Dieses ständige Gerede von “Und anderswo sterben viel mehr Menschen und niemanden interessierts” ging mir schon bei der Berichterstattung im Zuge der Loveparade 2010 auf den Keks. Niemand, der sich mit den Hintergründen rund um den Bombenanschlag in Boston auseinandersetzt, denkt ernsthaft, dass ein Amerikaner “mehr” wert wäre als ein Araber oder Afrikaner. Ok, ganz ausschließen kann man es dann doch nicht, dass es solche Menschen gibt, aber die sind hoffentlich in der Minderheit. Es ist nun einmal etwas “Besonderes”, wenn in einer Stadt wie Boston eine Bombe explodiert. Eine explodierende Autobombe in Bagdad hingegen nicht. Das ist natürlich traurig, aber eben auch die Wahrheit. Und es ist genauso traurig, wenn Menschen in der arabischen Welt oder in Afrika durch Terrorismus, Hunger oder Krieg sterben müssen, aber, ganz nüchtern betrachtet, ist es eben auch nichts “Besonderes”. Ich erinnere mich an die Flutkatastrophe damals in Pakistan, da waren die Menschen auch solidarisch, genauso wie zu der Flutkatastrophe in New Orleans, dem Tsunami im indischen Ozean, der Flutkatastrophe in Japan, etc. Es gab auch hier einen Aufschrei, als man von der Massenvergewaltigung einer jungen Frau in Indien hörte. Das allerdings auch nur, weil das “besonders Traurige” an dem, dort offenbar alltäglichen, Phänomen war, dass sie das nicht überlebt hat. Dort hat auch niemand von den Leuten, die sich jetzt betroffen zeigen, etwas geschrieben, das in die Richtung “Ach, war doch bloß eine Inderin.” geht.
Ich erinnere nur einmal an die Aussage eines türkischen Politikers, der fragte, ob in Deutschland nur Häuser brennen würden, in denen Migrantenfamilien wohnen. Woher er nur den Eindruck bekam, dass diese, natürlich vollkommen an den Haaren herbeigezogene und auch politisch motivierte Aussage, auch nur einen Funken Wahrheit beinhalten würde? Richtig, brennen Häuser oder Wohnungen in denen nur deutsche Familien wohnen, ist das nichts “Besonderes”, das schafft es höchstens in die regionale Presse. Brennen aber Häuser, in denen sich nur Migrantenfamilien aufhalten, wird darüber deutschlandweit berichtet, auch wegen unserer Vergangenheit. Es ist nicht schlimmer oder weniger dramatisch als wenn das Haus einer deutschen Familie vernichtet werden würde, aber das eine ist eben etwas “Besonderes” und das andere etwas Alltägliches.
Oder noch anschaulicher. Steht etwa jeder noch so kleine Auffahrunfall in der Zeitung? Nein. Vielmehr schaffen es nur die Unfälle in die Zeitung, in denen Menschen tatsächlich zu Schaden kommen.
Ich glaube, jeder weiß um die Situation der Menschen in Afrika oder Arabien, der arabische Frühling war im Übrigen auch ein großes Thema in unseren Medien, weil er eben etwas “Besonderes” war. Da braucht es nicht noch die Presse, um das Selbstverständliche den Menschen näher zu bringen. “Ach, in Kriegsgebieten sterben Menschen?”.
Ich sage nicht, dass all das nicht furchtbar ungerecht ist, aber so funktionieren die Medien nun einmal.