Diskussion über den Blog-Artikel: Dichtung und Wahrheit
Es hilft ja nichts. Da müssen wir jetzt gemeinsam durch. Deshalb also nun der obligatorische Lanz-Beitrag
Wetten, dass… - Der Countdown und Wetten, dass …? (ZDF; 06.10.; 19:25 - 23:27 Uhr)
50 Minuten bevor Lanz in die Bütt steigt, wird er im Countdown zur Show von der hageren Moderationsmaus Yvonne Ransbach gebauchpinselt, dass sich die Balken biegen. “Markus sieht nicht nur blendend aus” verkündet sie mit gurrendem Tremolo, er verfügt auch über alle erdenklichen positiven Eigenschaften, die man sich nur vorstellen kann: Uneitel sei er, bescheiden, intelligent, polyglott, sportlich, er kann Klavier spielen und photographieren, er kann mit zwei Fischen und fünf Broten den Welthunger besiegen (“Lanz kocht”), kennt Armut aus eigener Erfahrung und hat sogar einen kleinen Makel: Er kann nicht Fußball spielen.
Das Ding mit dem fehlenden Fußballtalent werden wir alle fünf Minuten hören, wohlwissend, dass es sich hierbei mitnichten um einen Makel handelt. Die Zielgruppe für Lanzens Geschwafel, die Frauengeneration Fünfzig plus, kann mit diesem schmuddeligen Proletensport in der Regel sowieso nichts anfangen. Da macht man sich doch nur die Frisur kaputt.
Frau Ransbach tut als Teleprompterableserin in einem Boulevardmagazin normalerweise am ZDF-Vorabend Dinge, die Lanz vor 20 Jahren bei RTL gemacht hat. Was im Umkehrschluss nicht bedeuten soll, dass sie 2032 das tun wird, was Lanz heute macht.
Damit sich das Gesäusel eines verknallten Teenies nicht so anhört als handele es sich um das Gesäusel eines verknallten Teenies, hat sich Yvonne die Lanz-Buddies Joey Kelly und Horst Lichter zu Hilfe geholt, die ebenfalls ordentlich Süßholz raspeln. Und wenn Lichter dann etwas Negatives über den Markus sagen soll, dann kommt doch nur eine weitere Arschkriecherei hinzu. Lanz sei unpünktlich, weil er sich auf dem Weg zu Terminen immer mit den Menschen verplaudere.
Und weil ein kreischendes Mädchen nicht reicht, hat das ZDF als Außenreporterin eine sehr blonde Frau in einer sehr lila Strickjacke nach Südtirol geschickt, um dort alte Weggefährten vom Lanz zum Abfeiern seiner Großartigkeit zu nötigen und sich in seiner alten Klosterschule mit feuchten Augen in sein altes Bettchen zu legen, in der Hoffnung, dass ein wenig Lanzschweiß aus dem Holz dünstet.
Am Ende des Countdowns waten Yvonne, Horst und Joey knietief in Schleim und Sülze, bevor es endlich mit der Show losgeht
Kaum steht der Neue in der Düsseldorfer Halle merkt man, was er alles nicht kann. Mit der Bescheidenheit scheint es jedenfalls nicht so weit her zu sein. In den ersten paar Minuten schmiert er den Zuschauern auf die Stulle, dass er schon am Nord- wie Südpol war, und wenn man seinen schalen Anekdoten Glauben schenkt, auch überall dazwischen.
Dabei klingen die lahmen Scherze über Polizeikontrollen in Tirol und Parkhäuser in Usbekistan so, als hätte man die alle schon vor 20 Jahren von Karl Moik gehört. Oder vor fünfzig Jahren von Peter Frankenfeld.
Für manche Unzulänglichkeit im Konzept kann Lanz freilich nichts. Dass man die Wettkandidaten nun schon zu Beginn der Show in die Halle holt, begleitet von ihren prominenten Paten ist nett, aber auch entlarvend, wenn die Normalos nach kurzem Auftrittsapplaus am Katzentisch geparkt werden, während vorne die übliche Lanz-Talkshow nach Schema F läuft.
Womit wir beim zweiten Problem des Markus Lanz wären. Ich würde es gerne auf Nervosität in der ersten Sendung zurückführen, aber dafür habe ich zu oft seine reguläre Sendung gesehen. Lockerheit ist seine Sache nicht. Er stellt seinem Gast eine Frage, befindet die Antwort mit einem knappen “Aah, ja!” und wendet sich dem Nächsten zu. Von jemandem, der so etwas dreimal die Woche üben kann, sollte man ein wenig mehr erwarten dürfen.
Da muss man als Zuschauer dankbar sein, dass wenigstens die Gäste überwiegend zu gefallen wussten. Karl Lagerfeld hatte offenkundig wenig Lust auf Lanzens Fragen und bügelte ihn mit einsilbigen Repliken weg. Und jedesmal, wenn er gefragt wurde, ob der Kandidat die Wette schaffen wird, erwiderte er: “Wenn er’s nicht könnte, wäre er nicht hier. Ich gehe davon aus, er hat das vorher geprobt.”
Recht schäbig auch der Gesprächsversuch mit Landesglucke Kraft, die der Markus erst nach Sigmar Gabriels verhinderter Kanzlerkandidatur fragt, um sie dann bei der Antwort zu rüffeln, man wolle doch hier nicht politisch werden.
Als dann auch noch Wotan Wilke Möhring die Moderation der Hundehaarwette an sich riss, wurde es sehr bitter für Lanz. Der Schauspieler sorgte zum ersten Mal an diesem Abend für gute Stimmung im Saal und derjenige, der eigentlich dafür vorgesehen war stand daneben, wie der verbiesterte Oberschiedsrichter vom Großen Preis, Dr. Eberhard Gläser, weil er auf strenge Einhaltung der internationalen Hundehaar-Ertast-Regeln pochte, statt ruhig mal Fünfe gerade sein zu lassen.
Es sollte nicht der einzige Moment sein, in dem Lanz sehr pedantisch wirkte. Bei seinem bemühten Schlag den Raab-Ableger durfte zwar der armschwache Puddingkönig, der nach anderthalb Liegestütze mit Bierkasten-Rucksack reif fürs Sauerstoffzelt war, durch einen Muckimann ersetzt werden. Leider war der Muskelprotz dann nur ausführendes Organ, der für seinen selbstlosen Einsatz mit einem feuchten Händedruck abgespeist wurde, während sein Kollege mit dem Traumschiff nach Texel fährt.
Bei Thommy hätte es das nicht gegeben! Ich bin mir ziemlich sicher, dass Gottschalk dem starken Kerl ebenfalls spontan eine Reise spendiert hätte, ganz gleich, wie das ZDF die bezahlt. Soll man halt das Budget bei Logo oder Aspekte kürzen, oder einer anderen Sendung mit wenig Zuschauern.
Der Rest der Show rumpelte ereignisarm vor sich hin. Ein naseweises Kind gemahnte daran, immer an die Verhütung zu denken, Panda-Cro fragte auf seinem T-Shirt was sich auf Lanz reimt - weiß nicht! Penetranz? Arroganz? Popanz? Firlefanz? - und aus dem Switch-Team hatte man sich Michael Kessler im Günther Jauch-Kostüm als Reporter für die Außenwette kommen lassen. Lustiger wäre es gewesen, hätte da Max Giermann als Markus Lanz gestanden, oder, wenn es unbedingt der gute Kessler sein muss, dann doch lieber als Stromberg-Hitler. Na ja, vielleicht beim nächsten Mal!
Dass nicht alles rund läuft in einer gut dreistündigen Livesendung - geschenkt! Kleine Unkonzentriertheiten sind über einen solch langen Verlauf normal. Dennoch bleibt die Frage, ob man mit einer derart zerfahrenen Show dauerhaft die avisierten sieben Millionen Zuschauer anlocken kann. Die neugierbedingten 13,6 Millionen von gestern sind jedenfalls kein Maßstab.
Wer die Show gestern nicht gesehen hat, hat nur ein echtes Highlight verpasst: Die Demaskierung des Andreas Frege. Der Mann, der vor 30 Jahren in die Welt zog, ein kleiner Punk zu sein, schlug mit seiner Band sehr schnell den Weg ein, die Musik AG der Juso-Sektion Düsseldorf zu werden. Und seit gestern hat er es offiziell geschafft! Da saß er in trauter Zweisamkeit mit Hannelore Kraft, die in professioneller Politikerattitüde, weil sie weiß, dass das beim Wähler gut ankommt, leutselig kundtat, sie liebe “Tage wie diese” und hätte das Lied gerne mit Campino zusammen gesungen.
Was kann es für einen Punk für ein schöneres Kompliment geben, als eine SPD-Tante aus Mülheim/Ruhr, die ihn für seine Arbeit lobt? Mit Südkurvenhymne und Spießerumarmung sind die Toten Hosen endgültig im selben Milieu angekommen wie ihre rheinischen Gesinnungsgenossen de Höhner. Herzlichen Glückwunsch!
Markus Lanz besteigt bis zur nächsten Show in vier Wochen noch schnell alle Achttausender ohne Haargel und beendet den Bürgerkrieg in Syrien. Er wird uns dann bestimmt in einer launigen Anekdote davon berichten.
Bis die Tage!