Diskussion zu [B]diesem Blogtext[/B].
Ich habe mir am Sonntagabend den “Tatort” angeschaut, denn die Fälle von Batic und Leitmayr mag ich eigentlich am liebsten. Auch der neueste Film mit dem Titel “Allmächtig” versprach Interessantes: Da gibt es einen Sender namens “AAA”, auf dem ein schmieriger Interviewer (immerhin grandios gespielt von “heute Show”-Ensemblemitglied Alexander Schubert) Leute vor laufender Kamera bloßstellt. Als dieser also schließlich erschlagen aufgefunden wird, gibt es genug Verdächtige mit Motiv, die dank dem rücksichtslosen Mann mit Mikrofon zum Gespött der Nation geworden sind.
Klingt nach grandioser Kritik am Fernsehen, hat aber einen Schönheitsfehler: “AAA” ist ein Internet-Sender. Obwohl der Tote auch locker ein Charakter mit Anleihen an Christopher Posch oder eine Katharina Saalfrank hätte sein können (ich zumindest kenne mehrere Persönlichkeiten, die mit diesen genannten vermeintlichen TV-Helden gern mal zehn Minuten allein in einem Raum wären, um sich posthum für Mobbing und Psychoterror zu revanchieren), traut sich dieser “Tatort” nicht, die Gelegenheit zu nutzen, das kommerzielle Fernsehen wegen seiner Methoden zu kritisieren. Stattdessen wird so getan, als sei das Internet neuerdings der Ort für pseudo-investigativen Trash-Journalismus. Und nicht nur das: Am Ende gibt es noch einen vollkommen unglaubwürdigen und absurden Twist in Richtung Exorzismus.
Ich ärgere mich sehr darüber, denn an sich war dieser “Tatort” sehr spannend und handwerklich auf allerhöchstem Niveau. Dass hier aber die große Chance vertan wurde, endlich mal mit voller Wucht Selbstkritik am Medium Fernsehen zu üben, hat mir den Abend versaut. Denn wieso ein Internet-Sender? Ich kenne nicht einen einzigen Kanal im Internet, der auch nur annährend solch einen menschenfeindlichen Unfug betreibt, wie er gezeigt wurde. Der ansonsten so gesellschaftskritische “Tatort” macht ein Fass auf, das es gar nicht gibt. Natürlich findet sich im Internet jede Menge Verachtung und Menschenfeindlichkeit, aber in dieser gezeigten Form ist mir nichts bekannt - lasse mich aber gern eines Besseren belehren. “Christopher Posch”, “Schwer verliebt”, “Stalker” & Co. - all das findet ausschließlich im Fernsehen statt. Nur ganz zu Beginn gibt es so etwas wie eine vage Kritik am klassischen TV - als eine Mitarbeiterin von “AAA” berichtet, nach drei Jahren sei nun ein Fernsehsender bei ihnen eingestiegen. Darauf wird aber nicht näher eingegangen im weiteren Verlauf. Die Botschaft ist damit eine vollkommen verdrehte: Es wird suggeriert, das Böse, das Unseriöse, das vorführende Bewegtbild finde immer erst im Internet seinen Anfang und greife dann vielleicht mal hier und da aufs Fernsehen über. In Wahrheit ist es wohl eher umgekehrt.
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Die Öffentlich-Rechtlichen sind inzwischen nicht mal mehr willens, an der einst so verschmähten privaten Konkurrenz Kritik zu üben. Kein Wunder, denn wenn auch eine Frau Katzenberger inzwischen selbst schon zur Hauptdarstellerin eines teuer finanzierten Fernsehfilms für das ARD-Hauptabendprogramm wird, dann wirkt Kritik am Trash-Fernsehen womöglich tatsächlich unfreiwillig komisch. Stattdessen aber das Internet da mit hineinzuziehen (wo ja in Wahrheit die Kritik an solcher Form von Fernsehen zum Glück stattfindet), ist nicht mehr lustig - es ist manipulativ, es ist feige, es ist Volksverdummung.
Der ARD-Tatort “Allmächtig” ist täglich ab 2o Uhr in der ARD-Mediathek zu sehen.