lieber eine Flasche Aquavit und mache mir die Lampe zu. Anders ist dieser Mist wahrlich nicht zu ertragen.
Die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg stuft Astro TV übrigens als Gewinnspielsender ein. Und das ist konsequent, denn ähnlich wie beim abgewrackten Money Express ist der einzige Gewinner dieser Veranstaltung der Anbieter. Die Zuschauer, die mit ihrem Geld den Laden am Laufen halten, haben - um im Jargon zu bleiben - im Lenormandtarot die Arschkarte gezogen.
Bis die Tage!