Der Lesethread

So, Graveyard Book #1 ausgelesen.

Schön gestaltet, nett gemacht, mehr gibt’s für mich nicht her.
Weder vermittelt es irgendeine Moral, noch taugt es mir als Coming of Age etwas, denn normale Leute wachsen nun mal nicht auf einem Friedhof auf.
Und für Fantasy war’s mir dann einfach nicht interessant genug.

Jetzt:

[I]I sense the boy the moment he sets foot in the cave.

For the first time in centuries, I stir.

I am smoke in the lamp, and I curl and stretch, shaking off the lethargy of five hundred years.[/I]

Young Adult Fantasy Re-Tellings von Märchen sind ja zur Zeit total im Trend. Das hier ist offensichtlich eins von Aladdin und der Jin in der Flasche hat ne weibliche Form.

Ich lese im Moment wiedermal die Bücher von Jürgen Sprenzinger.
Der Mann ist sowas wie ein Pre-Internettroll und hat verschiedensten Firmen idotische Briefe geschrieben (“Sehr geehrte Frau Johnson, Sehr geehrter Herr Johnson, ich hätte da eine Männerslipeinlage erfunden.”)
Grundsätzlich ist das sehr lustig, aber auch nur dann, wenn er überhaupt Antworten von den jeweiligen Firmen bekommen hat bzw. welche, die nicht aus Textbausteinen bestehen.
Besonders die späteren Bücher kranken daran, dass viele Firmen Sprenzinger schon kennen und ihm hauptsächlich Antworten á la “Wir wünschen ihnen viel Glück bei der Promotion für ihr Buch” senden. Wirklich unterhaltsam sind daher nur kleine Teile der Bücher. Ist aber auf jeden Fall was Nettes für zwischendurch und teilweise sehr spaßig. Gebraucht kriegt man die Bücher für zwei, drei Euro, da macht man nicht viel falsch.

Außerdem von Stephen Fry - “Geschichte machen”.
Ja ok, das war eine der schlimmsten Leseerfahrungen, die ich je gemacht habe. Und das, obwohl ich es sehr bald weggelegt habe. Die Prämisse, dass ein Wissenschaftler zurück in die Zeit reist, um Hitler zu töten, hat mir gut gefallen, aber Frys Schreibstil ist sowas von unerträglich, arrogant und prätentios… ich kann es nicht mal genau festhalten, aber es war schrecklich. Nie, nie wieder will ich das Buch anrühren.

Ach, [I]Sehr geehrter Herr Maggi[/I] hab ich hier sogar noch irgendwo liegen. Ich glaub, ich hab’s bisher nicht angerührt, weil’s halt doch schon so alt ist.

[B]Thomas Willmann - Das finstere Tal [/B]

Als die Gemeinde sich durch ihre Choräle schleppte, fiel es Greider zum ersten Mal auf: Es gab keine Musik hier oben im Tal. Noch nie hatte er außerhalb der Messe jemanden singen gehört, und nirgends, nicht einmal als Begleitung hier in der Kirche, hatte er je ein Instrument erblickt. Er fragte sich insgeheim, ob wenigstens nachher bei der Feier im Wirtshaus zum Tanz aufgespielt werden würde. Und es schien ihm so, dass nichts die Menschen und die Stimmung in diesem Tal so gut zusammenfasste wie diese Musiklosigkeit – diese Weigerung mit der Stimme etwas anderes zu tun als sprechen, und das selten genug, die Weigerung, mit dem Körper etwas anderes zu verrichten als Arbeit und das eigene Gehör sowie die Welt um sich zu füllen mit etwas anderem als den Klängen und Geräuschen des Naturgegebenen und Zweckdienlichen. Es war in tiefster Hinsicht ein Leben ohne Musik.

Auch neben der akustischen Kargheit, Kälte und Niedergeschlagenheit ist das Hochtal beziehungsweise das Leben dort eher das Herz der Finsternis als Alpenromantik.

Habe heute den Punisher-Run von Jason Aaron fertiggelesen (gezeichnet von Chuck Dillon, erschienen in vier Bänden, soweit ich weiß keine deutsche Übersetzung vorhanden).

Ähnlich wie bei Daredevils “End of Days” geht es hier um die letzten Tage und den Tod von Frank Castle alias dem Punisher, einem Vietnamveteranen, der das Verbrechen bekämpft und auch vor Folter und Mord nicht zurückschreckt. Die Handlung spielt in der Gegenwart, Castle ist Mitte sechzig und psychisch und physisch in einer eher suboptimalen Verfassung. Ganz New York befindet sich im Besitz des Kingpin, den man auch aus den Spiderman- und Daredevilcomics kennt. Als ultimativen Machtbeweis - und weil Castle ihm seine Geschäfte verpfuscht - setzt dieser den absolut psychopathischen Auftragskiller Bullseye auf den Punisher an, der sich auf eine unglaublich kranke Art in Frank Castles Geist versetzt und dabei hinter sein dunkelstes Geheimnis kommt.

Selten hat mich ein Comic so angewidert und zur gleichen Zeit begeistert. Die Gewalt ist mehr als extrem, es wird in jedem Kapitel jemand vergewaltigt oder auf die schlimmsten erdenklichen Arten gefoltert. Weder Dillon noch Aaron haben sich zurückgehalten, andauernd spritzen irgendwelche Augäpfel durch die Gegend, und die wirklich bösen Dinge werden nur angedeutet und nicht gezeichnet, was es irgendwie noch schlimmer macht. Trotzdem ist das Ding extrem gut geschrieben, die Handlungsstränge werden sehr intelligent aufgebaut und miteinander verwoben, die Charaktere sind hervorragend geschrieben und keine Schießbudenfiguren, sondern Menschen mit Motiven und psychologischer Tiefe. Insbesondere Bullseye wurde noch nie so faszinierend geschrieben und gezeichnet:

[SPOILER]

[/SPOILER]

Jedem, der gern Comics liest und mit sehr, sehr, sehr harten Gewaltdarstellungen sowohl physischer als auch psychischer Natur klarkommt, kann ich die vier Bände wirklich ans Herz legen. Mit der üblichen Marvelkacke, wie man sie im Cinematic Universe mitkriegt, hat das nichts mehr zu tun.

Gegen die Original Fassungen von " Das lied von Eis und Feuer" ist die Serie um das Spiel der Throne auch Kinder Geburstag^^
Sex an sich kommt tatsächlich seltener vor, aber alles andere mehr!
Besonders Infectionen und andere Wunden, werden so schön ausführlich beschrieben.
Oder die Schlacht am Schwarzwasser!
Wo er teilweiße beschreibt wie den Soldaten die Körperteile wegschmelzen.
In der Sendung war diese szene ein Witz.
In den Büchern war das reinster Splätter!

Ich verstehe auch nicht, warum sie in der Sendung Wunden einfach ignorieren.
Tirion fehlt die Nase und eine Narbe durchzieht sein ganzes gesicht. ( das wird in der Sendung ignoriert)
Mychela verliert ihr Ohr und bekommt das halbe Gesicht weggerissen von einen attentat versuch auf sie ( allerdings stirbt sie nicht)
Ich weiß nicht ob es an den Schauspielern liegt, aber sie ignorieren Endstellungen, die eigentlich ein wichtige rolle in gesammt Bild der Story spielen.

Ich wurde im Smalltalk-Thread gebeten, doch einige Comicempfehlungen für Einsteiger abzugeben. Es freut mich immer sehr, wenn Neulinge sich an dieses Medium heranwagen. Ich habe im anderen Thread schon erwähnt, dass ich eine besonders enge und nostalgische Bindung zu Comics habe, weil ich mit einer recht umfangreichen Comicsammlung aufgewachsen bin und im Endeffekt damit lesen gelernt habe. Trotzdem finde ich Comics als Medium an sich auch objektiv gesehen sehr interessant: Man hat im Grunde eine Verbindung von Literatur und bildnerischen Medien, diese Kombination ermöglicht viele Variationen und Experimente ästhetischer und narrativer Art, auf die ich in der folgenden Textwand eingehen werde.
Comics sind näher am Film als an der Literatur, da einem vorgegeben wird, was man zu sehen hat, aber nicht so starr wie ein Film, da der Leser sich sein eigenes Tempo aussuchen und bei interessanten Szenen verharren kann.

Am Anfang nur kurz zur Differenzierung: Im Smalltalk-Thread hat Deepy sich von westlichen Comics an sich distanziert, da ihm die Rollenverteilung von Gut und Böse zu simpel ist, sikev hat das gleiche über Superheldencomics behauptet. Das ist natürlich Quatsch, gerade in letzteren wurde moralisch sehr viel Fundament aufgelöst, und wer beispielsweise den „Dark Knight“ von Frank Miller liest, wird sich bei der Beurteilung, welcher Charakter nun gut und welcher böse ist, sehr, sehr schwer tun. Abgesehen davon haben amerikanische und europäische Comics überhaupt nichts gemeinsam und können kaum in einem Topf geworfen werden. In den Nachkriegsjahren haben sich auch auf dem Comic-Markt zwei harte Fronten herausgebildet: Während in Europa „Funnies“ á la Lucky Luke, Donald Duck & Co. florierten, war der US-Markt schon sehr bald auf Action fokussiert (obwohl die Funnies hier natürlich geboren wurden, siehe Carl Barks). So etwas wie Micky-Maus-Hefte oder Asterix gibt es in den USA nicht, gleichzeitig wird man im frankobelgischen Raum keine selbstproduzierten Superheldenserien finden (obwohl Superman & Co. sich in Frankreich sehr gut verkaufen).

Ich persönlich bin mit frankobelgischen Comics aus den 70ern groß geworden und habe diesbezüglich sehr schöne Kindheitserinnerungen. Besonders empfehlen kann ich Andre Franquin, der mir mit Gaston und Spirou & Fantasio viele enorm lustige Stunden bereitet hat. Diese Serie, die zu den ganz großen europäischen Comicwerken gehört, wurde später durch verschiedene Autoren übernommen, von denen ich teilweise nur abraten kann (insbesondere Fournier halte ich für einen reinen Erbschleicher). Erst Tome & Janry haben der Serie neuen Wind verliehen, auch, weil sie sich erstmals so richtig an einem erwachsenen Publikum orientiert haben und ihr Spirou von makabren Witzen nur so wimmelt.
Zum Einsteigen empfohlen: „[B]Abenteuer in New York[/B]“, „[B]Mafia, Mädchen und Moneten[/B]“, „[B]QRN ruft Bretzelburg[/B]“ sowie „[B]Marilyn ist nicht zu stoppen[/B]“.

Eine ganz besondere Empfehlung betrifft „[B]Spirou – Porträt eines Helden als junger Tor[/B]“ von Emile Bravo. Es handelt sich um einen Sonderband, eine Art Reboot während der politischen Spannungen der 30er Jahre. Besonders die Zeichnungen sind hier supersüß (und kontrastieren damit die sehr dramatische und traurige Handlung) und sehr flüssig aufgebaut. Während des Lesens hat man aufgrund des Storyboard-artigen Zeichenstils permanent das Gefühl, eigentlich einen Film zu schauen, was nicht viele Comics schaffen.

Wer eher auf Abenteuercomics steht, ist mit Yoko Tsuno gut beraten. Die Serie dreht sich um eine japanische Computerspezialistin, die auf der ganzen Welt (und auch darüber hinaus) Rätsel verschiedenster Art löst. Hier kann ich die deutschen Sammelbände empfehlen, die zwar relativ teuer sind, aber enorm interessante Hintergrundinformationen enthalten. Die Comics haben einen interessanten Sight-Seeing-Charakter, Autor und Zeichner Roger Leloup hat für die Recherche zu seinen Alben verschiedenste Orte bereist und die Szenerie in seinen Heften sprichwörtlich bis auf jeden Dachgiebel (kein Scherz) akribisch eingefangen.
Für Einsteiger würde ich den Sammelband „[B]Yoko Tsuno - Die deutschen Abenteuer[/B]“ empfehlen, die an verschiedenen Orten in Deutschland spielen und in ein eher realistisches Setting eingebettet sind. Die Science-Fiction-Geschichten waren mir teilweise zu abgespacet. Wer auf sowas steht, kann aber vermutlich mit „Sillage“ etwas anfangen, leider habe ich aber nicht mehr genug von der Handlung im Kopf, um auf diese Serie genauer einzugehen - Ich weiß bloß noch, dass sie mir sehr gut gefallen hat.

Ein sehr merkwürdiger frankobelgischer Comic sind die „Haarsträubenden Abenteuer von Herrn Hase“. Besonders haarsträubend sind sie tatsächlich eher nicht, es geht vorrangig um die Alltagsabenteuer einiger Mittzwanziger mit Tierköpfen, die besonders durch ihre Banalität sehr surreal wirken. Wer auf enorm viel schwarzen Humor, unaufgeregte Handlungsstränge und das vollkommene Fehlen von Action fehlt, kommt hier voll auf seine Kosten. (Seit Herr Hase im letzten Band gestorben ist, geht die Serie übrigens als „Die erstaunlichen Abenteuer ohne Herrn Hase weiter).
mMn bester Band: “[B]Wie das Leben so spielt[/B]”

Bei den amerikanischen Comics würde ich erst einmal empfehlen, sich mit den drei Autoren zu beschäftigen, die das Genre der Superheldencomics für mich und viele andere in ihren Grundfesten erschüttert haben – als erstes natürlich Der Spirit von Will Eisner. Der Spirit ist im Grunde ein von den Toten auferstandener Detektiv im Stil von Radio-Trashhelden wie dem Shadow, aber interessanter als die Handlung sind hier die Zeichnungen (nicht umsonst ist der Eisner-Award inzwischen die höchste Auszeichnung in der Comickunst). Eisner hat die starren Grenzen der Panels aufgesprengt, mal bildet eine Seite den Querschnitt eines Hauses ab – mit jedem Panel als Zimmer, mal sind sie wie ein Kinderbuch angeordnet, mal gehen sie flüssig ineinander über usw.
Heute sind zumindest in den USA Comics mit klar definierten Panels kaum noch denkbar, zu verdanken haben wir das Eisner.
Eine gute Empfehlung für Einsteiger ist der Sammelband “[B]Spirit - Die besten Geschichten[/B]”.

Alan Moore war dann der Autor, der Comics erzählerisch auf ein so hohes Niveau gehievt hat, dass auch Literaturkritiker sich erstmals damit befassten. In „[B]Watchmen[/B]“ dekonstruiert er das Image des Superhelden und des amerikanischen Traums an sich, die Zeichnungen von Dave Gibbons folgen ganz bewusst einer starren prä-Eisner-Struktur und beinhalten Unmengen an Symbolen und Leitmotiven, deren Suche enorm viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Dass „Watchmen“ Comics an sich so viele neue erzählerische Ebenen geöffnet hat, ist übrigens auch der Grund, warum viele Comicfans auf die Verfilmung von Zack Snyder allergisch reagieren. Watchmen zu verfilmen bedeutet, den Stoff auf seine Handlung zu reduzieren und dieses Werk nicht als das zu sehen, was es verdammt noch mal ist, sein will und sein muss – Ein Comic. Das hat dann irgendwann total absurde Formen angenommen, als ein Motion Comic produziert wurde, d.h. die einzelnen, starren Panels wurden als eine Art Zeichentrickfilm für Arme hintereinandergezeigt, während ein Erzähler die Sprechblasen vorlas… ughh.

Die dritte große stilprägende Arbeit war natürlich „[B]Batman – The Return of the Dark Knight[/B]“, aber darauf will ich jetzt gar nicht gesondert eingehen. Viele lieben es, viele finden es scheiße, auf jeden Fall war es prägend für diese „gritty“ Atmosphäre, die sich auch heute noch durch Batman-Comics zieht, und v.a. erlaubte es erstmals die Interpretation, dass Batman eigentlich kein Held, sondern ein halbwahnsinniger Psycho mit kaputten Idealen und Machiavelli-Einstellung ist (das hat Grant Morrison in seiner gestörten Batman-R.I.P.-Saga dann bis zum Exzess ausgeschlachtet).

Interessanter finde ich ein anderes Werk von Frank Miller, und zwar seine Interpretation von Daredevil. Daredevil war nie der coolste Superheld, sondern eher eine Art Spidey-Klon in blind und ohne Netz, immer mit einem blöden Spruch auf den Lippen und kaum interessanten Handlungssträngen. Das änderte sich, als Miller nicht nur die Zeichnungen, sondern auch den Plot übernahm und sich das ganze zu einer emotionalen Achterbahnfahrt entwickelte, in der irgendwann nicht mehr Daredevil, sondern Matt Murdock (die Person hinter der Maske) im Vordergrund stand. Ich empfehle besonders „[B]Daredevil vs. Bullseye[/B]“ (eine Zusammenstellung auch mit prä-Miller-Comics, die aber dennoch sehr gelunden ist) sowie „[B]Daredevil - Offenbarung[/B]“, dem Abschluss von Millers Saga, in dem Murdock durch den Gangsterboss Kingpin emotional und psychisch gebrochen wird. Direkt im Anschluss am besten „[B]Daredevil - In den Armen des Teufels[/B]“ von Kevin Smith (ja, dem Filmregisseur) lesen, der verschiedene religiöse, moralische und spirituelle Subtexte enthält und in dem ein wichtiger Charakter in Murdocks Leben sterben muss (dauerhaft, was in Comics ja nicht allzu oft vorkommt).

Hier noch einige gute Elseworldsstories (nur kurz angerissen):
[B]The Doom that Came to Gotham[/B] von Mike Mignola (Hellboy) – Eine der besten Batmangeschichten aller Zeiten. Spielt im viktorianischen Zeitalter und beinhaltet sehr viele Lovecraft-Elemente. Die Story ist sehr komplex, verschachtelt und intelligent aufgebaut, ich musste oft zurückblättern, um den Durchblick zu behalten. Ein Comic, für den man sich wirklich Zeit nehmen muss und nichts zum mal nebenbei durchblättern – am besten mit einer Tasse Tee und Kuscheldecke in einem Rutsch lesen. Die Zeichnungen sind an den Expressionismus angelehnt und verleihen der Story eine sehr düstere, trockene Atmosphäre, die kreative Reinterpretationen von Charakteren wie Green Arrow oder Two-Face hat mich sehr überzeugt.
[B]Marvel 1602[/B] – Wie hätten die klassischen Marvelcharaktere vor 400 Jahren ausgesehen? Sehr interessante Idee, gut umgesetzt von Starautor Neil Gaiman. Hat mich wegen der vielen Intrigen und dutzenden Handlungsstränge mit verschiedenen Charakteren stark an GoT erinnert.
[B]Superman: Red Son[/B] – Was wäre passiert, wenn Clark Kent nicht in den USA, sondern der Sowjetunion gelandet wäre? Witziges Szenario, aber nichts tiefsinniges, beinhaltet jedoch einen der besten Fights zwischen Supie und Batman.
„[B]Supreme Power[/B]“ von JMS (Original von Mark Gruenwald)
Die vermutlich gelungenste Superheldendekonstruktion überhaupt. Interessant hierbei ist, dass die Comics unter dem Marvel-MAX-Label veröffentlicht wurden, aber die Charaktere im Grunde Parodien auf DC-Helden wie Superman (Hyperion), Batman (Nighthawk) oder the Flash (the Blur) sind. Die Geschichte beginnt mit dem klassischen Supie-Aufbau: Ein UFO mit einem nackten Baby drin semmelt über einem Maisfeld ab, nur wird dieses hier direkt von der US-Regierung eingezogen und mit Propaganda indoktriniert, sobald klar ist, dass Hyperion über Superkräfte verfügt. Hyperion wächst sozial isoliert bei „Pflegeeltern“ auf und wird zu einer Superwaffe ausgebildet, während andere Superhelden vor ganz anderen Problemen stehen: Um den Blur schlagen sich verschiedenste Werbefirmen, die sein Kostüm mit Product Placement zukleistern wollen, während der afroamerikanische Nighthawk, nachdem seine Eltern von Rassisten erschossen wurden, selbst ausschließlich Schwarzen hilft und tatenlos zusieht, wenn Weiße verprügelt oder ausgeraubt werden. Sehr gesellschaftskritische Reihe und vielleicht die intelligenteste und realistischste Superheldenreihe überhaupt. Die Fortsetzung „Squadron Supreme“ war nicht mehr so heiß, da der Autor ausgetauscht wurde. Ich empfehle die Bände „Supreme Power #1 - 3“ und die Einzelausgaben „Nighthawk“, „Hyperion“, „Dr. Spectrum“ sowie „God’s and Soldiers“.

Non-Superhelden-Comics aus den Staaten:

“[B]Air[/B]” von G. Willow Wilson (übrigens eine der wenigen muslimischen Comicautorinnen).
Eine Stewardess verliebt sich unsterblich in einen ziemlich verdächtigen Passagier, von dem sie sich nicht ganz sicher ist, ob er ein Terrorist ist oder nicht, und wird immer tiefer in einen Sumpf aus konkurrierenden Geheimorganisationen gezogen – bis die Geschichte irgendwann total abgeht und zwischen Mindfucks und spirtuellem Bla versumpft (und das ist noch nicht mal negativ gemeint). Sehr aktuell, da auch problemstellungen wie Integration und Salafismus behandelt werden.

“[B]Maus[/B]” von Art Spiegelman
Maus erzählt die Geschichte von Spiegelmans Vater, einem Ausschwitz-Überlebenden, der durch seine Erfahrungen geizig, eigenbrötlerisch und allgemein schwierig und unangenehm wurde. Charaktere werden je nach ihrer Nationalität mit unterschiedlichen Tierköpfen gezeichnet, wohl um das Grauen der Geschichte etwas zu chiffrieren, die Zeichnungen sind holzschnittartig, hart schraffiert, detailfrei und ausschließlch schwarzweiß (was wohl auch eine moralische Aussage darstellen soll).

Der [B]Sandman[/B]-Zyklus von Neil Gaiman
Der Herr der Träume, Morpheus aka Dream, wird versehentlich von Okkulisten beschworen und gefangen – die wissen allerdings nicht recht, was sie mit ihm tun sollen, eigentlich wollten sie seine Schwester, Death. Dream wird sicherheitshalber in einer Glaskuppel eingesperrt, woraufhin Menschen auf der ganzen Welt Schlafstörungen erleiden. Irgendwann schafft Dream es, auszubrechen, und macht sich auf die Suche nach seinen Artefakten, die ihm gestohlen und verkauft wurden.
Die Geschichten sind episodenhaft aufgebaut, stehen manchmal für sich alleine, aber immer in einem großen Kontext. Sandman ist ein tiefsinniges Epos von enormen Ausmaß und mit unzähligen Subtexten und Querverweisen, das auch von Literaturkritikern und Schriftstellerkollegen voller Bewunderung aufgenommen wurde – vollkommen zu recht. Am besten in einem durchlesen, wenn man mal sehr lange nichts zu tun hat. Ich habe den Fehler gemacht, mir die Einzelbände in monatlichen Abständen zu holen und bin dabei irgendwann komplett rausgekommen.
Wer erstmal reinschnuppern will: Den Einzelband „[B]Death[/B]“ kaufen, der komplett abgeschlossene Geschichten aus dem selben Universum erzählt.

Das sollte an Empfehlungen nun erstmal reichen. Ich habe darauf geachtet, verschiedene Genres zu berücksichtigen und hoffe, ich konnte einen guten Überblick für Einsteiger verschaffen, die sich noch nicht sonderlich mit der Materie auseinandergesetzt haben. Ergänzungen gerne willkommen (kann doch nicht sein, dass ich hier der einzige Comicfan bin!)

Ja, alles schön und gut, aber kennst du auch Comics, die so Sin-City-Atmosphäre haben?

Ich bin doch lang und breit auf Miller eingeangen, du kleiner Troll. :voegsm:
Bei Sin City war er übrigens nicht mehr in seiner Hochphase.

Entdecke gerade wieder Comics für mich :smiley: Jetzt als letztes gelesen:

Der kleine Spirou - Benimm Dich!
Tome & Janry

Irrewitzige Kurzgeschichten zum Leben eines kleinen Jungen. Der Stil der Geschichtenerzählung ist etwas eigen, ich hab ihn aber sofort lieben gelernt. Man plumpst am Anfang in eine Verwirrung rein und fragt sich erstmal: „wtf ist das denn?“ :stuck_out_tongue: Aber andererseits findet man sich schnell in die Hauptperson ein (was auch durch den Zeichenstil sehr gut unterstützt wird) und hangelt sich von Story zu Story.
In der zweiten hälfte des Hefts zieht sich eine Geschichte aufgesplittet bis zum Ende durch. Ich mag diese unkoordinierte Erzählweise. Sie spiegelt damit irgendwie das Leben selbst wider, wie es eben so ist :stuck_out_tongue:

Sehr sehr schön gemacht ^^

Spirou und Fantasio - Abenteuer in New York
Tome & Janry

Das ist nun eine klassische gradlinige Geschichte. Schnell erzählt und gut unterhaltend :smiley: Fast schon zu schnell… man wünscht sich die doppelte Menge an Erzählung.
Ein wunderbarer Jugendhumor und auch hier sehr angenehmer Zeichenstil.
Story ist grundlegend, dass Spirou und Fantasio in Mafiawirtschaft verstrickt werden. Weitere Infos wären bei dieser doch knappen Geschichte nur Spoiler :wink:

Für nebenbei im Alltag ist diese Art der Belesung absolut empfehlenswert ^^

Miraculum, hab ich dir eigentlich in meiner PN die „Schwarzen Gedanken“ von Franquin empfohlen? Naja, pack ich es hier noch mal rein :slight_smile:
Franquin (der Autor/Zeichner von Spirou und Gaston) war zeitweise in einer sehr depressiven Phase, in der er einen neuen Comicstrip verfasste, der sich von seinen vorherigen Arbeiten grundlegend unterschied: Die Zeichnungen sind ausschließlich in Schwarzweiß, der Humor ist bitterböse, sehr makaber und dreht sich vorrangig um den Tod (besonders Selbstmord) sowie harte Attacken gegen Politik und Religion.
Die Strips sind oft explizit (links-)politisch und sprechen ein ganz anderes Publikum an als Franquins sonstige Comics. Ich musste mich erst dran gewöhnen, aber als ich mich auf den düsteren Stil eingestellt hatte, hat mir diese Serie ebenfalls sehr gut gefallen.

Nein :smiley: klingt aber sehr interessant… kommt auf die Liste ^^ Momentan widme ich mich noch voll und ganz dem wunderbaren Gaston ^^ lange nicht mehr so herzlich gelacht beim lesen… :smiley:

“Fuck Fairyland” bzw. aus vertriebstechnischen Gründen jetzt “I hate Fairyland” von Skottie Young

[SPOILER]

[/SPOILER]

Dieser schöne, kleine Independentcomic ist die Antisthesis zu Alice im Wunderland, Narnia und Co., der erste Paperback ist nun vor ein paar Tagen endlich rausgekommen.
Die Geschichte beginnt mit der grünhaarigen Gertrude, die sich (zumindest laut dem vermutlich lügendem Erzähler, der von ihr nach ein paar Seiten ohnehin abgemurkst wird) schon immer gewünscht hat, in eine magische Welt zu reisen - bis sich plötzlich der Boden unter ihren Füßen öffnet und sie ins Fairyland fällt (nicht ohne sich dabei jeden Knochen zu brechen). Hier tragen die Orte Namen wie Peppermint Pike oder Candy Rock und sehen auch genauso aus, die Bewohner des Landes sind sprechende Pilze (bzw. laut Gertrude “Dickheads”), Glücksbärchis & co.
Leider hat das Mädchen aber gar keinen Bock auf diesen kitschigen Scheiß und mordet sich Kill-Bill-mäßig durch die verschiedensten magischen Kreaturen, um den verborgenen Schlüssel zu finden, der sie wieder in ihre Welt bringt.
Die Zeichnungen sind ultrabrutal, Schimpfwörter hingegen werden konsequent durch niedliche Ausdrücke ersetzt (“Muffin Fluffin’ Son of a Biscuit!”).
Der Gimmick, Niedlichkeit mit Gewalt zu mischen ist natürlich seit Happy Tree Friends, South Park & Co. ausgelutscht, hier wird das ganze aber ergänzt durch Tropes aus Kinderbüchern, die in ihr Gegenteil verkehrt werden, Witze, die tatsächlich ganz clever sind und zünden, Charaktere, die abscheulich sind und einem trotzdem ans Herz wachsen und enorm gelungene Zeichnungen, die eine einzigartige Atmosphäre schaffen und die Geschichte so flüssig machen, das man das Gefühl hat, einen Cartoon zu sehen.
Hat mir sehr viel Spaß gemacht und kann ich guten Gewissens weiterempfehlen, wenn man sich an Gewalt nicht stört.

Dieses Jahr ist das Verhältnis der Bücher, die ich anfangen habe zu denen, die ich auch beendet habe, sehr unausgewogenen. Nun habe ich aber nach längerer Zeit wieder ein Buch beendet:

[B]Uprooted[/B]* von Naomi Novik

*dt: Entwurzelt

Durch den Locus Award 2016, den das Buch im Bereich Best Fantasy gewonnen hat, bin ich aufmerksam geworden.

Kurze Inhaltsangabe für den ersten Teil des Buches
[Spoiler]
Der Roman ist durchgehend in der Ich-Perspektive geschrieben, die Protagonistin ist Agniezska, eine junge Frau im Alter von 17 Jahren, die in einem Dorf in einem Tal an der Grenze zu einem mysteriösen und gefährlichen Wald lebt. Regiert wird das Tal von einem Fürsten und Magier, der der Drache genannt wird. Kein böser Tyrann, aber auch nicht beliebt bei der Bevölkerung im Tal. Der Drache fordert, sich alle 10 Jahre eine 17-Jährige als Magd aussuchen zu können, die dann für 10 Jahre im Turm des Drachen leben muss. Bei der Auswahlzeremonie entscheidet sich der Drache, etwas widerwillig aber für den Leser nicht wirklich überraschend für Agniezska.

Agniezska versucht sich in der Rolle der Magd einzufinden, muss dabei aber immer wieder die Magie des Drachen erdulden. Erst nach einer Begegnung mit dem Prinzen des Königreiches versteht sie, dass sie selber magische Kräfte hat. Doch es bleibt kaum Zeit für eine vernünftige Ausbildung als Hexe, denn der Wald greift nun verstärkt die Dörfer im Tal an. Und ein Krieg zwischen den Königreichen Polnya und Rosya droht auch wieder.[/Spoiler]

Ich habe das Buch gerne gelesen. Warum es den Locus-Award gewonnen hat, verstehe ich jedoch nicht so ganz. Es ist an vielen Stellen ja doch die herkömmliche Fantasy-Geschichte. Bei einer Person wird zufällig ein Talent entdeckt, es ist der Person jedoch erst noch nicht klar. Erst im Rahmen der Ausbildung wird das Ausmaß oder die genaue Art des Talentes klar. Natürlich wird es bald zu einer Konfrontation mit dem großen Bösen kommen, eingestreut ist noch eine Liebesgeschichte, während ein anderer Freund des Protagonisten verspätet auch zu seinem komplimentärem Talent findet. Habe ich so groß schon vor 20 Jahren in dem ersten Midkemia-Roman gelesen und das war bestimmt nicht das erste Mal, dass diese Formel verwendet wurde.

Was mir jedoch gut gefallen hat, war z. B. die Namenswahl und die damit verbundenen Assoziationen. Die Welt, in der der Roman handelt, scheint eine gewisse Verwandschaft mit unserer Welt zu haben. Polnya und Rosya scheinen für Polen und Russland zu stehen und eine Variante von Venedig gibt es auch in weiterer Entfernung. Es hat wenig Bedeutung für den Roman, aber dies als Set für die Namenswahl der Charaktere fand ich doch erfrischend.
Ich hatte auch gefallen an der Beschreibung der Magie, gerade in der ersten Hälfte des Buches. Die Magie ist verbunden mit einer Form des Gesanges (keine Sorge, im Buch steht kein Liedtext) und ich hatte beim Lesen immer wieder den Eindruck, dass dies auch einen gewissen Wiederhall in der Textrhythmik fand. Und einen Wald als ein böses Wesen darzustellen, ist vielleicht nicht ganz neu(?), aber hier doch relativ gut umgesetzt und die Bedrohung gut nachvollziehbar.

In der zweiten Hälfte verliert der Roman aber etwas an Qualität. Es kommt zu mehr Action und die Protagonistin stolpert von einem Ereignis zum nächsten und das Lesen verliert etwas an Fluss. Vielleicht unterschätze ich hier die Autorin und dies ist tatsächlich absichtlich und im Einklang mit der Handlung, die an der Stelle das Tal verlassen hat, aber ich habe etwas den Überblick verloren. Aber dies war für die weitere Handlung auch nicht so wichtig.

Ziemlich nervig fand ich auch die eingebaute Liebesgeschichte, die aus meiner Sicht einfach unnötig war und eigentlich eine andere Person in der Handlung viel besser als Love-Interest geeignet gewesen wäre. Stattdessen werden die üblichen Stationen der Fantasy-Beziehung durchgemacht. Gerade am Ende hätte ich es viel besser gefunden, wenn auf die Erfüllung der Beziehung verzichtet worden wäre, die Autorin dies offen gelassen hätte und die Protagonistin in ihrer neuen Rollen ganz durch sich alleine definiert worden wäre.

Empfehlen würde ich den Roman aber trotzdem für alle, die Fantasy als Genre mögen. Es macht an vielen Stellen Spaß und hat seine kreativeren Ansätze. Ich habe das Buch vor ein paar Tagen noch für unter 5 Euro bei Amazon als eBook bekommen, aktuell kostet es 7,36 €, Taschenbuch 9,20 €. Eine deutsche Variante konnte ich bisher nicht finden.

https://www.amazon.de/Uprooted-Naomi-Novik/dp/1447294149/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1467385910&sr=8-1&keywords=uprooted

The Fifth Season, von J. K. Jemisin, Teil 1 einer geplanten Trilogie, Teil 2 wird Mitte August erscheinen.

The Fifth Season macht von Anfang an deutlich, worum es geht:

Let’s start with the end of the world, why don’t we? Get it over with and move on to more interesting things.

Das ist eine doppelte Ansage für den Leser: Die ersten Seiten starten mit dem Beginn einer umfassenden Apokalypse. Von den nun folgenden Handlungsebenen spielen zwei vor der Apokalypse und auch in denen sehen wir schon eine apokalyptische Welt.

Der Zustand der Erde wird so beschrieben:

It moves a lot, this land. Like an old man lying restlessly abed it heaves and sighs, puckers and farts, yawns and swallows. […]It was once several other lands. It’s one vast, unbroken continent at present, but at some point in future it will be more than one again. Very soon now, actually.

Die Erde ist tektonisch extrem unstabil geworden. Immer wieder kommt es zu Vulkanausbrüchen und großen Erdbeben, oft mit fatalen Folgen für den ganzen Planeten und es gibt Jahre bis Jahrzehnte, in denen die Sonne verdunkelt ist, die Ernte abstirbt oder das große Weltmeer vergiftet ist. Diese Zeit wird dann als Fifth Season bezeichnet. Doch die Menschheit hat sich angepasst. Zumindest die stabilen und erfolgreichen Städte beachten die Stone Lore, die nun uralten Regeln und Gesetze zum Umgang mit einer fünften Jahreszeit, inklusive einem Kasten-Arbeitswesen. Zum Zeitpunkt der Handlung sind so zumindest zehntausend Jahre an Menschheitsgeschichte vergangen. Spuren von vergangenen Zivilisationen, Relikte und Artefakte unverständlicher Art sind auf dem ganzen Kontinent verstreut.

Technologie und Wissenschaft sind in dieser Welt vorhanden, spielen aber für die meisten Menschen keine große Rolle. Eine besondere Gruppe aber unter den Menschen sind die Orogenes, verachtet und gefürchtet von dem Rest der Menschheit sind diese in der Lage instinktiv Erdbeben zu verhindern … oder im Zorn oder Angst sie auszulösen. Die meisten Orogenes, oder verächtlich Roggas genannt, sterben im jungen Alter, getötet durch eine Meute.

In der Handlung des Buches geht es um solche Orogenes. Eine Mutter, die verzweifelt ihre überlebende Tochter sucht, nachdem der Vater den Bruder umgebracht hat und mit der Tochter geflohen ist, ein junges Mädchen, das zur einzigen Ausbildungsstädte, für Orogenes gebracht wird, dem Fulcrum und eine junge Frau, die zusammen mit einem hochtalentiertem Orogene-Anwender einen Auftrag für das Fulcrum durchführt und nebenbei gezwungen ist, mit diesem ein Kind zu zeugen.

Ich bin höchstbegeistert von dem World Building der Autorin. Die eigentliche Geschichte tendiert doch eher in Richtung Zukunftsfantasie, aber die Autorin hat eine absolut plausible zukünftige Gesellschaft entwickelt. Im Laufe des Buches bekommt man ein gutes Gefühl für die Regeln und das System der dortigen Gesellschaft. In dieser Qualitätsstufe habe ich World Building einer fremden Gesellschaftlich vermutlich noch nie gesehen und allein dies ist schon ein Grund, jedem Fan von Fantasie oder von Science Fiction dieses Buch nahezulegen. (Mit Ausnahme der Armen, die nur Hard-Science-Fiction ertragen, denn die werden hier nicht glücklich.) Auch Ein Lied von Eis und Feuer besitzt da zwar eine höhere Charaktervielfalt, aber die Welt bleibt viel mehr im Trüben.

Der Handlungsstrang der Mutter wurde interessanterweise in einer Du-Form geschrieben. Dies ist eventuell eigentlich eine Ich-Perspektive, aber die einer Person, die durch die Ermordung ihres Sohnes schwer traumatisiert ist und sich von sich selbst distanziert hat, damit sie überhaupt handlungsfähig ist. Dies ist am Anfang doch gewöhnungsbedürftig, aber man gewöhnt sich daran schnell. Die anderen beiden Handlungsstränge wurden in der klassischen Dritten Person geschrieben. Der Erzähler, der am Anfang noch in die Geschichten einführt, verschwindet schnell in den Hintergrund und kommentiert dann nur noch für ein kurzes Interludum oder für einzelne Erklärungen.

Die eigentliche Handlung verläuft kurzweilig und zügig und man ist zu einem stetigem Lesen motiviert. Man ist sogar wirklich, wie am Beginn des Romans angekündigt, gar nicht so sehr am Grund für die große Apokalypse interessiert. Ich habe das Thema zumindest zeitweise fast völlig vergessen, aber natürlich schleicht es sich dann doch wieder etwas ein.

Aber dies ist eben nur Band 1 einer Trilogie. Die Handlungsstränge führen am Ende zusammen, der vereinte Handlungsstrang schließt aber nicht mit diesem Band ab, sondern endet mit einer Frage an die Protagonistin. Da mich bei der Ebook-Variante Appendix und Leseprobe über die eigentliche Romanlänge getäuscht haben, war ich überrascht über das plötzliche Ende, ich dachte, ich hätte noch 10 % des Werkes vor mir.

Da aber das World Building eben so gut gelungen ist, kann ich das Werk auch vor Abschluss der gesamten Handlung schon empfehlen. Und Teil 2 wird ja schon in einem Monat erscheinen.

Es scheint, dass es The Fifth Season noch nicht in deutscher Sprache gibt, was ich sehr schade fände. Die englische Variante gibt es für 14,25 € als Taschenbuch und für 7,49 € als Kindle-Ebook:
https://www.amazon.de/Fifth-Season-Broken-Earth-Band/dp/0316229296?ie=UTF8&ref_=asap_bc

Schon vor ein paar Tagen habe ich einen weiteren Sci-Fi-Roman beendet: The Three-Body Problem von Liu Cixin, mal wieder der erste Teil einer Trilogie und Gewinner des Hugo Awards 2015.

Mittels Erinnerungen setzt die Handlung schon während der Chinesischen Kulturrevolution ein und begleitet zunächst die Tochter eines von übereifrigen Rotarmisten getöteten Wissenschaftler, bis diese in einer geheimen chinesischen Militärbasis den ersten Kontakt mit einer fremden Spezies aufnimmt.
Parallel dazu spielt die Handlung auch in unserer Gegenwart, in der der Nano-Wissenschaftler Wang Miao zu einer Versammlung gebeten wird und während dieser sich herausstellt, dass die Menschheit wohl in einem geheimen Krieg steckt. Größtes Symptom des Krieges ist der Selbstmord von zahlreichen Wissenschaftlern.
Und dann gibt es noch ein epochenübergreifendes Videospiel, was in der Welt Trisolaris spielt, die durch die Konstellation von drei Sonnen eine völlig unberechenbare Umlaufbahn hat und deren Zivilisation schon hunderte Male durch ein ungünstiges Zusammenspiel der Sonnen ausgelöscht wurde.

Ich mag die Grundkomposition und das Setting des Romanes. Die Ideen sind sehr gut und der Beginn ist auch gut geschrieben. Aber im Laufe der Geschichte hat der Autor völlig seine Hauptcharaktere aus den Augen verloren und deren Entwicklung scheint keine Rolle mehr zu spielen, nur die Haupthandlung, die dann gar nicht mehr durch die Hauptcharaktere getragen wird, nimmt seinen Lauf, aber auch dies auf eher chaotische Weise. Hinzukommen narrative Muster und Verhaltensweisen der Charaktere, die mir als europäischer Leser nicht verständlich sind. Diesen Punkt will ich dann nicht unbedingt dem Autoren anlasten, da dort meine fehlende Erfahrung mit chinesischer Literatur wohl mehr das Problem sein könnte, aber es hat mir trotzdem schwer gemacht, im weiteren Verlauf des Romanes noch Freude am Lesen zu haben. Wäre es ein europäischer Roman, würde ich den Roman einfach als schlecht ausgeführt betrachten.

Empfehlung also für diejenigen, die mal was anderes im Bereich Sci-Fi lesen möchten.

Aktuell höre ich Diamond Age - Die Grenzwelt von Neal Stephenson als 20-stündiges-audible-Hörbuch. Grob geht es um die Welt im Zeitalter von weitverbreiteten 3-D-Druckern und Nanotechnologie und ein Mädchen, was erwachsen wird. Hörbücher sind eigentlich nicht mein Ding, aber bei audible kann man die Vorlesegeschwindigkeit beschleunigen, ohne dass es allzu albern klingt. Habe aber noch gut die Hälfte der Handlung vor mir.

Und zur Abwechslung lese ich aktuell auch einen Roman, der nicht im Bereich Sci-Fi oder Fantasy einzuordnen ist: 2666 von Roberto Bolano, der als südamerikanischer Autor wohl gerne über Germanisten schreibt. Der Roman ist sehr umfangreich und hat um die 1100 Seiten, werde dafür also auch noch eine ganze Zeit brauchen.

Und was habt ihr gerade beendet? Was lest ihr aktuell? Ich bin ja hoffentlich nicht der einzige, der Bücher aktuell liest.

Ich lese gerade Diabolus von Dan Brown. Die Story ist die gleche, wie in seinen anderen Büchern.

Eine mächtige Organisation ( hier die NSA) wird von einem der Ihren bedroht und ein Lehrer/Professor und eine unheimlich intelligente und dazu natürlich superscharfe Frau muß alles wieder geradebiegen.

Ich habe bis jetzt 3 Bücher von ihm gelesen ( Illuminati, Symbol und jetzt Diabolus) und das Grundmuster ist immer das gleiche. Deshalb von mir KEINE EMPFEHLUNG.

Grüße
tibi

Nachdem ich heute Nacht leichte Magenprobleme hatte, habe ich dann mal das Hörbuch [I]Diamond Age - Die Grenzwelt [/I] von [I]Neal Stephenson[/I] abgeschlossen. Warum man sich für die deutsche Fassung für den Untertitel “Die Grenzwelt” entschlossen hat, habe ich zwar nie während des Hörens begriffen, aber ansonsten war das ein toller Roman.

Das Buch spielt in einer nicht sehr weit entfernten Zukunft, die Welt ist divers geworden und Nationen wurden (an den den meisten Stellen) abgelöst von Gemeinschaften, die sich durch gemeinsame Ideale und Lebensvorstellungen aber oft auch ähnliche ethnische Herkunft definieren, so z. B. die Neo-Viktorianer (die versuchen in der Zukunft die viktorianischen Ideale wieder aufleben zu lassen), die Han und Nippon. Daneben existieren eine große Anzahl von kleineren Gemeinschaften. Nano-Technologien und Materie-Compiler, die einem alltägliche Dinge nach Belieben herstellen lassen, sind überall verbreitet.

Das Buch begleitet vor allem die Geschichte von Nell, einem kleinem Mädchen, was zu keiner anerkannten Gemeinschaft gehört und als Teil der Unterschicht bei ihrer Mutter lebt und Missbrauch und Gewalt durch die wechselnden Partner ihrer Mutter erdulden muss. Von einem Raubüberfall bringt jedoch ihr Bruder eines Tages eine hochmoderne “Fibel” mit, die eigentlich zur Erziehung der adeligen Tochter eines Dividenden-Lords gedacht war und sie vertieft sich in die lehrreichen Abenteuer von Prinzessin Nell und den Freunden der Nacht. Dass das Buch das Leben des Mädchens natürlich stark beeinflusst, sollte nun keine Überraschung sein.

Eine weitere Hauptfigur ist der Ingenieur und Neo-Viktorianer John Percival Hackworth, der die zuvor genannte Fibel entwickelt hat und dem diese entwendet wurde, wobei die Entwicklung und Verlust der Fibel ihn in immer größere Schwierigkeiten und zum sozialem Absturz bringen.

Einige Romane von Neal Stephenson haben lange philosophische Abhandlungen, wie z. B. Anathema oder physikalische Abhandlungen wie Seveneves (dt. Amalthea). In Diamond Age hat Stephenson darauf verzichtet, sondern stattdessen ein sehr komplexes Bild einer zukünftigen irdischen Geselllschaft gezeichnet. Während man am Anfang noch leicht überfordert von der neo-viktorianischen Darstellung und Sprechweise ist, ergibt dies im Laufe des Romanes und den vielen Erklärungen zur Gesellschaft immer mehr Sinn und es ergibt sich wirklich ein plastisches Bild am Ende. Der Handlungsfortschritt ist nicht ganz gleichmäßig und es fällt am Anfang sogar etwas schwer, die Haupthandlung auszumachen, aber dies dient dem ausgezeichnetem World-Building.

Das Buch selber ist eine volle Empfehlung für alle, die Sci-Fi oder phantastische Geschichten oder aber das viktorianische Zeitalter mögen. Fans von altmodischen Bildungsromanen (gibt es die?) könnten auch auf ihre Kosten kommen. :mrgreen:

Zum Hörbuch:

Ich bin ja kein großer Fan von Hörbüchern bisher gewesen, aber durch die gelungene Beschleunigungsfunktion in audible-app hatte ich dann doch viel Spaß. Zumindest für dieses Hörbuch war der Faktor 1,3 ein sehr gutes angenehmes Tempo. (Ich hatte in der Vergangenheit mich immer wieder über die langsame Sprechweise von Hörbuch-Vorlesern geärgert und deswegen das Selber-Lesen bisher stark bevorzugt. Vielleicht ändert das sich nun.)

Sprecher ist die deutsche Stimme von Captain Riker (für Sci-Fi-Fans) bzw. von George Clooney (für alle anderen), also Detlef Bierstedt. Bierstedt macht für meine Hörbuch-unerfahrenen Ohren einen sehr guten Job. Was ich jedoch nicht so gerne mag, ist das stark verzehrte Sprechen um Kinderstimmen oder auch ausländische Dialekte nachzustellen und da durch die Protagonistin Nell viel an “Kindersprechen” vorkommt, war das zunächst doch gewöhnungsbedürftig für mich. Da wäre es mir lieber, wenn man einfach an der Fähigkeit des Zuhörers appelliert, der Handlung etwas zu folgen und nur leichte Unterschiede für die Nachvollziehbarkeit von Dialogen macht. Dies ist aber absolut kein Grund für mich, in Zukunft auf ein von Bierstedt gesprochenes Hörbuch zu verzichten, ganz im Gegenteil: Es ist insgesamt trotzdem eine Empfehlung.